Donnerstag, 27. September 2018

Uganda III - Hakuna Matata


Ich sitze am Lagerfeuer, über mir in den Bäumen toben die Weavers**, die hier massenweise Nester haben. Ich fühle mich frisch und friedlich und wunderbar; ich hatte eine Dusche mit meiner Lieblings-afrikanischen Musik, die ich in Berlin nie anhören konnte, weil ich sofort weinen musste. Jetzt fühlt sie sich einfach nur in Mark und Bein wundervoll an und verwurzelt das erdverbundene, kraftvolle Gefühl in mir, das langsam wieder auflebt. Das Gefühl, privilegiert und stark und wundervoll und schön und all das zu sein; ich betone, Gefühl, nicht Gedanke. Wenn mich jemand bitten würde, das zu erklären oder zu begründen – ich weiß nicht, ob ich das könnte. Die weiche Abendbrise krault mir mein vollkommen ungebändigtes Lockenhaar, das ich zu einem chaotischen Dutt hochgesteckt habe (überall „Babyhaare“ um meine Schläfen, oh Gott, vollkommen stadtuntauglich!), die Zikaden* machen wieder ihren Höllenlärm, und ein smart aussehender schwarzer Kellner ist soeben zu mir ans Feuer gekommen, um zu fragen, wie es mir geht und ob er mir einen Drink bringen kann. Soeben ist mir das zweite unbekannte Insekt in meinen Ausschnitt geflogen; ah, wie ich das Gefühl vermisst habe, „irgendetwas Zerquetschtes“ aus meinem Bra zu fischen. 

*Zikaden sind an sich kleine, unscheinbare Insekten, deren Männchen an der Bauchseite ein Organ haben, das – aus bisher unerklärlichen Gründen – ein Geräusch erzeugen kann, das dem eines elektrischen Rasierapparats gleicht und Lautstärken bis zu 120 Dezibel erreicht. 120 Dezibel sind nahe an der Schmerzgrenze des menschlichen Ohres! Um ihr eigenes Gehör zu schützen, haben sie eine Art Membran, die bei Aktivierung des „Gesanges“ dafür sorgt, dass ihr Gehörgang verschlossen wird. Sie singen einerseits, um Weibchen anzuziehen, andererseits tun sie sich in Scharen zusammen, um Vögel abzuwehren! Kein Vogel riskiert sein Gehör, nur um eine Zikade zu fressen… es gibt unterschiedliche Zikadenarten, und alle singen auf einer anderen Frequenz, manche davon (God bless them) sind für Menschen gar nicht hörbar, bringen aber mit ihrem Krach zum Beispiel Hunde dazu, vor Schmerz zu jaulen. Ziemlich spannend, dafür, dass sie so klein sind.


**Über Weaver (Webervögel) gibt es so vieles zu erzählen; es gibt zahlreiche Unterarten; berühmt sind sie allerdings generell für ihre gewebten Nester (hence der Name 😉 ), die bei einigen Weberarten wie dieser hier wie kleine runde Bommel aus Zweigen und „Zeugs“ zahlreich an Bäumen hängen. Die Männchen müssen den Nestbau erst erlernen, deshalb sieht man oft viele „falsche“ Nester an einem Baum hängen, die keiner will; je mehr „richtige“ Nester er allerdings macht, desto bessere Chancen hat er, dass ein Weibchen sich sein Nest aussucht und dort einzieht. Die Dame wählt also, wie es sich gehört. Er darf dann rein und sie befruchten… wenn er richtig gut ist und viel Zeit hat, kann es sogar passieren, dass er mehrere Weibchen in mehreren Nestern zu „betreuen“ hat.

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Heute haben wir die Hakuna Matata Schule auf dem Gelände besucht. Ich werde langsam besser im Schulen-Besuchen, aber es ist trotzdem seltsam, das so zu erleben, mich so intensiv als „Weiße“ zu erfahren, ohne irgendetwas dafür zu tun. 
Nur weil ich weiß bin, erwarten vierzig kleine schwarze Kinder Geschenke von mir. Nur weil ich weiß bin, wird ein Lied für mich gesungen „Welcome Visitor, our school is hakuna matata, our motto is ,time wasted will never be regained‘, we are advanced class, den Rest verstehe ich leider nicht.“ Nur weil ich weiß bin, werde ich immer wieder von kleinen sehr süßen Kindern heimlich angefasst – was denken sie, dass ich das nicht merke? – vielleicht um zu testen, ob die Haut/Farbe echt ist, ich weiß es nicht? Nur weil ich weiß bin, wollen ALLE Kinder mir High Five/High Fist geben, und einige können gar nicht genug davon bekommen, und ich bin umringt von einer Schar schwarzer Kids in grellorange-neongelben Uniformen, grinsend mit leuchtend weißen Zähnen, fröhlich giggelnd und lachend, und ich kann auch nicht aufhören zu grinsen, es ist einfach zu süß und zu schön.


High Five die 124ste...
Bin ich deswegen rassistisch? Weil ich schwarze Kinder süß finde? Weil ich als Weiße eine schwarze Schule besuche und mich an der Reaktion erfreue? Bin ich rassistisch, weil ich weiß bin? Manchmal finde ich es sehr befreiend, wie Sean, Lizzys Freund, über diese Dinge redet. Er macht aus dem ganzen Thema einfach einen fetten Klumpen schwarzen Humor – schwarzen Humor? Weißen Humor? – und bringt mich damit oft zum Lachen. Nein, es war ein tolles Erlebnis, und ich habe gegrinst wie ein Honigkuchenpferd und es total genossen und heimlich Tränchen verdrückt, als die Kids ihre Schulhymne vorsangen… für uns vier weiße Besucher (Karlene, ich, der Direktor vom Zoo Melbourne und ein weiterer wichtiger Herr von Zoo Victoria / Rhino Fund, die der Schule dieses Jahr Whiteboards gespendet haben und jetzt fleißig Fotos für die Sponsoren machen). 

Karlene bringt den Kids bei, wie Seifenblasen funktionieren :)
Danach wasche ich übergründlich meine Hände… ist das rassistisch? ;) Quatsch. Spätestens nach einer Lebensmittelvergiftung und der Einsicht, dass man Hygiene in Afrika noch ernster nehmen muss, als ich es bisher getan habe (und das war nicht unernst), weiß ich, dass mein Körper an viele Bakterien, die hier ganz normal sind, doch (noch) nicht gewöhnt ist ;)

Speaking of Gewöhnung etc.: Ich bin jetzt voll auf Doxycycline, ein mildes Antimalaria-Antibiotikum. Mich haben schon zahlreiche Moskitos und Tsetse-Fliegen gestochen, dass ich letztlich doch froh bin, mich für Malariaprophylaxe entschieden zu haben. Obwohl ich so viele Horrorgeschichten gehört und erlebt habe von Gästen, die Malariatabletten nahmen, scheint mein Körper das Zeug gut zu verkraften. Klar, mir ist bewusst, dass ich meine Darmflora damit angreife und meiner Leber zu schaffen mache, und Lizzy sagt „this fucks up your skin“, aber dies ist nun mal ein High Risk Malariagebiet; Karlene hat mir erzählt, dass ihre letzte Praktikantin ihre Tabletten nur ein paarmal vergaß und bumms-Malaria! – insofern, besser isses. Nur damit man auch mal was Positives dazu liest und nicht immer nur die Negativberichte.

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Eine Woche geht unfassbar schnell vorüber, und schneller als erwartet und erhofft muss ich mich von Chris und Karlene wieder verabschieden. Sie haben mir eine wirklich tolle Woche bereitet und ganz davon zu schweigen, dass ich ihnen dankbar bin, habe ich das Gefühl, einem Teil Familie Auf Wiedersehen zu sagen... Obwohl wir alle nicht so recht wissen, was aus uns wird, sind wir uns sicher, dass wir uns wiedersehen werden... immerhin haben wir ein Talent, uns in Afrika zusammenzufinden - sei es im südlichsten, wildesten Namibia, im Busch Kwa-Zulu-Natals oder in Uganda ! 

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