Heute verabschieden
wir Anya, sie fliegt zurück nach Äthiopien – schade, ich mag sie gern und das war ein wirklich kurzer Besuch… wir
haben Matthew mit dabei, der jetzt unter Lizzy arbeitet, aber schon seit über
20 Jahren auf der Farm beschäftigt ist. Er hat noch erlebt, wie alles voller
Elefanten, Giraffen und Büffel war – heute alle gewildert. Dafür war er noch
nie am Internationalen Flughafen und freut sich wie verrückt. Das ist schön zu
sehen und zu fühlen; ich liebe und vermisse dieses Gefühl, aus dem Busch zu
kommen und alles ist plötzlich
speziell und besonders für einen.
Nachdem wir
Anya verabschiedet haben, gehen wir noch einkaufen – bzw. Matthew geht
einkaufen, deshalb haben wir ihn mit – und ich stehe in der heißen
afrikanischen Sonne vor staubigen, kleinen Shops, während Matthew mit
wunderbarer Sorgfalt und Aufrichtigkeit den allerbesten Hammer im besten
Handwerkerladen des Dorfes auswählt.
Am Abend besuchen
wir zwei Freunde Lizzys in der benachbarten Massai Community: Jackie, die
traditionellen Perlenschmuck herstellt, und ihren Ehemann. Sie haben fünf
Kinder, drei adoptiert, weil sie besser für die Kinder sorgen können als deren
Eltern. (Sie leben in einer 10qm Wellblechhütte im Nirgendwo, aber sie können
es sich leisten, zwei der drei Kinder zur Schule und zur Universität zu
schicken). Wir werden sehr gastfreundlich empfangen und versorgt, natürlich
auch, weil die Massai sich Hilfe von mzungi, den Weißen, erhoffen. Es ist ein
schwieriger Balanceakt – einerseits sind die Dinge, die sie dringend brauchen
(eine Wasserpumpe, damit die Frauen das Wasser nicht mehrmals täglich 1 km
durch die Savanne schleppen müssen; Schulbücher und allgemein Kosten der
Schule; etc. etc.) für uns vergleichsweise extrem billig, sodass es kein
Problem wäre, ihnen dieses Geld zu geben – aber damit ist langfristig eben
niemandem geholfen. Alles muss nachhaltig geschehen, muss so aufgebaut werden,
dass die Menschen selbst in der Lage sind, sich zu helfen und Geld zu verdienen
oder ihre Probleme in Angriff zu nehmen. Jackie serviert uns Erbsen und Kraut
mit Weizenfladen, und mein Magen will jetzt schon überhaupt nichts mehr von
Weizen wissen, aber sie bestehen darauf, dass ich sie probiere. Ja, sie sind
lecker, natürlich; nach dem Besuch habe ich heftige Koliken. Die hatte ich die
letzten Tage schon immer dann, wenn ich Weizenfladen aß, ja, sie sind extrem
lecker, aber ich muss mich wirklich zurückhalten, meinem Verdauungstrakt
zuliebe.
Lizzy will,
dass sich etwas tut in der Community – ohne eine gesunde und funktionierende
Community ist ihre Arbeit wie Hausbau auf Treibsand, wird die Wiedereinführung
von Wildtieren niemals nachhaltig sein. Menschen, die hungern und leiden und
dringend Geld benötigen, sind (zum Beispiel) sehr leicht zum Wildern oder zur
Unterstützung von Wilderern zu bewegen und sind wenig loyal, wenn es um den
Schutz und Erhalt dessen geht, was sie hier aufbauen möchte. Sie hat
ehrgeizige, hoch gesteckte Ziele, und sie braucht extrem viel inneres Licht, um
dorthin zu marschieren. Ich wünsche ihr von Herzen, dass das, was sie vorhat,
klappt oder zumindest nicht dafür sorgen wird, dass sie eines Tages
desillusioniert und enttäuscht in die Menschheit die Flinte ins Korn wirft. Ich
könnte die Arbeit, die sie hier macht, nicht leisten – ein bisschen kommt sie
mir vor wie eine Mini-Ausgabe von Prinzessin Diana, die komplett liebevoll und
offen in eine so fremde Kultur taucht, alle streichelt, allen gibt, was sie
kann, und von Herzen versucht, die Menschen voranzubringen.
Für mich ist
das alles noch ein Kulturschock – ich hatte zwar Kontakt mit „Einheimischen“ in
Botswana und Südafrika, aber immer auf einer westlich kultivierten, sicheren
Basis. Die Schwarzen, mit denen ich bisher zu tun hatte, waren in der Regel
angestellt, versorgt, „westernized“ durch den Tourismus, für den sie
arbeiteten, und ja, natürlich gab es auch dort Probleme, Kulturclashs, etc.,
aber es war mir nie so bewusst wie jetzt in dieser Massai-Community.
Die Schule in der Community |
Die (älteren) Schulmädchen während der "Frauenthemen"-Aufklärung |
Lizzy ruft schließlich mich „auf die Bühne“, um ein
paar Übungen zu zeigen, die gut sind bei Rückenschmerzen,
Menstruationsschmerzen und sogar Wehen – die kleinsten Bewegungen (Hüfte vor-
und zurückkippen im Sitzen, Kuh-Katze aus dem Yoga, strecken, atmen) ernten
heftiges Gelächter. Etwas, das für uns Westliche so selbstverständlich ist,
macht einen so seltsamen Eindruck auf diese Frauen! Ich bezweifle, dass sie es
ausprobieren werden, aber hey, why not. Am Ende der Versammlung steht die
Stammesälteste wieder auf (sie sprach zu Beginn schon einmal; sie scheint
diejenige zu sein, die für alle spricht, und sie ist prachtvoll dekoriert mit
traditionellem Perlenschmuck und auffallendem orangefarbenem Gewand. Mit stets
würdevoller, ernster Mimik strahlt sie absolute Autorität aus. Sie bedankt sich
bei den Frauen für diese Lektionen, die sie überrascht hätten, aber die
sinnvoll seien, weil viele der angesprochenen Probleme wirklich existierten –
und dann wendet sie sich an die Frauen und erklärt ihnen, dass es wichtig sei,
auf sich acht zu geben, und die Ratschläge zu befolgen, etc.
Womens' Meeting (links die alte Massai-Mamma - mit den traditionell durchhängenden Ohrlappen)
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