Freitag, 21. Dezember 2018

Beach Ocean Fires Horses


It’s nearly Christmas. Like, in 3 days. I am sitting on my sand-coloured bed, with open messy sun-bleached beach curls, a striped loose tank top and beige shorts, and quite tanned and toned arms and legs. It’s a windy day, and my sand-coloured curtains are moving in the breeze that comes in through the open window. I can hear the ocean, the light clear bells of the wind chimes in front of my window and the birds in the palm tree next to the house. I can’t believe it’s going to be Christmas in, what, 3 days? 


I feel so humble, and deeply satisfied. Almost every day I find myself thinking how epic my life is. How amazing, and what an adventure, to be alive. What a privilege to discover all the joys of this life, all the pleasure and fun and wild sandy love. I am so deeply grateful for all the experiences I have made in the last 30 years. I can’t and won’t deny any more that traveling and working abroad, especially in Africa, is my huge passion. It’s the love of my life. Living all those different lives, in different places, meeting different people, it makes me feel so rich and so privileged. It makes me feel gorgeous in my skin, my role and my purpose. I really tried to put my feet down, I tried to “be normal”, live in a city, have a job and all that; it’s not me. I have smelled and tasted freedom, and I can’t live in captivity any more. I just can’t. I know you’re always being well fed and looked after as a captive animal, and you have someone grooming your fur and making you look all shiny and sassy and protect you from the weather, but the compromising is too tough. I need to run, feel the wind, sun, and dust; I don’t need people who tell me I need to settle down, earn money, take responsibility etc.! I don’t need fear in my life! I basically just want to be free from fear and pressure, and any person who inflicts one of the two (or both) on me is not good for me. I’m going to keep it that simple. I want to fly and float and just breathe joy and energy and this whole life, and I want to let go of that voice that tells me “You should”. Why? Things flow. Things are good, smooth and effortless. I went for an early little workout at the beach this morning, had a ride on the beach, a nice little sleep on the dunes, green lunch, playing with horses in the surf, and now I finished my Rooibos tea with Rice milk and will now go down to the beach again, or actually the lagoon, where friends are having a bonfire. I mean, what else could I wish for? 



….much later that night: The bonfire was fantastic. Having interesting conversations around a huge burning pile of driftwood, sitting in the sand, sipping wine, ach man I love this lifestyle! I don’t, really don’t want to leave Africa ever again. I can see why people prefer the civilized life in cities, in Europe, in places with more rules and “safety”, but I can’t trade my freedom for that any more. I could do without the ticks and the very humid days. But that’s it really.

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Kurzfassung - Kapstadt - Transkei

Mein Zimmer ist weiß gestrichen, über drei Meter hoch, Strohdach. Auf dem frischen weißen Laken ist bereits Gecko-Kacke – don’t sleep with your mouth open hey. Ich höre das Meer, die Grillen und die Frösche, und wenn ich die Türe öffne, funkelt mir der afrikanische Sternenhimmel entgegen. Es war ein heißer Tag, und ich habe ihn damit verbracht, von Kapstadt nach East London und von East London ins Haven Hotel zu reisen. Der Flug war kurz, nur anderthalb Stunden; die Fahrt dauerte ungefähr fünf, und wir hatten den Buckie (südafrikanischer Ausdruck für Auto mit Ladefläche) so voll geladen, dass wir uns zu dritt ins Fahrerhaus quetschen mussten. Ich als schmalste in der Mitte, auf der Handbremse sitzend und die Gangschaltung zwischen den Beinen, sodass Glynn die ersten zwei Stunden nur den ersten, dritten und fünften Gang benutzen konnte (und durfte!); bis ich auf die Idee komme, dass ich ja auch schalten könnte. Es klappt erstaunlich gut, selbst ohne Worte, und auf den letzten anderthalb Stunden Transkei-Dirtroad ist es im Grunde recht spaßig. Wir team-worken uns durch diverse Schlaglöcher und Haarnadelkurven, während im Radio Weihnachtslieder laufen und die Sonne auf die Windscheibe knallt. Die sanften, hellgrünen Hügel der Transkei rollen nur so vor sich hin, und die Straße ist voller Kühe, Pferde, Hunde, Schweine, Gänse und Ziegen – viele davon, insbesondere die Pferde, sehen katastrophal aus. Nur die platten unter den Tieren (viele Hunde) sehen noch katastrophaler aus, und ich frage mich, wie man es auf dieser holprigen Straße, die einen zwingt, sehr langsam zu fahren, schaffen kann, einen Hund totzufahren – die Antwort folgt prompt. Viele der Hunde sind Streuner, und sie machen sich einen Spaß daraus, kläffend dem Auto nachzujagen und zu versuchen, in die Vorderreifen zu beißen. Wir überfahren auch beinahe einen, der einfach vors Auto rennt – von hinten, kläffend.


Kapstadt war wieder einmal eine kurze, aber intensive Affäre; eines Tages werde ich es schaffen, länger als eine Woche zu bleiben und mehr Touristenzeugs zu machen. Immerhin habe ich Sachen wie Table Mountain, Waterfront, Seapoint Promenade, Stellenbosch, Caledon Spa, Coastal Route und Boulders Beach „abgehakt“ und ein fantastisches Cape-Town-maßgeschneidertes Comedy-Musical genossen, das die unterschiedlichen Ethnicities Kapstadts herrlich auf die Schippe nimmt. Cape Malay people, Afrikaans people und Xhosa people. So viel habe ich jetzt gelernt. Ich wurde wunderbar und liebevollst von Wisaal und ihrer Familie gehostet, die sich vermutlich ein Bein für mich ausgerissen hätten, wenn ich darum gebeten hätte. Nach dem vielen Reisen tut es so gut, mal wieder das Gefühl von Familie zu spüren, wenn auch nur für eine Woche ;) So verwöhnt und geliebt zu werden.... 
Die Mädels in Hermanus
having fun with the girls :)

Veganes Mittagessen im "Plant" in Kapstadt - delish!!!
Ich kann gar nicht sagen, was das Highlight war, aber Schwimmen mit Pinguinen in einer kristallklaren türkisblauen Lagune ist auf jeden Fall hoch im Ranking! Ich hatte die kleine Nichte und den Neffen von Wisaal mit dabei, weil Wisaal sich erst nicht traut, auf die andere Seite zur Lagune zu schwimmen, wo die Pinguine sind – zum Glück ist das Wasser sehr, sehr salzig, sodass es mir keine Probleme bereitet, die beiden Kiddies „abzuschleppen“, wann immer sie auf dem laaangen Weg vom Strand Richtung Lagune müde werden. Ein richtiges kleines Abenteuer, und die riesigen Felsbrocken inmitten von superklarem Wasser machen echtes Paradiesfeeling. Ich wollte eigentlich Fotos machen, aber wie es so ist, just in diesem Moment ist der Akku leer. C’est la vie.
On the road to Caledon

Playing like a child in cristal clean lagoons (with Kelp.)
Jetzt bin ich schon eine Woche im Haven, Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Jetzt Richtung Weihnachten werden „wir“ super busy, Familien mit Kindern verbringen die Festtage hier, und ich bin ganz alleine für das Reitprogramm und die Pferde verantwortlich, was mir sehr viel Spaß macht. Ich liebe es, selbstständig zu sein und Dinge ordentlich und so zu erledigen, wie ich es für richtig halte, und keiner funkt mir groß dazwischen. Im Haven leben fünf Pferde, eins davon hat sich letztes Jahr das Vorderfußwurzelgelenk zertrümmert und hinkt (nach anfänglichen Bedenken) fröhlich vor sich hin, ist aber natürlich nicht mehr reitbar. Drei von ihnen sind „alte Hasen“, die so wahnsinnig vertrauenswürdig sind, dass ich Kinder, die zum dritten Mal reiten, auf sie setzen kann und durchs Gelände bummeln lasse. (Natürlich am Strick, der dient aber mehr meiner inneren Gelassenheit und der Sicherheit nach Protokoll als dass er tatsächlich notwendig wäre.) Das letzte Pferd ist relativ neu und nur geliehen, ein schwarzer, sehr nach Muli aussehender Wallach namens „Mambo“, der wie viele Pferde in den Händen von Schwarzen schon einiges durchgemacht hat und mir definitiv am meisten Arbeit macht; ich muss sein Vertrauen und seinen Respekt gewinnen, gleichzeitig mit viel Stretching seine Rückenschmerzen lindern, die er aus seiner (*insertyourfavouriteswearword*) Vergangenheit mitgebracht hat, üben, dass er alle Hufe gibt ohne zu treten (und er tritt sehr, sehr gezielt), ihm beibringen dass man sich mit Reiter am Strand einfach mal nicht wälzt (schon gar nicht mit Gästen!), und hoffen, dass ein Funke Leben in seine abgestumpften schicksalsergebenen Augen zurückkehrt. 

Life is good by the beach.
Ich kann kaum glauben, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist. Ein bisschen verrückt ist es immer noch, auch wenn ich es mittlerweile mehr gewöhnt bin; die glitzernde Weihnachtsdeko mit Christbaumkugeln und Schnee und allsowas, während wir bei schönstem Sommerwetter am Strand chillen, Ponys reiten, und im Ozean schwimmen.

Ich bin vor einigen Wochen Tante geworden, meine kleine (!) Schwester hat eine Tochter zur Welt gebracht, und ich eiere noch immer in der Weltgeschichte herum… und plane nicht, in absehbarer Zeit damit aufzuhören. Ich bin froh, dass eine von uns den vernünftigen Weg geht und ein Haus kauft, einen festen Job hat, heiratet, Kinder kriegt und all das. Ich wünschte, ich wäre auch so, das würde vieles einfacher machen; aber so bin ich eben nicht. Afrika ist meine Droge. Sie macht mich so high, dass ich dazu tendiere zu denken „Egal was danach ist, jetzt im Moment ist es einfach so, so genial.“ Ich will nicht mal daran denken, wie es wäre, jetzt in Deutschland zu sein – Aerobic im Studio zu machen anstatt in den wilden Wellen des Ozeans (ja, eine meiner kleinen heimlichen Fünf-Uhr-morgens-Freuden), im Grau-in-Grau-Tierpark joggen statt durch einen semitropischen Wald und am Strand entlang, und wegen des deutschen Winterwetters den ganzen Tag nur den Drang zu essen und zu schlafen zu verspüren statt die warme, spritzige Energie von Sonne und Meer.....


…...die ich euch hiermit nach Deutschland sende, vielleicht könnt ihr ja einen Hauch davon spüren. Es ist zu herrlich :) 

Sonntag, 28. Oktober 2018

Echter Vlog!

Weil mich schon Beschwerden erreichen, wo denn der neue Blogpost bleibt und ich gerade ein wenig schreibfaul bin, gibt's heute mal ein Update in Videoformat. Enjoy :)



Mittwoch, 3. Oktober 2018

Life Life Balance


Ich bin so froh, hier zu sein. Es geht so schnell, dass ich mich in Afrika zu Hause fühle, und dann habe ich das Gefühl, alles ist „normal“ und es gibt gar keinen Grund mehr zu bloggen.

Trotzdem gibt es natürlich tausend Gründe glücklich zu sein, und die Dinge wertzuschätzen, die ich „einfach so“ jeden Tag habe: Freiheit, Sonne, Wildnis, sauberes Wasser, Full Service, gute Gesellschaft, Sterne. Meine bereits heißgeliebte Morgenroutine sieht so aus, dass ich mit der Sonne aufwache, aufstehe, Wasser und einen Tee oder manchmal Kaffee trinke (Kenya hat phantastischen Kaffee!!! Und ich nutze ihn als Genussmittel, und nicht täglich, nur um sicherzugehen dass sich keine "alten Muster" einschleichen.) 
Dann streife ich raus in die "Wildnis". Ich bin oft ein, zwei Stunden unterwegs – es gibt ja kein Zeitlimit – und erkunde die Umgebung, finde Pfade, lese Spuren (wir haben Leoparden und Hyänen!), zerkratze mir die Beine, verlaufe mich, falle, schürfe mir die Knie auf, pflücke Blumen, scheuche Dikdiks, Paviane und Hadedas auf, schwitze, fluche, juble, klettere, krieche… und so weiter, jedenfalls ist es toll, und wild, und anstrengend. 

Wenn ich zurückgefunden und noch Kraft habe, mache ich manchmal noch ein paar Kräftigungsübungen, um nicht vollkommen auseinanderzufallen ;) – dann schnappe ich mir ein Handtuch, tappere hinüber zum Quellsee und schwimme mich ein bisschen locker. Auch auf den jeweils frischen Kratzern tut das Wasser immer gut, und es schwemmt all die klitzekleinen Blättchen, Zweigchen, Dornen und Staub von der Haut und aus der Kleidung (die Kleider sind eh meistens klatschnass, deshalb schwimme ich oft einfach so wie ich bin). Der Quellsee ist wunderschön, das Wasser blau-glitzernd und voller Fische, unter anderem auch diese kleinen, die es in Fisch-Spas gibt. Man muss nur die Füße ins Wasser baumeln lassen und sofort fangen sie an an einem herumzuknabbern. Soll ja gut sein, sonst gäbe es keine Fisch-Spas. Ich stehe aber nicht so auf Fischgeknabber und schwimme lieber etwas, dann lege ich mich meistens auf den Rücken und lasse mich ein bisschen treiben. Ich liebe es. Über mir der blaue Himmel, die herrlichen Urwaldbäume und oft genug Sykes oder Colobus Monkeys, die von Ast zu Ast springen, oder Bee-Eater (Vögel), die von den Ästen der Bäume aufs Wasser herunterdarten und Insekten fangen, die über der Wasseroberfläche fliegen. Dazu tausend Libellen, Schmetterlinge, und gelegentlich sogar der seltene Besuch einer Schlange.
neulich im Garten: Rudi, the boomslang*
*Boomslang, in Afrikaans: "Baumschlange", ist eine für Afrika sehr typische, scheue Schlangenart, die keine Lust hat Menschen zu beißen, wenn es sich vermeiden lässt. (Ich liebe Schlangen! Finde sie extrem faszinierend!) Sie legt Eier, ist tagaktiv, hat ihre Fangzähne nicht wie die meisten Schlangen vorn im Mund, sondern hinten im Rachen, und kann deshalb ihren Mund extrem weit öffnen (ich glaube 160-170° oder so!). Baumschlangengift wirkt hämolytisch, d.h. es stoppt nach und nach die Blutgerinnung, sodass man anfängt aus der Bissstelle, Wunden und Schleimhäuten (Nase, Augen, etc.) zu bluten, bis auch die inneren Organe anfangen zu bluten und die Niere vergiftet bzw. man innerlich verblutet. Das Gute ist, dass man vergleichsweise viel Zeit hat (24-48 Std.). 



Nach dem Schwimmen stretche ich mich in der Sonne, trockne ein bisschen, bis die klatschnassen Kleider nicht mehr tropfen, und mache mich dann auf zum Frühstück (in der Sonne, draußen! Natürlich!). Ananas, Bananen, Papayas, Avocados, all diese Früchte sind auf den lokalen Märkten für wenig Geld zu bekommen (umgerechnet rund 10 bis 30 Cent pro Stück, und das sind Mzungu-Preise, die machen sie nur, weil wir weiß sind – für Schwarze ist es günstiger). 
Avocado-Party für umgerechnet weniger als einen Euro - oh Gott, ich liiiiebe es!
Ich gewöhne mich langsam daran, überall wo ich hingehe eine "Attraktion" zu sein. Auf dem Markt in Maimahiu sind Lizzy und ich für gewöhnlich die einzigen Weißen, und alle wollen was von einem, alle rufen einem zu etc. – man gewöhnt sich an, einfach arrogant-ignorant miteinander quatschend durch die Menge zu laufen, als würde man gar nichts mitbekommen. 

Genauso wenn ich bei meinen morgendlichen Streifzügen auf ein Massai-Dorf treffe oder auf Menschen (was ich versuche zu vermeiden) – vor allem Kinder können es kaum fassen, aber auch Erwachsene starren, als hätten sie noch nie einen Weißen gesehen (haben sie vielleicht auch nicht). Für sie ist es unendlich komisch, dass eine (weiße) Frau so viel läuft. Ich genieße es nicht, so im Fokus zu stehen, vor allem nicht wenn ich schwitze und schmutzig bin und zerkratzt, aber ich versuche auch mich nicht deswegen einzuschränken. Anfangs habe ich das gemacht und dafür große Umwege hingelegt; einmal bin ich sogar vom Weg heruntergehechtet, weil zwei Motorräder sich näherten – ich springe hinter den nächsten Busch und voll in einen Pavian, der sich offenbar hinter demselben Busch aufhielt (how should I know?). Wir bekamen beide den Schreck unseres Lebens; er bellte mich erschrocken an, und ich konnte sein Fell an meinem Arm spüren, ehe er laut schimpfend durchs Gestrüpp davonpreschte.

Die Mittage und Nachmittage gestalten sich je nach Anlass – ich gehe oft nachmittags nochmal spazieren, weil das Licht so toll ist, wenn die Sonne sich senkt. Wir haben eine Kamerafalle, mit der ich gerne spiele – letzte Woche ist uns ein Leopard „in die Falle gegangen“, der offensichtlich eine Wildererschlinge um die Brust trägt… was ziemlich traurig ist. Wir überlegen, ihn zu fangen und zu versorgen.

Auf diesem Schnappschuss kann man deutlich sehen, wie der Thorax des Leoparden durch eine Wildererfalle eingeschnürt wird. 
Manchmal helfe ich Lizzy mit Zeug, was auf der Farm anfällt, zu früh geborene Babyziegen füttern zum Beispiel (das hört sich so rosig an, war aber traurig, das Kleine ist nach wenigen Tagen gestorben); leckeres veganes Essen aus lokalem Obst, Salat und Gemüse kreieren (Schokoladen-Mousse aus Avocados mit Ananas – aaaaaaah, ich könnte für immer und ewig davon leben!), Essen, Heu, Katzenfutter etc. kaufen, Katzen füttern und beschmusen, Kenya Wildlife Service Mitarbeiter hosten, (die uns helfen sollen den Leoparden zu fangen) und so weiter. Wenn es "nichts zu tun" gibt, arbeite ich an meinem Laptop… ich finde, ich habe eine fantastische „work life balance“ hier ;)

...und das aus der Party resultierende Avocado-Mousse mit Rohkakao, Kokosmilch, Cashews und frischer lokaler Ananas. Hätte mich reinlegen können!
Einfach nur hier sein, mit der benachbarten Massai-Community interagieren, in die umliegenden Dörfer „shoppen“ gehen, Sonne tanken, Sterne zählen, ausreichend schlafen, essen, bewegen, jeden Tag eine angemessene Portion Natur abbekommen, Blumen pflanzen, an einem tollen Projekt arbeiten – ganz ehrlich, mehr brauche ich nicht zur Zeit. Das ist genau das, was mir gut tut und was mir in Berlin gefehlt hat – schlichtes, unspektakuläres, unverkleidetes Leben, das in seiner Einfachheit eine so gigantische Fülle mit sich bringt, dass ich mich jeden Tag extrem reich und privilegiert fühle.

Donnerstag, 27. September 2018

Uganda III - Hakuna Matata


Ich sitze am Lagerfeuer, über mir in den Bäumen toben die Weavers**, die hier massenweise Nester haben. Ich fühle mich frisch und friedlich und wunderbar; ich hatte eine Dusche mit meiner Lieblings-afrikanischen Musik, die ich in Berlin nie anhören konnte, weil ich sofort weinen musste. Jetzt fühlt sie sich einfach nur in Mark und Bein wundervoll an und verwurzelt das erdverbundene, kraftvolle Gefühl in mir, das langsam wieder auflebt. Das Gefühl, privilegiert und stark und wundervoll und schön und all das zu sein; ich betone, Gefühl, nicht Gedanke. Wenn mich jemand bitten würde, das zu erklären oder zu begründen – ich weiß nicht, ob ich das könnte. Die weiche Abendbrise krault mir mein vollkommen ungebändigtes Lockenhaar, das ich zu einem chaotischen Dutt hochgesteckt habe (überall „Babyhaare“ um meine Schläfen, oh Gott, vollkommen stadtuntauglich!), die Zikaden* machen wieder ihren Höllenlärm, und ein smart aussehender schwarzer Kellner ist soeben zu mir ans Feuer gekommen, um zu fragen, wie es mir geht und ob er mir einen Drink bringen kann. Soeben ist mir das zweite unbekannte Insekt in meinen Ausschnitt geflogen; ah, wie ich das Gefühl vermisst habe, „irgendetwas Zerquetschtes“ aus meinem Bra zu fischen. 

*Zikaden sind an sich kleine, unscheinbare Insekten, deren Männchen an der Bauchseite ein Organ haben, das – aus bisher unerklärlichen Gründen – ein Geräusch erzeugen kann, das dem eines elektrischen Rasierapparats gleicht und Lautstärken bis zu 120 Dezibel erreicht. 120 Dezibel sind nahe an der Schmerzgrenze des menschlichen Ohres! Um ihr eigenes Gehör zu schützen, haben sie eine Art Membran, die bei Aktivierung des „Gesanges“ dafür sorgt, dass ihr Gehörgang verschlossen wird. Sie singen einerseits, um Weibchen anzuziehen, andererseits tun sie sich in Scharen zusammen, um Vögel abzuwehren! Kein Vogel riskiert sein Gehör, nur um eine Zikade zu fressen… es gibt unterschiedliche Zikadenarten, und alle singen auf einer anderen Frequenz, manche davon (God bless them) sind für Menschen gar nicht hörbar, bringen aber mit ihrem Krach zum Beispiel Hunde dazu, vor Schmerz zu jaulen. Ziemlich spannend, dafür, dass sie so klein sind.


**Über Weaver (Webervögel) gibt es so vieles zu erzählen; es gibt zahlreiche Unterarten; berühmt sind sie allerdings generell für ihre gewebten Nester (hence der Name 😉 ), die bei einigen Weberarten wie dieser hier wie kleine runde Bommel aus Zweigen und „Zeugs“ zahlreich an Bäumen hängen. Die Männchen müssen den Nestbau erst erlernen, deshalb sieht man oft viele „falsche“ Nester an einem Baum hängen, die keiner will; je mehr „richtige“ Nester er allerdings macht, desto bessere Chancen hat er, dass ein Weibchen sich sein Nest aussucht und dort einzieht. Die Dame wählt also, wie es sich gehört. Er darf dann rein und sie befruchten… wenn er richtig gut ist und viel Zeit hat, kann es sogar passieren, dass er mehrere Weibchen in mehreren Nestern zu „betreuen“ hat.

***

Heute haben wir die Hakuna Matata Schule auf dem Gelände besucht. Ich werde langsam besser im Schulen-Besuchen, aber es ist trotzdem seltsam, das so zu erleben, mich so intensiv als „Weiße“ zu erfahren, ohne irgendetwas dafür zu tun. 
Nur weil ich weiß bin, erwarten vierzig kleine schwarze Kinder Geschenke von mir. Nur weil ich weiß bin, wird ein Lied für mich gesungen „Welcome Visitor, our school is hakuna matata, our motto is ,time wasted will never be regained‘, we are advanced class, den Rest verstehe ich leider nicht.“ Nur weil ich weiß bin, werde ich immer wieder von kleinen sehr süßen Kindern heimlich angefasst – was denken sie, dass ich das nicht merke? – vielleicht um zu testen, ob die Haut/Farbe echt ist, ich weiß es nicht? Nur weil ich weiß bin, wollen ALLE Kinder mir High Five/High Fist geben, und einige können gar nicht genug davon bekommen, und ich bin umringt von einer Schar schwarzer Kids in grellorange-neongelben Uniformen, grinsend mit leuchtend weißen Zähnen, fröhlich giggelnd und lachend, und ich kann auch nicht aufhören zu grinsen, es ist einfach zu süß und zu schön.


High Five die 124ste...
Bin ich deswegen rassistisch? Weil ich schwarze Kinder süß finde? Weil ich als Weiße eine schwarze Schule besuche und mich an der Reaktion erfreue? Bin ich rassistisch, weil ich weiß bin? Manchmal finde ich es sehr befreiend, wie Sean, Lizzys Freund, über diese Dinge redet. Er macht aus dem ganzen Thema einfach einen fetten Klumpen schwarzen Humor – schwarzen Humor? Weißen Humor? – und bringt mich damit oft zum Lachen. Nein, es war ein tolles Erlebnis, und ich habe gegrinst wie ein Honigkuchenpferd und es total genossen und heimlich Tränchen verdrückt, als die Kids ihre Schulhymne vorsangen… für uns vier weiße Besucher (Karlene, ich, der Direktor vom Zoo Melbourne und ein weiterer wichtiger Herr von Zoo Victoria / Rhino Fund, die der Schule dieses Jahr Whiteboards gespendet haben und jetzt fleißig Fotos für die Sponsoren machen). 

Karlene bringt den Kids bei, wie Seifenblasen funktionieren :)
Danach wasche ich übergründlich meine Hände… ist das rassistisch? ;) Quatsch. Spätestens nach einer Lebensmittelvergiftung und der Einsicht, dass man Hygiene in Afrika noch ernster nehmen muss, als ich es bisher getan habe (und das war nicht unernst), weiß ich, dass mein Körper an viele Bakterien, die hier ganz normal sind, doch (noch) nicht gewöhnt ist ;)

Speaking of Gewöhnung etc.: Ich bin jetzt voll auf Doxycycline, ein mildes Antimalaria-Antibiotikum. Mich haben schon zahlreiche Moskitos und Tsetse-Fliegen gestochen, dass ich letztlich doch froh bin, mich für Malariaprophylaxe entschieden zu haben. Obwohl ich so viele Horrorgeschichten gehört und erlebt habe von Gästen, die Malariatabletten nahmen, scheint mein Körper das Zeug gut zu verkraften. Klar, mir ist bewusst, dass ich meine Darmflora damit angreife und meiner Leber zu schaffen mache, und Lizzy sagt „this fucks up your skin“, aber dies ist nun mal ein High Risk Malariagebiet; Karlene hat mir erzählt, dass ihre letzte Praktikantin ihre Tabletten nur ein paarmal vergaß und bumms-Malaria! – insofern, besser isses. Nur damit man auch mal was Positives dazu liest und nicht immer nur die Negativberichte.

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Eine Woche geht unfassbar schnell vorüber, und schneller als erwartet und erhofft muss ich mich von Chris und Karlene wieder verabschieden. Sie haben mir eine wirklich tolle Woche bereitet und ganz davon zu schweigen, dass ich ihnen dankbar bin, habe ich das Gefühl, einem Teil Familie Auf Wiedersehen zu sagen... Obwohl wir alle nicht so recht wissen, was aus uns wird, sind wir uns sicher, dass wir uns wiedersehen werden... immerhin haben wir ein Talent, uns in Afrika zusammenzufinden - sei es im südlichsten, wildesten Namibia, im Busch Kwa-Zulu-Natals oder in Uganda ! 

Uganda II - Rhinos and stuff

Meine Zeit in der Lodge bzw. auf dem Gelände von Rhino Fund Uganda ist toll. Das Wetter wechselt zwischen heißer Sonne, Regenschauern und hoher Luftfeuchtigkeit, sodass man am Ende des Tages das Ergebnis von immer wieder kleben/schwitzen und trocknen deutlich riecht – und ich liebe es! Es ist zu gut. Fast wie eine kleine Rebellion gegen das Stadtleben, eine Rebellion gegen glattrasierte Haut, gestriegeltes Haar, hochmoderne nach Weichspüler duftende der Figur schmeichelnde Mode der aktuellen Saison, die nicesten Markenschuhe im „Labelmania“-Style, perfekt mani- und pedikürte Hände und Füße, spritzige die Persönlichkeit unterstreichende Accessoires, veganes Zitronen-Duschgel, Aloe-Vera-Bodylotion und alkoholfreies Frischedeo mit Mandarine-Vanille-Duft. Blabla. Und man kommt sich so authentisch, so schön vor, je mehr man sich zurechtmacht und sich „ausdrückt“. Ja, alles okay, alles gut – ich mag grade einfach nur so sein, wie ich bin, wie ich aussehe, rieche und mich fühle nach einem Tag im Busch, es ist so befreiend und roh und stark. Ja, ich dusche – mit rötlich angelaufener Seife unter einem kalten, dünnen Wasserstrahl. Ich glaube, das letzte Mal habe ich meinen Körper mit Seife geschrubbt, als meine Oma mich als kleines Kind gewaschen hat, kein Witz.


typische Szene auf dem Gelände: Buschbock und Warzenschweine friedlich am Grasen...
Wir fahren durch den Busch, im Auto und auf dem Motorrad (ohne Helm, zum ersten Mal in meinem Leben, was für ein Spaß!), sehen Buschböcke, Wasserböcke, riesige Warzenschweine (so große habe ich noch nie gesehen), Kühe und eine Menge spannender Vögel. Viele African Whoopoes sind hier, sehr hübsche kleine Vögel mit einem tollen Ruf, und Massen von Masked Weavern, die gelb in den Büschen leuchten. Anscheinend gibt es hier Rhinos und Shoebills, die beiden Hauptattraktionen, doch beide sehen wir nicht; richtig so, man sollte niemals die To-See-Liste eines Touris am ersten Tag komplett abhaken, selbst wenn man könnte. Das Essen auf der Lodge ist delikat, die Küche sehr professionell, die Köche und Kellner smart und freundlich. Trotzdem ist es wieder dasselbe Bild – wir Weiße sitzen am Tisch, fröhlich speisend, führen gebildete Gespräche und lassen uns von schwarzen Kellnern und Köchen bedienen. Ob man sich wohl jemals daran gewöhnt? Zur Verteidigung des Systems muss ich aber sagen, dass an vielen Tischen der Lodge zum Mittagessen auch schwarze Gäste sitzen, eigentlich sogar fast ausschließlich, während die hart arbeitende Gruppe Volontäre aus weißen Kids (18, 19 Jahre alt) besteht. Nach wie vor bin ich nur bedingt happy mit der Entwicklung des „Volontärtourismus“, aber das muss jeder Schulabgänger/gap year student für sich selbst entscheiden. Diese Kids (bzw. deren reiche Eltern) zahlen ein Höllengeld dafür, um den halben Tag Unkraut auszurupfen, den anderen halben Tag Pfosten festzuhämmern und dafür noch von diversen Sklaventreibern beschimpft zu werden, wenn sie (in den Augen der Manager/Besitzer/…) nicht hart genug arbeiten. But what do I know; none of my business; everyone must know for themselves. 


eines der (zur Zeit) 3 Baby-Nashörner in Uganda 
Ich erfreue mich am Fahren von Geländewagen über afrikanische Holperpfade, das habe ich zu lange nicht mehr gemacht; am Rhino-Sighting zu Fuß, das habe ich tatsächlich noch nie gemacht (nur auf Rädern…); an geführten Walks durch den Sumpf, bei denen ich auch den äußerst seltenen Schuhschnabel (Shoebill) zu sehen bekomme, für dessen Sichtung Touristen aus aller Welt anreisen; an der typischen Lodge-Atmosphäre mit Full Service, betüddelt werden, dunklen Mahagonitischen und viel Holz und Kerzenlicht; an dem ausgezeichneten dunklen südafrikanischen Wein (!) in Kombination mit Sternegucken und plätscherndem Pool; kurz gesagt, an dem reichen, genussvollen, privilegierten Leben von Mzungus (=Weißen. Hier gibt es sogar T-Shirts zu kaufen, auf denen steht „My name is not Mzungu“. Ich weiß nicht, ob ich das nicht ein wenig zu provokant finde, reicht doch, wenn ich das für mich weiß. Mein Name ist weder Mzungu noch Hello.)
Der berühmt-berüchtigte Schuhschnabel!

Rhino-Tracking zu Fuß 
Good life is back…

Uganda I - arrival

Ich sitze wieder am Flughafen, diesmal auf dem Weg nach Uganda. Ryanair hat soeben eine Stunde Verspätung angemeldet, und man kann niemals sicher sein, dass deren Definition von einer Stunde meiner entspricht.

Ich habe alle Brücken verbrannt. Es fühlt sich verrückt an, ich habe Schiss, und ich weiß gleichzeitig, dass es richtig ist. Im Lateinunterricht haben wir mal eine (wahre) Geschichte eines Krieges übersetzt, wo die feindliche Armee über den Wasserweg angriff und versuchte, das Land zu erobern. Der Armeeführer vor Ort beschloss, alle Schiffe der Feinde zu verbrennen, damit sie nicht fliehen könnten, wenn sie besiegt wurden. Vermutlich tat er ihnen damit einen Gefallen, denn sie kämpften so entschlossen, dass sie schließlich die ansässige Armee besiegten und das Land eroberten. Schiffe für die Flucht brauchten sie nicht mehr…

Ich weiß, was ich will. Und das tut gut. Das heißt nicht, dass alles, was ich in Berlin zurücklasse, schlecht ist. Vieles davon war wunderbar, vor allem viele Menschen, die ich dort kennenlernen durfte. Ich vertraue darauf, dass – wie immer – die wahren Freunde in Kontakt bleiben. You can not lose what is truly yours.

Ich will gar nicht so sehr darüber nachdenken, was ich alles vermissen werde. Jetzt bin ich hier. Habe ein Ziel. Habe Freiraum, bin sicher. Bin in Afrika, wo mein Herz sich gerade endlich wieder heiler und ganzer anfühlt. Habe die Chance und die Zeit und die Sicherheit, nachhaltig etwas für mich aufzubauen. Finanzielle Sicherheit zu schaffen, die ich dringend brauche. Und gleichzeitig dort zu sein, wo ich sein will. Einziges Manko: Ich muss auf die physische Anwesenheit vieler liebgewonnener Menschen verzichten.

Wie kann ich die letzten beiden Wochen zusammenfassen?

Eine Farm in Kenya hilft definitiv dabei, die Füße auf die Erde zurückzubekommen. Ich habe geholfen, einen Kater zu kastrieren (konnte aber beim blutigen Teil nicht hinsehen), acht kleine (männliche) Babyziegen, wir haben eine zu früh geborene Ziege mit der Flasche gefüttert, weil ihre Mama sie nicht unterstützt, und Lizzy hat eine todkranke Ziege ertränkt und verbrannt. (!) („Ich hätte ihm auch die Kehle durchschneiden können, aber mir war nicht nach Blut.“) Ich bewundere sie noch immer für diese Roughness, komme mir vor wie eine europäische Prinzessin auf der Erbse neben ihr. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, ein Tier töten. Sie tut es dauernd, aber immer nur, wenn es notwendig ist; und sie ist Vegetarierin. Ich liebe und bewundere sie sehr, meine kleine starke Schwester. :)

Ich bin allmählich wieder angekommen; ich trage lange Hosen und meine Jeansjacke bei 25°C; meine Schultern und mein Nacken schälen sich, meine Beine sind voller Kratzer und Wunden; ich gewöhne mich langsam wieder daran, die einzige Weiße unter Schwarzen zu sein; mein Körper, mein Essverhalten, alles fühlt sich balancierter und schöner an; und ich fühle mich rauer, stärker, als könnte ich plötzlich mit viel weniger auskommen, als wären so viele Dinge, die vor drei Wochen noch wichtig waren, plötzlich vollkommen insignifikant. Ich bin wieder mehr Leopard und weniger Golden Retriever. 


Erwähnenswerte Momente der letzten Woche?

Massai-Dorf – Lizzy hat mich einmal mitgenommen, um eine ihrer Kinderarbeiterinnen (Stella) in der Schule anzumelden. (Auf der Farm gibt es Kinder, die Ziegen hüten müssen, um ihre Geschwister zu ernähren, statt zur Schule zu gehen. Dadurch wird ihnen natürlich die Zukunft verbaut bzw. die Möglichkeit, jemals einen gut bezahlten Job zu bekommen, aber sie kommen aus diesem Teufelskreis nicht raus; Schule ist zu teuer, aber Lizzy hat es sich zur Mission gemacht, alle Arbeiter unter 18 zur Schule zu senden). Weil ich gerade von meinem Morgensport kam und kurze Hosen anhatte, wollte ich nicht mit hineingehen und wartete im Auto. Während Lizzy mit Stella also ins Büro der Schulleiterin marschiert, sitze ich auf dem Beifahrersitz … als plötzlich zwei ganze Schulklassen von schwarzen Kids angelaufen kommen und sich neugierig direkt vor meiner Autotür versammeln! Sie stehen einfach da und starren mich alle an – ich komme mir stark vor wie ein Zootier – was für eine seltsame Situation :D Als ich beschließe, nicht nur zu lächeln, sondern „Hi“ zu sagen und zu winken, kreischen manche, lachen, und dann rennen sie in alle Richtungen davon. Man kennt diese Szene aus Filmen, von Fotos und Dokumentationen, aber es selbst zu erleben, ist – verrückt :D

Nur weil ich weiß bin, bin ich eine Kuriosität. Nur weil ich weiß bin, habe ich eine Putzfrau und eine Köchin. Nur weil ich weiß bin, könnte ich jedem Schwarzen beinahe problemlos sagen, was er oder sie tun soll. Nur weil ich weiß bin, geht automatisch jeder davon aus, dass ich reich bin und gebildet. Dass ich Geld ausgeben kann. Dass ich weiß, wie man mit Krankheiten umgeht – Menschen zeigen mir ihre geschwollenen Füße, eiternden Exzesse und geheimnisvollen Hautwüchse und erwarten, dass ich weiß, was zu tun ist. Ich habe bisher nicht viele Weiße in Kenya gesehen, nur am Flughafen, an Touristenspots und in typischen „white restaurants“, wo wir ein-, zweimal waren. Es ist ein extremer Sprung von einer Welt in eine andere. 

Die Affen machen mir auch Spaß. Es sind nur die kleinen Sykes Monkeys, die ums Haus herum leben; sie sind viel weniger aggressiv als Paviane (eigentlich überhaupt nicht aggressiv, sondern ängstlich, aber frech). Wenn man ein Fenster offen lässt (selbst kleine Öffnungen, von denen man nicht unbedingt erwartet, dass ein Affe durchpasst), sind sie im Haus. Und dann gibt es Chaos. Sie haben meine Zahnbürste angenagt und mit nach draußen genommen, meine Seife gefressen und die Aloe-Vera-Pads von meinem Rasierer (wie auch immer!). Als ich eines Tages im Garten meine Wäsche aufhänge (müsste ich eigentlich nicht, ich habe ja eine „Putzfrau“, aber ich will nicht dass sie das macht…), sehe ich, wie zwei Äffchen in mein Fenster einsteigen! Diese Kobolde!!! Ich husche ihnen nach, steige durchs Fenster in mein Zimmer und schließe es – sie sind bereits im Badezimmer, wo es (zur Zeit) kein Entkommen gibt….




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Übrigens, willkommen in Afrika – eine dicke Lebensmittelvergiftung schließt in meiner zweiten Woche ihre Klauen um mich und beschert mir zwei anstrengende Nächte und einen anstrengenden Tag. Ich hatte fast vergessen, wie sich das anfühlt. Da ich am kommenden Tag nach Uganda fliege, beschließe ich, mein Verdauungssystem einfach komplett leer zu halten, bis ich angekommen bin. Ich hatte in Botswana schon mal einen langen Transfer mit einer Lebensmittelvergiftung, das war ziemlich beschissen – es macht keinen Spaß, in der langen, stickigen Schlange vor dem Einwanderungsschalter gefangen zu sein und schwindelig, schwitzend, zitternd eigentlich nur auf der Toilette sein zu wollen… meine neue Strategie scheint besser zu sein. Ich fühle mich nach zwei Tagen Fasten zwar etwas schwindelig, aber es ist nur der wohlvertraute Schwindel von Unterzuckerung; mein Magen grummelt, aber das ist das süße, geduldige Gefühl von Hunger, nicht die Androhung eines Vulkanausbruchs. Ich habe keine Energie, aber ich kann friedlich am Terminal sitzen, ohne verzweifelt nach Toilettenschildern suchen zu müssen. 

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….Stunden bzw. Tage später: Ich bin in Uganda! Ich bin froh, dass ich heil und voll neuer Energie hier angekommen bin; fast, als wäre die Lebensmittelvergiftung notwendig gewesen, um irgendetwas aus meinem System zu schwemmen, was da nicht hingehört; irgendetwas in mir hat sich verändert, und natürlich ist es auch der Ort, der so magisch, emotional und tiefgründig ist – all das zusammen hat mich irgendwie umgestülpt, zurückgestülpt, und ich habe fast das Gefühl sagen zu können: Ich bin wieder da. Ich weiß, dass ich noch mehr da sein kann, aber so viel Sand (in meinem aufgewirbelten Inneren) hat sich schon lange nicht mehr gelegt. Ich fühle mich innerlich frisch und klar, als wüsste ich plötzlich wieder mehr, wer ich bin; als hätte ich plötzlich wieder mehr Grund, mir zu vertrauen; und als ich einmal versehentlich in den bunt bemalten afrikanischen Spiegel im Badezimmer schaue, fällt mir die Kinnlade runter – ich kenne diese Frau, habe sie nur lange nicht mehr gesehen. Sie trägt beigefarbene kurze Shorts, ein cremefarbenes Buschhemd, ihr Haar ist wild und lockig und golden, ihre Beine zerkratzt und voller Schrammen und Narben, ihre Füße sind rot vom Barfußlaufen auf Afrikas rotem Sand, ihr Gesicht ist sonnengebräunt und ein bisschen älter und faltiger als zuvor (und das sage ich ganz wertfrei), und ihre Augen strahlen in ihrem merkwürdigen grün-blau-grau-unergründlichen Farbton, lebendig und klar und tief. Nichts an ihr macht den Eindruck, als müsste es irgendwie sein, als hätte sie versucht, es irgendetwas anzupassen; nichts an ihr ist leer, oder aufgesetzt, oder fühlt sich an als müsste ich es beurteilen oder bewerten; alles ist einfach da, alles ist wie es ist, und ich kann mein Spiegelbild genauso liebevoll betrachten wie eine Antilope im Gestrüpp, die genauso ist wie sie ist, und jedes Härchen, jede Schramme, jeder Muskel, jedes Fettdepot ist wunderschön und genau so, wie es sein soll.
Crested Crane, der Nationalvogel Ugandas
Mein Flug nach Uganda ist okay, und trotz des klitzekleinen Flugzeugs, das viel schneller in Luftlöchern absinkt und den Magen hin und wieder auf einen Wellenritt schickt, verkraftet mein komplett leergeschwemmter nüchterner Körper alles prima. Chris holt mich am Flughafen ab, es gibt extra offene Zelte, wo die Wartenden Schatten suchen und sitzen können. Wir warten noch auf einen weiteren Besucher, den Chris mitnehmen soll, und so habe ich Gelegenheit, das Arrivals-Treiben zu beobachten und in Ruhe anzukommen. Der zweite Besucher trifft letztendlich viel zu spät, ohne Gepäck, bei uns ein – South African Airways is going down… 

Chris wollte eigentlich nicht so spät losfahren, weil es gefährlich ist, im Dunkeln unterwegs zu sein, aber jetzt haben wir keine andere Wahl. Die Fahrt ist toll und gibt einen wunderbaren ersten Eindruck vom Land, alles ist so unfassbar bunt, und chaotisch, und detailliert; der Straßenverkehr ein einziges Chaos, man weiß manchmal nicht, wo die Märkte anfangen und die Straße aufhört, weil Autos, Menschen, Hühner, Markthändler, Mofafahrer, Ziegen, Kinder in einem schwer definierbaren bunten Knäuel durcheinanderwuseln. Auf den Mofas sowie auf den offenen Ladeflächen von oft sehr provisorisch zusammengeflickten motorisierten Fahrzeugen (ich weiß nicht, ob man sie „Autos“ nennen sollte) wird einfach alles transportiert – Menschen, Bananen, Ananas, Wurzeln, Hühner, Ziegen, Frauen, Kinder, Container, Werkzeug, Möbel,….


 Es ist so spannend einfach nur Details aufzunehmen, wie auf einem wirklich extrem kreativen Wimmelbild (falls das jemand noch kennt….). Kleine Momentaufnahmen sind herrlich – die Frau mit dem Baby auf den Rücken gebunden, die ein Feuer direkt neben der Straße macht (keine Ausnahme), auf dem sie undefinierbare Wurzeln grillt und direkt an Autofahrer verkauft, eine Ziege daneben, angebunden, die belästigt wird von einem freilaufenden Ziegenbock; zwei Mofafahrer, die ineinander gefahren sind und deren Maschinen sich verkeilt haben, rütteln an ihren Maschinen und versuchen sie auseinanderzuzerren – sie erinnern mich an Kuduböcke, deren spiralförmige Hörner sich im Hornkampf verkeilt haben; 

Fahrräder mit riesigen Portionen grüner Bananenstauden auf dem Gepäckträger, die sorgfältig gestapelt wurden, damit man sie ausbalancieren kann; ein klitzekleiner Transporter mit offener Ladefläche, auf der Kartons, Ananas, Kinder und ein Sarg hin und her schwanken; Kühe mit riesigen Hörnern, die entspannt zwischen den Fahrzeugen umhertrotten…. Es ist großartig! „You have to laugh, otherwise you‘ll cry” (quoting Chris) trifft es ganz gut. Das ist übrigens grundsätzlich für Afrika keine verkehrte Grundeinstellung.

Asante sana, smash banana, wewe nugu mimi hapana – herzlichen Dank, zermatsche Banane, du bist ein Affe und ich nicht. (Raffiki aus dem König der Löwen singt Suahili/Englisch – ich jetzt auch, fließend sogar. :P)


Hello Vervet Monkey! Hier in Uganda sind sie wieder mal überall...
Nicht bei Nacht zu fahren ist eine gute Empfehlung, wie wir feststellen, als Chris die letzte halbe Stunde im Dunkeln kämpft. Es gibt keine weißen Linien, keine Leitplanke, keine Reflektoren, nur Fahrzeuge, die dir mit Fernlicht entgegenbrettern, das dich besonders gut blendet, weil es durch ganz feinen Bodennebel verstärkt wird; die Straßen sind sehr schmal, und auf beiden Straßenseiten siehst du immer wieder vollkommen unbeleuchtete (schwarze) Fußgänger oder Radfahrer in allerletzter Sekunde – es ist so einfach, so erschreckend einfach, hier jemanden versehentlich zu töten. Wir kommen aber sicher an.

Nach zweieinhalb Tagen Fasten esse ich abends in Uganda in der Lodge zum ersten Mal wieder eine richtige Mahlzeit (nach einem Apfel zum Fastenbrechen) – gekochtes Gemüse und Reis. Es ist himmlisch und genau das, was mein Körper braucht. Es fühlt sich perfekt an, ich hatte Hunger wie ein Tier, und ich weiß es so sehr zu schätzen, wieder zu essen… zum Nachtisch serviert die Küche ein Milktarte (typisch südafrikanisch, wie ich lerne), das so unglaublich lecker ist, dass ich es meinem Magen einfach mal zutraue. Ich werde es nicht bereuen, aber mich immer daran erinnern, wie sehr ich dieses kleine Stückchen „treat“ genossen habe.

In meiner ersten Nacht in Uganda habe ich eine leichte Mückenphobie, obwohl eigentlich nichts passieren sollte – Karlene, meine bewährte und liebste Krankenschwester (die meinen verbrannten Fuß in Namibia bis fast zur Narbenfreiheit versorgt hat), hat mich mit Malariatabletten gefüttert und ich schlafe vor einem Ventilator. An dessen lautes Surren und den Wind muss ich mich erst noch gewöhnen; ich wache ein paarmal nachts davon auf. Aber er hält tatsächlich Moskitos fern; das weiß ich in einem Malariahochgebiet durchaus zu schätzen.

Außer dem Surren des Ventilators höre ich nur den geliebten Chor von Grillen, Fröschen und dem gelegentlichen altvertrauten Ruf einer Nightjar (googled the German name: Nachtschwalbe, haha). Es ist wie warmer Honig, der durch meine Seele fließt. Und meine Seele saugt all das Gold durstig auf und fängt allmählich an, immer heller zu strahlen.

Locals


Heute verabschieden wir Anya, sie fliegt zurück nach Äthiopien – schade, ich mag sie gern und das war ein wirklich kurzer Besuch… wir haben Matthew mit dabei, der jetzt unter Lizzy arbeitet, aber schon seit über 20 Jahren auf der Farm beschäftigt ist. Er hat noch erlebt, wie alles voller Elefanten, Giraffen und Büffel war – heute alle gewildert. Dafür war er noch nie am Internationalen Flughafen und freut sich wie verrückt. Das ist schön zu sehen und zu fühlen; ich liebe und vermisse dieses Gefühl, aus dem Busch zu kommen und alles ist plötzlich speziell und besonders für einen. 

Nachdem wir Anya verabschiedet haben, gehen wir noch einkaufen – bzw. Matthew geht einkaufen, deshalb haben wir ihn mit – und ich stehe in der heißen afrikanischen Sonne vor staubigen, kleinen Shops, während Matthew mit wunderbarer Sorgfalt und Aufrichtigkeit den allerbesten Hammer im besten Handwerkerladen des Dorfes auswählt. 

Am Abend besuchen wir zwei Freunde Lizzys in der benachbarten Massai Community: Jackie, die traditionellen Perlenschmuck herstellt, und ihren Ehemann. Sie haben fünf Kinder, drei adoptiert, weil sie besser für die Kinder sorgen können als deren Eltern. (Sie leben in einer 10qm Wellblechhütte im Nirgendwo, aber sie können es sich leisten, zwei der drei Kinder zur Schule und zur Universität zu schicken). Wir werden sehr gastfreundlich empfangen und versorgt, natürlich auch, weil die Massai sich Hilfe von mzungi, den Weißen, erhoffen. Es ist ein schwieriger Balanceakt – einerseits sind die Dinge, die sie dringend brauchen (eine Wasserpumpe, damit die Frauen das Wasser nicht mehrmals täglich 1 km durch die Savanne schleppen müssen; Schulbücher und allgemein Kosten der Schule; etc. etc.) für uns vergleichsweise extrem billig, sodass es kein Problem wäre, ihnen dieses Geld zu geben – aber damit ist langfristig eben niemandem geholfen. Alles muss nachhaltig geschehen, muss so aufgebaut werden, dass die Menschen selbst in der Lage sind, sich zu helfen und Geld zu verdienen oder ihre Probleme in Angriff zu nehmen. Jackie serviert uns Erbsen und Kraut mit Weizenfladen, und mein Magen will jetzt schon überhaupt nichts mehr von Weizen wissen, aber sie bestehen darauf, dass ich sie probiere. Ja, sie sind lecker, natürlich; nach dem Besuch habe ich heftige Koliken. Die hatte ich die letzten Tage schon immer dann, wenn ich Weizenfladen aß, ja, sie sind extrem lecker, aber ich muss mich wirklich zurückhalten, meinem Verdauungstrakt zuliebe.

Lizzy will, dass sich etwas tut in der Community – ohne eine gesunde und funktionierende Community ist ihre Arbeit wie Hausbau auf Treibsand, wird die Wiedereinführung von Wildtieren niemals nachhaltig sein. Menschen, die hungern und leiden und dringend Geld benötigen, sind (zum Beispiel) sehr leicht zum Wildern oder zur Unterstützung von Wilderern zu bewegen und sind wenig loyal, wenn es um den Schutz und Erhalt dessen geht, was sie hier aufbauen möchte. Sie hat ehrgeizige, hoch gesteckte Ziele, und sie braucht extrem viel inneres Licht, um dorthin zu marschieren. Ich wünsche ihr von Herzen, dass das, was sie vorhat, klappt oder zumindest nicht dafür sorgen wird, dass sie eines Tages desillusioniert und enttäuscht in die Menschheit die Flinte ins Korn wirft. Ich könnte die Arbeit, die sie hier macht, nicht leisten – ein bisschen kommt sie mir vor wie eine Mini-Ausgabe von Prinzessin Diana, die komplett liebevoll und offen in eine so fremde Kultur taucht, alle streichelt, allen gibt, was sie kann, und von Herzen versucht, die Menschen voranzubringen. 

Für mich ist das alles noch ein Kulturschock – ich hatte zwar Kontakt mit „Einheimischen“ in Botswana und Südafrika, aber immer auf einer westlich kultivierten, sicheren Basis. Die Schwarzen, mit denen ich bisher zu tun hatte, waren in der Regel angestellt, versorgt, „westernized“ durch den Tourismus, für den sie arbeiteten, und ja, natürlich gab es auch dort Probleme, Kulturclashs, etc., aber es war mir nie so bewusst wie jetzt in dieser Massai-Community.
Die Schule in der Community



Lizzy nimmt mich am Folgetag mit zu einem Frauentreffen, das sie organisiert hat – es dürfen nur Frauen aus der Community kommen, und sie hat eine amerikanische Ärztin (Gynäkologin) eingeladen, die im Nachbardorf Kagashi seit 2014 missioniert, die mit den Frauen über alle möglichen Frauengesundheitsthemen spricht – auch die Mädchen der Schule sind da, und sie erhalten eine Extra-Lektion zum Thema Menstruation, dass es das gibt, dass es normal und gesund ist, wie sie sich vorbereiten können, was sie machen können, wenn sie Schmerzen haben (Medizin nehmen natürlich) und so weiter. Ihnen wird auch eingeschärft, dass sie niemandem erlauben sollen, etwas mit ihrem Körper zu machen, das ihnen nicht gefällt – und dass sie sich für ihren Ehemann aufsparen sollen, nach der Universität; es gibt nicht entweder Universität oder Familie, sondern man könne erst das eine haben, dann das andere, so sind die Frauen sozial abgesichert(er).
Die (älteren) Schulmädchen während der "Frauenthemen"-Aufklärung
 Generell machen sie Vorschläge zur Hygiene – dass man jemanden ansteckt, wenn man ihn anniest oder erst in die Hand niest und dann den anderen berührt; sie üben „richtiges Niesen“, sprechen über Husten, etc. Mit den erwachsenen Frauen wird über Verhütung diskutiert, über den Zyklus und Fruchtbarkeit, wie lange sie warten sollten mit dem nächsten Baby, wie sie verschiedene gängige Kinderkrankheiten Afrikas erkennen und was sie ohne großen Geldeinsatz für die Kinder tun können (zum Beispiel mit Salz gurgeln, den Kindern bei bestimmten Krankheitsbildern mehr Bohnen, Erdnüsse und Fleisch geben (Proteinmangel)), wie sie sich selbst helfen können bei Scheidenpilz, Hustenerkrankungen, etc… alles Dinge, die für mich ganz und gar selbstverständlich sind… 

Lizzy ruft schließlich mich „auf die Bühne“, um ein paar Übungen zu zeigen, die gut sind bei Rückenschmerzen, Menstruationsschmerzen und sogar Wehen – die kleinsten Bewegungen (Hüfte vor- und zurückkippen im Sitzen, Kuh-Katze aus dem Yoga, strecken, atmen) ernten heftiges Gelächter. Etwas, das für uns Westliche so selbstverständlich ist, macht einen so seltsamen Eindruck auf diese Frauen! Ich bezweifle, dass sie es ausprobieren werden, aber hey, why not. Am Ende der Versammlung steht die Stammesälteste wieder auf (sie sprach zu Beginn schon einmal; sie scheint diejenige zu sein, die für alle spricht, und sie ist prachtvoll dekoriert mit traditionellem Perlenschmuck und auffallendem orangefarbenem Gewand. Mit stets würdevoller, ernster Mimik strahlt sie absolute Autorität aus. Sie bedankt sich bei den Frauen für diese Lektionen, die sie überrascht hätten, aber die sinnvoll seien, weil viele der angesprochenen Probleme wirklich existierten – und dann wendet sie sich an die Frauen und erklärt ihnen, dass es wichtig sei, auf sich acht zu geben, und die Ratschläge zu befolgen, etc. 
Womens' Meeting (links die alte Massai-Mamma - mit den traditionell durchhängenden Ohrlappen)
Auf jeden Fall eine ziemlich krasse Erfahrung für mich, und ein Kulturschock ohnegleichen. Ich habe noch nicht das Gefühl, wirklich angekommen zu sein, habe das Gefühl, Zuschauer zu sein statt Protagonist, und das ist okay. Ich bleibe einfach friedlich, mit beiden Beinen auf afrikanischem Boden, und lasse den aufgewirbelten Sand weiter sinken….

Into the Bushes

Heute habe ich einen sturmfreien Tag – während Lizzy, Anya und Sean in die Stadt nach Nairobi fahren, bleibe ich lieber hier und genieße die Natur. Stadt hatte ich ehrlich gesagt mehr als genug in letzter Zeit, und Käseverkostungen, Kletterhallen und Shoppingmalls haben keine so hohe Anziehungskraft auf mich wie Vögel, Bäume und Ruhe. Also mache ich mir einen „wilden“ Tag – ein paar Stretches, gemütliches Frühstück draußen in der Sonne – scanne die umliegenden Berge und suche mir einen aus, den ich bezwingen möchte. Dann packe ich meinen Rucksack (eine Flasche Wasser, Taschenmesser, Pullover, falls ich nicht vor Nachteinbruch zurückkomme, Streichhölzer, Handy) und marschiere los. In Buschfarben und Barfußschuhen. Es ist ein schönes Gefühl, Sand, Felsen, Unterholz, Äste, immer wieder auch Äste von Akazien – ich hatte schon fast vergessen, wie es ist, sich ständig Dornen aus der Haut zu ziehen. Da ich den Berg nicht kenne und auch nicht weiß, ob es überhaupt Pfade gibt, die nach oben führen, nehme ich zunächst den direkten Weg – und der führt durch den das Gelände umgebenden Elektrozaun. Ich brauche bestimmt zehn Minuten, um den Mut für einen Test zusammenzunehmen – die Alternative wäre ein endloser Umweg gewesen. Zuerst lausche ich in den Draht, dann tippe ich ihn mit dem Fuß an, darauf gefasst, dass gleich eine heftige Ladung Strom durch meinen Unterkörper schießt – aber ich habe Glück. Nach weiteren Tippversuchen mit dem Fuß und schließlich mit der Hand klettere ich durch eine der Maschen hindurch und mache mich auf in die Büsche. Da ich keinen Pfad finde, folge ich vereinzelten Antilopenpfaden durchs Gestrüpp – die absolut häufigsten Antilopen hier sind die klitzekleinen Dikdiks, nicht viel größer als Feldhasen, und dementsprechend sehen auch ihre Pfade aus. Sie eignen sich eigentlich nicht für ein Säugetier, das größer ist als ein Lamm. Es geht bergauf, es ist steil, rutschig, und einfach nur dickes, dorniges Gestrüpp, das mich zerkratzt, Blätter und Staub auf mich regnen lässt und mir akrobatische Verrenkungen abverlangt. Ich keuche und puste, das ist definitiv eine andere Art des Extrem“sports“, allerdings bin ich mir unsicher, ob mir der Kratzfaktor so viel Spaß macht. 

Man denkt plötzlich so anders, trifft ganz intuitive, moment-orientierte Entscheidungen – wenn ich abrutsche, muss ich mein Gewicht nach vorn werfen, auch wenn das bedeutet, mein Gesicht frontal in dornige, kratzende Äste zu schlagen – ich trainiere mich mental für einen solchen Fall, damit ich bereit bin, das kleinere Übel zu wählen statt dem Instinkt zu folgen, kratzigen Ästen im Gesicht auszuweichen und dann aufgrund der Gewichtsverlagerung womöglich nach hinten in die Tiefe zu stürzen. 

Nach einer guten Viertelstunde Extremkraxeln treffe ich auf einen Pfad – menschengemacht, ganz offensichtlich, und freigeschnitten – und freue mich sehr, endlich wieder aufrecht gehen zu können. Gleichzeitig bin ich aber auch vorsichtig – es gibt auf dem Gelände viele sogenannte „Snares“, illegale Schnapp-/Drahtfallen, die von Wilderern ausgelegt wurden, und es werden nicht nur Tiere gewildert, sondern auch Bäume (für Kohle, die dann verkauft wird). Sprich, meine Chancen, auf jemanden zu treffen, der nicht gefunden werden möchte, sind jedenfalls nicht bei Null… ich schleiche mit meinen Barfußschuhen höher und höher, aber es scheint niemand hier zu sein. Es geht immer weiter nach oben auf dem Pfad; meine Quads brennen, und ich klettere mich selbst außer Atem. Es ist inzwischen heiß, und ich habe schon über die Hälfte des Wassers ausgetrunken, das ich mir mitgebracht hatte. Auch das habe ich vergessen – wie viel Wasser man braucht, wenn man sich in der afrikanischen Sonne körperlich betätigt! Ich bin noch nicht mal halb oben und muss bereits meinen Wasserverbrauch rationalisieren. Jetzt nur noch ein Schluck pro Stopp. Der Pfad führt mich höher und höher, an weidenden Rindern vorbei – der Rinderhirte versteckt sich vor mir, was mir nicht unrecht ist – und es wird immer gebirgiger. Nach einer Zeit wird die Vegetation dünner, wofür ich aufrichtig dankbar bin. Die Haut an meinen Armen, Beinen und Händen blutet schon aus zahlreichen kleinen Kratzern und den Einstichstellen von Dornen – es ist zu schön, nur noch durch halbhohes Gras zu streunen, auch wenn die scharfen Grassamen die gereizte Haut meiner Beine ebenfalls herausfordern. Der letzte Abschnitt bis hoch zum „Gipfel“ ist noch einmal extrem herausfordernd. Ich klettere-rutsche-krabbele einen extrem rutschigen Steilhang aus lockeren Schiefersteinen nach oben – man soll sich ja eigentlich nicht umdrehen, ich tu es aber doch. Es ist seltsam, dieser Gedanke, du könntest jetzt abrutschen und im schlechtesten Fall sterben, gepaart mit dem kitzeligen Gefühl, dass das hier zwar höchste Konzentration erfordert, aber mir nichts passieren wird. 


Natürlich komme ich sicher oben an. Schweißnass und keuchend genieße ich die Aussicht und das berauschende Gefühl. So this is Great Rift Valley. Man sieht nach vorn so weit über die graubeigen, staubigen Flächen, die ganz weit hinten durch eine sanfte Bergkette begrenzt wird. Ich atme durch und trinke einen Schluck Wasser mit dem Gefühl, dass ich den wirklich verdient habe. Ein schönes Gefühl, das ich lange nicht mehr hatte… wann denkt man schon mal dankbar darüber nach, Wasser trinken zu dürfen – normalerweise sorgt doch jeder immer nur mehr oder weniger griesgrämig dafür, auf die empfohlenen 2-3 Liter pro Tag zu kommen.

Auf der Ebene hier grasen Ziegen, leise bimmelnd mit ihren Glöckchen, und ich fühle mich fast wie „zu Hause“ in den Alpen. Die beiden Ziegenhirten starten einen kurzen gut koordinierten Versuch auf mich (als ich dem einen entkomme, ruft er den anderen in Swahili dazu, der dann um die Ecke läuft um mich auf meinem „Fluchtweg“ noch einmal abzufangen), aber sie lassen sich relativ problemlos abwimmeln – das wäre in Südafrika vielleicht anders ausgegangen. Hier bemerkt man schon deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern.

Über den Rückweg will ich eigentlich gar nicht nachdenken. Der erste Teil war angenehm, wie ein alpiner Abstieg eben, über Felsen und Sand und so weiter – der letzte Teil gestaltet sich extrem nervtötend. Ich verliere wieder einmal meinen Pfad und finde mich in den nervigen Dikdik-Tunneln wieder, und diesmal folge ich ihnen eine gefühlte Ewigkeit, ohne Aussicht, jemals wieder herauszukommen. Irgendwann bin ich so tief drin, dass es nicht einmal mehr Sinn machen würde, umzudrehen und den Hang wieder hinaufzukraxeln – jetzt muss ich wohl durch. Spaß macht es absolut keinen. Immer wieder schrabbele ich auf Po, Ellenbogen und Füßen durch die kratzigen Tunnel, weil es nicht einmal im gebückten Zustand zu schaffen ist. Ich höre auf zu zählen, wie oft mir ein scharfer Zweig ins Gesicht oder gegen den Schenkel klatscht wie eine Reitgerte, wie oft ich mir die Haut aufreiße oder mir Dornen in die Hände stoße bei dem Versuch, mich abzustützen. Ständig muss ich mich gewaltsam durch Gestrüpp zwängen, das zur Strafe tonnenweise alte Blätter, Zweigstückchen, Staub und Insekten auf mich herabregnen lässt. Diese Mischung klebt hervorragend auf schweißfeuchter Haut, insbesondere im Genick, auf der Kopfhaut und in der Unterwäsche, und sie sorgt für einen Juckreiz der Extraklasse. Zwei- oder dreimal bleibe ich einfach mitten im Gestrüpp sitzen und gebe mich meiner Frustration hin; ich könnte einfach hierbleiben, versteckt irgendwo im afrikanischen Busch an einem Berghang kauernd…. aber es hilft ja alles nichts, ich muss weiter. Außerdem gibt es am Haus Wasser – zu trinken und in Form eines Quellsees, in den ich mitsamt meiner Unterwäsche einfach hineinspringen werde. Der Gedanke daran motiviert definitiv.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lichtet sich das Gestrüpp - Halleluja! Ich habe mich noch nie in meinem Leben so sehr darüber gefreut, aufrecht zu gehen. Eigentlich habe ich darüber in 30 Jahren auch noch nie nachgedacht. Da sieht man’s mal wieder.

Nach einer Weile aufrechten Ganges verkleinern sich die Pfade wieder zu Dikdik-Tunneln, jedenfalls in die Richtung, in die ich eigentlich gehen sollte. Ich habe so die Schnauze voll von Gestrüpp, ich will nicht mehr! Also beschließe ich, auf dem einen sauberen Pfad zu bleiben, der zwar nicht in Richtung Haus führt… aber irgendwann vielleicht ja doch… und so marschiere ich… und marschiere… ja, es ist ein Pfad, auf dem man aufrecht gehen kann, aber er führt mich immer weiter weg von meinem Ziel… und so beschließe ich letztlich doch, es noch einmal im Gestrüpp zu versuchen. Bleib einfach immer auf offener Grasfläche, bleib immer dort, wo du noch aufrecht gehen kannst und mehr als eine Richtung zur Auswahl hast…. Ha, es funktioniert nicht. Nach einer Stunde gebe ich auf und kehre zum Pfad zurück. Der Quellsee ist inzwischen zur fixen Idee geworden, und so gebe ich meinen Plan auf, marschiere den ganzen Pfad zurück bis zu der Stelle, wo ich vermeintlich am wenigsten Gestrüpp durchqueren muss um zum Haus zu gelangen – und stürze mich noch einmal in die Dikdik-Tunnel. Augen zu und durch. Denk an den See, denk an den Wasservorrat zu Hause. Natürlich komme ich irgendwann durch. 


Ich lande auf der anderen Seite des Zaunes, in einer Ansammlung von sehr, sehr hübschen, traditionellen Massai-Hütten in the making (später lerne ich, dass es eine Lodge im Massai-Stil wird - kein Wunder). Die Arbeiter haben offenbar Feierabend; ich beschließe, sie anzusprechen, bevor sie mich „entdecken“. Der junge Mann, der etwas erschöpft aussehend auf der Bank den Sonnenuntergang/Feierabend genießt, ist hilfsbereit und will mich sogar zum Tor im Zaun begleiten. Ich bedanke mich, ich glaube ich finde es schon selber ;) Ich weiß, ich bin extrem misstrauisch mit den Einheimischen; hin- und hergerissen zwischen kulturell antrainierter, arglos-herzlicher Fremdenfreundlichkeit und kühl-präventivem, abweisendem Selbstschutz. Dazu die Gedanken, die mir einflüstern „du verhältst dich wie ein Rassist – würdest du dich genauso verhalten, wenn er weiß wäre?“ – aber ganz ehrlich, lieber lebe ich mit solchen Gedanken als mit (weiteren) schmerzhaften Erfahrungen mit schwarzen Männern, und da ich als Deutsche tendenziell naiv und gutmütig bin (insbesondere hier in Afrika), ist das die beste Strategie; zumindest wenn ich alleine bin.

Der Liter himmlisches Wasser, den ich herunterkippe, sobald ich fünf Stunden nach Verlassen das Haus wieder betrete, und dann das anschließende Bad im Quellsee werde ich wohl nicht so schnell vergessen. Allein für die Wertschätzung solcher „trivialen“ Dinge hat sich der ganze Trip gelohnt!