It’s nearly Christmas. Like, in 3 days. I am sitting
on my sand-coloured bed, with open messy sun-bleached beach curls, a striped
loose tank top and beige shorts, and quite tanned and toned arms and legs. It’s
a windy day, and my sand-coloured curtains are moving in the breeze that comes in
through the open window. I can hear the ocean, the light clear bells of the wind
chimes in front of my window and the birds in the palm tree next to the house.
I can’t believe it’s going to be Christmas in, what, 3 days?
I feel so humble, and deeply satisfied. Almost every
day I find myself thinking how epic my life is. How amazing, and what an
adventure, to be alive. What a privilege to discover all the joys of this life,
all the pleasure and fun and wild sandy love. I am so deeply grateful for all
the experiences I have made in the last 30 years. I can’t and won’t deny any
more that traveling and working abroad, especially in Africa, is my huge
passion. It’s the love of my life. Living all those different lives, in
different places, meeting different people, it makes me feel so rich and so privileged. It makes me feel gorgeous
in my skin, my role and my purpose. I really tried to put my feet down, I
tried to “be normal”, live in a city, have a job and all that; it’s not me. I
have smelled and tasted freedom, and I can’t live in captivity any more. I just
can’t. I know you’re always being well fed and looked after as a captive
animal, and you have someone grooming your fur and making you look all shiny
and sassy and protect you from the weather, but the compromising is too tough.
I need to run, feel the wind, sun, and dust; I don’t need people who tell me I
need to settle down, earn money, take responsibility etc.! I don’t need fear in
my life! I basically just want to be free from fear and pressure, and any
person who inflicts one of the two (or both) on me is not good for me. I’m
going to keep it that simple. I want to fly and float and just breathe joy and
energy and this whole life, and I want to let go of that voice that tells me
“You should”. Why? Things flow. Things are good, smooth and effortless. I went
for an early little workout at the beach this morning, had a ride on the beach,
a nice little sleep on the dunes, green lunch, playing with horses in the surf,
and now I finished my Rooibos tea with Rice milk and will now go down to the
beach again, or actually the lagoon, where friends are having a bonfire. I
mean, what else could I wish for?
….much later that night: The bonfire was fantastic.
Having interesting conversations around a huge burning pile of driftwood,
sitting in the sand, sipping wine, ach man I love this lifestyle! I don’t,
really don’t want to leave Africa ever again. I can see why people prefer the
civilized life in cities, in Europe, in places with more rules and “safety”,
but I can’t trade my freedom for that any more. I could do without the ticks
and the very humid days. But that’s it really.
Mein Zimmer
ist weiß gestrichen, über drei Meter hoch, Strohdach. Auf dem frischen weißen
Laken ist bereits Gecko-Kacke – don’t sleep with your mouth open hey. Ich höre
das Meer, die Grillen und die Frösche, und wenn ich die Türe öffne, funkelt mir
der afrikanische Sternenhimmel entgegen. Es war ein heißer Tag, und ich habe
ihn damit verbracht, von Kapstadt nach East London und von East London ins Haven
Hotel zu reisen. Der Flug war kurz, nur anderthalb Stunden; die Fahrt dauerte
ungefähr fünf, und wir hatten den Buckie (südafrikanischer Ausdruck für Auto
mit Ladefläche) so voll geladen, dass wir uns zu dritt ins Fahrerhaus quetschen
mussten. Ich als schmalste in der Mitte, auf der Handbremse sitzend und die
Gangschaltung zwischen den Beinen, sodass Glynn die ersten zwei Stunden nur den
ersten, dritten und fünften Gang benutzen konnte (und durfte!); bis ich auf die
Idee komme, dass ich ja auch schalten könnte. Es klappt erstaunlich gut, selbst
ohne Worte, und auf den letzten anderthalb Stunden Transkei-Dirtroad ist es im
Grunde recht spaßig. Wir team-worken uns durch diverse Schlaglöcher und
Haarnadelkurven, während im Radio Weihnachtslieder laufen und die Sonne auf die
Windscheibe knallt. Die sanften, hellgrünen Hügel der Transkei rollen nur so
vor sich hin, und die Straße ist voller Kühe, Pferde, Hunde, Schweine, Gänse
und Ziegen – viele davon, insbesondere die Pferde, sehen katastrophal aus. Nur
die platten unter den Tieren (viele Hunde) sehen noch katastrophaler aus, und
ich frage mich, wie man es auf dieser holprigen Straße, die einen zwingt, sehr
langsam zu fahren, schaffen kann, einen Hund totzufahren – die Antwort folgt
prompt. Viele der Hunde sind Streuner, und sie machen sich einen Spaß daraus,
kläffend dem Auto nachzujagen und zu versuchen, in die Vorderreifen zu beißen.
Wir überfahren auch beinahe einen, der einfach vors Auto rennt – von hinten,
kläffend.
Kapstadt war
wieder einmal eine kurze, aber intensive Affäre; eines Tages werde ich es
schaffen, länger als eine Woche zu bleiben und mehr Touristenzeugs zu machen.
Immerhin habe ich Sachen wie Table Mountain, Waterfront, Seapoint Promenade,
Stellenbosch, Caledon Spa, Coastal Route und Boulders Beach „abgehakt“ und ein
fantastisches Cape-Town-maßgeschneidertes Comedy-Musical genossen, das die
unterschiedlichen Ethnicities Kapstadts herrlich auf die Schippe nimmt. Cape
Malay people, Afrikaans people und Xhosa people. So viel habe ich jetzt
gelernt. Ich wurde wunderbar und liebevollst von Wisaal und ihrer Familie
gehostet, die sich vermutlich ein Bein für mich ausgerissen hätten, wenn ich
darum gebeten hätte. Nach dem vielen Reisen tut es so gut, mal wieder das
Gefühl von Familie zu spüren, wenn auch nur für eine Woche ;) So verwöhnt und
geliebt zu werden....
Die Mädels in Hermanus
having fun with the girls :)
Veganes Mittagessen im "Plant" in Kapstadt - delish!!!
Ich kann gar nicht sagen, was das Highlight war, aber
Schwimmen mit Pinguinen in einer kristallklaren türkisblauen Lagune ist auf
jeden Fall hoch im Ranking! Ich hatte die kleine Nichte und den Neffen von
Wisaal mit dabei, weil Wisaal sich erst nicht traut, auf die andere Seite zur
Lagune zu schwimmen, wo die Pinguine sind – zum Glück ist das Wasser sehr, sehr
salzig, sodass es mir keine Probleme bereitet, die beiden Kiddies
„abzuschleppen“, wann immer sie auf dem laaangen Weg vom Strand Richtung Lagune
müde werden. Ein richtiges kleines Abenteuer, und die riesigen Felsbrocken
inmitten von superklarem Wasser machen echtes Paradiesfeeling. Ich wollte
eigentlich Fotos machen, aber wie es so ist, just in diesem Moment ist der Akku
leer. C’est la vie.
On the road to Caledon
Playing like a child in cristal clean lagoons (with Kelp.)
Jetzt bin
ich schon eine Woche im Haven, Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Jetzt
Richtung Weihnachten werden „wir“ super busy, Familien mit Kindern verbringen
die Festtage hier, und ich bin ganz alleine für das Reitprogramm und die Pferde
verantwortlich, was mir sehr viel Spaß macht. Ich liebe es, selbstständig zu
sein und Dinge ordentlich und so zu erledigen, wie ich es für richtig halte,
und keiner funkt mir groß dazwischen. Im Haven leben fünf Pferde, eins davon
hat sich letztes Jahr das Vorderfußwurzelgelenk zertrümmert und hinkt (nach
anfänglichen Bedenken) fröhlich vor sich hin, ist aber natürlich nicht mehr
reitbar. Drei von ihnen sind „alte Hasen“, die so wahnsinnig vertrauenswürdig
sind, dass ich Kinder, die zum dritten Mal reiten, auf sie setzen kann und
durchs Gelände bummeln lasse. (Natürlich am Strick, der dient aber mehr meiner
inneren Gelassenheit und der Sicherheit nach Protokoll als dass er tatsächlich
notwendig wäre.) Das letzte Pferd ist relativ neu und nur geliehen, ein
schwarzer, sehr nach Muli aussehender Wallach namens „Mambo“, der wie viele
Pferde in den Händen von Schwarzen schon einiges durchgemacht hat und mir
definitiv am meisten Arbeit macht; ich muss sein Vertrauen und seinen Respekt
gewinnen, gleichzeitig mit viel Stretching seine Rückenschmerzen lindern, die
er aus seiner (*insertyourfavouriteswearword*) Vergangenheit mitgebracht hat,
üben, dass er alle Hufe gibt ohne zu treten (und er tritt sehr, sehr gezielt),
ihm beibringen dass man sich mit Reiter am Strand einfach mal nicht wälzt
(schon gar nicht mit Gästen!), und hoffen, dass ein Funke Leben in seine
abgestumpften schicksalsergebenen Augen zurückkehrt.
Life is good by the beach.
Ich kann
kaum glauben, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist. Ein bisschen verrückt ist
es immer noch, auch wenn ich es mittlerweile mehr gewöhnt bin; die glitzernde
Weihnachtsdeko mit Christbaumkugeln und Schnee und allsowas, während wir bei
schönstem Sommerwetter am Strand chillen, Ponys reiten, und im Ozean schwimmen.
Ich bin vor
einigen Wochen Tante geworden, meine kleine (!) Schwester hat eine Tochter zur
Welt gebracht, und ich eiere noch immer in der Weltgeschichte herum… und plane
nicht, in absehbarer Zeit damit aufzuhören. Ich bin froh, dass eine von uns den
vernünftigen Weg geht und ein Haus kauft, einen festen Job hat, heiratet,
Kinder kriegt und all das. Ich wünschte, ich wäre auch so, das würde vieles
einfacher machen; aber so bin ich eben nicht. Afrika ist meine Droge. Sie macht
mich so high, dass ich dazu tendiere zu denken „Egal was danach ist, jetzt im
Moment ist es einfach so, so genial.“ Ich will nicht mal daran denken, wie es
wäre, jetzt in Deutschland zu sein – Aerobic im Studio zu machen anstatt in den
wilden Wellen des Ozeans (ja, eine meiner kleinen heimlichen
Fünf-Uhr-morgens-Freuden), im Grau-in-Grau-Tierpark joggen statt durch einen
semitropischen Wald und am Strand entlang, und wegen des deutschen
Winterwetters den ganzen Tag nur den Drang zu essen und zu schlafen zu verspüren
statt die warme, spritzige Energie von Sonne und Meer.....
…...die ich euch hiermit nach Deutschland sende, vielleicht könnt ihr ja einen Hauch davon spüren. Es ist zu herrlich :)
Weil mich schon Beschwerden erreichen, wo denn der neue Blogpost bleibt und ich gerade ein wenig schreibfaul bin, gibt's heute mal ein Update in Videoformat. Enjoy :)
Ich bin so
froh, hier zu sein. Es geht so schnell, dass ich mich in Afrika zu Hause fühle,
und dann habe ich das Gefühl, alles ist „normal“ und es gibt gar keinen Grund
mehr zu bloggen.
Trotzdem gibt es natürlich tausend Gründe glücklich zu sein,
und die Dinge wertzuschätzen, die ich „einfach so“ jeden Tag habe: Freiheit,
Sonne, Wildnis, sauberes Wasser, Full Service, gute Gesellschaft, Sterne. Meine
bereits heißgeliebte Morgenroutine sieht so aus, dass ich mit der Sonne
aufwache, aufstehe, Wasser und einen Tee oder manchmal Kaffee trinke (Kenya hat
phantastischen Kaffee!!! Und ich nutze ihn als Genussmittel, und nicht täglich,
nur um sicherzugehen dass sich keine "alten Muster" einschleichen.) Dann streife ich raus in
die "Wildnis". Ich bin oft ein, zwei Stunden unterwegs – es gibt ja kein
Zeitlimit – und erkunde die Umgebung, finde Pfade, lese Spuren (wir haben
Leoparden und Hyänen!), zerkratze mir die Beine, verlaufe mich, falle, schürfe
mir die Knie auf, pflücke Blumen, scheuche Dikdiks, Paviane und Hadedas auf,
schwitze, fluche, juble, klettere, krieche… und so weiter, jedenfalls ist es
toll, und wild, und anstrengend.
Wenn ich zurückgefunden und noch Kraft habe,
mache ich manchmal noch ein paar Kräftigungsübungen, um nicht vollkommen auseinanderzufallen ;) – dann schnappe ich mir ein Handtuch,
tappere hinüber zum Quellsee und schwimme mich ein bisschen locker. Auch auf
den jeweils frischen Kratzern tut das Wasser immer gut, und es schwemmt all die
klitzekleinen Blättchen, Zweigchen, Dornen und Staub von der Haut und aus der
Kleidung (die Kleider sind eh meistens klatschnass, deshalb schwimme ich oft
einfach so wie ich bin). Der Quellsee ist wunderschön, das Wasser
blau-glitzernd und voller Fische, unter anderem auch diese kleinen, die es in
Fisch-Spas gibt. Man muss nur die Füße ins Wasser baumeln lassen und sofort
fangen sie an an einem herumzuknabbern. Soll ja gut sein, sonst gäbe es keine
Fisch-Spas. Ich stehe aber nicht so auf Fischgeknabber und schwimme lieber
etwas, dann lege ich mich meistens auf den Rücken und lasse mich ein bisschen
treiben. Ich liebe es. Über mir der blaue Himmel, die herrlichen Urwaldbäume
und oft genug Sykes oder Colobus Monkeys, die von Ast zu Ast springen, oder
Bee-Eater (Vögel), die von den Ästen der Bäume aufs Wasser herunterdarten und
Insekten fangen, die über der Wasseroberfläche fliegen. Dazu tausend Libellen, Schmetterlinge, und gelegentlich sogar der seltene Besuch einer Schlange.
neulich im Garten: Rudi, the boomslang*
*Boomslang, in Afrikaans: "Baumschlange", ist eine für Afrika sehr typische, scheue Schlangenart, die keine Lust hat Menschen zu beißen, wenn es sich vermeiden lässt. (Ich liebe Schlangen! Finde sie extrem faszinierend!) Sie legt Eier, ist tagaktiv, hat ihre Fangzähne nicht wie die meisten Schlangen vorn im Mund, sondern hinten im Rachen, und kann deshalb ihren Mund extrem weit öffnen (ich glaube 160-170° oder so!). Baumschlangengift wirkt hämolytisch, d.h. es stoppt nach und nach die Blutgerinnung, sodass man anfängt aus der Bissstelle, Wunden und Schleimhäuten (Nase, Augen, etc.) zu bluten, bis auch die inneren Organe anfangen zu bluten und die Niere vergiftet bzw. man innerlich verblutet. Das Gute ist, dass man vergleichsweise viel Zeit hat (24-48 Std.).
Nach dem Schwimmen
stretche ich mich in der Sonne, trockne ein bisschen, bis die klatschnassen
Kleider nicht mehr tropfen, und mache mich dann auf zum Frühstück (in der
Sonne, draußen! Natürlich!). Ananas, Bananen, Papayas, Avocados, all diese
Früchte sind auf den lokalen Märkten für wenig Geld zu bekommen (umgerechnet
rund 10 bis 30 Cent pro Stück, und das sind Mzungu-Preise, die machen sie nur,
weil wir weiß sind – für Schwarze ist es günstiger).
Avocado-Party für umgerechnet weniger als einen Euro - oh Gott, ich liiiiebe es!
Ich gewöhne mich langsam
daran, überall wo ich hingehe eine "Attraktion" zu sein. Auf dem Markt in
Maimahiu sind Lizzy und ich für gewöhnlich die einzigen Weißen, und alle wollen
was von einem, alle rufen einem zu etc. – man gewöhnt sich an, einfach
arrogant-ignorant miteinander quatschend durch die Menge zu laufen, als würde
man gar nichts mitbekommen.
Genauso wenn ich bei meinen morgendlichen
Streifzügen auf ein Massai-Dorf treffe oder auf Menschen (was ich versuche zu
vermeiden) – vor allem Kinder können es kaum fassen, aber auch Erwachsene
starren, als hätten sie noch nie einen Weißen gesehen (haben sie vielleicht
auch nicht). Für sie ist es unendlich komisch, dass eine (weiße) Frau so viel
läuft. Ich genieße es nicht, so im Fokus zu stehen, vor allem nicht wenn ich
schwitze und schmutzig bin und zerkratzt, aber ich versuche auch mich nicht
deswegen einzuschränken. Anfangs habe ich das gemacht und dafür große Umwege
hingelegt; einmal bin ich sogar vom Weg heruntergehechtet, weil zwei Motorräder
sich näherten – ich springe hinter den nächsten Busch und voll in einen Pavian,
der sich offenbar hinter demselben Busch aufhielt (how should I know?). Wir bekamen
beide den Schreck unseres Lebens; er bellte mich erschrocken an, und ich konnte
sein Fell an meinem Arm spüren, ehe er laut schimpfend durchs Gestrüpp
davonpreschte.
Die Mittage
und Nachmittage gestalten sich je nach Anlass – ich gehe oft nachmittags
nochmal spazieren, weil das Licht so toll ist, wenn die Sonne sich senkt. Wir
haben eine Kamerafalle, mit der ich gerne spiele – letzte Woche ist uns ein
Leopard „in die Falle gegangen“, der offensichtlich eine Wildererschlinge um
die Brust trägt… was ziemlich traurig ist. Wir überlegen, ihn zu fangen und zu
versorgen.
Auf diesem Schnappschuss kann man deutlich sehen, wie der Thorax des Leoparden durch eine Wildererfalle eingeschnürt wird.
Manchmal
helfe ich Lizzy mit Zeug, was auf der Farm anfällt, zu früh geborene Babyziegen
füttern zum Beispiel (das hört sich so rosig an, war aber traurig, das Kleine
ist nach wenigen Tagen gestorben); leckeres veganes Essen aus lokalem Obst,
Salat und Gemüse kreieren (Schokoladen-Mousse aus Avocados mit Ananas –
aaaaaaah, ich könnte für immer und ewig davon leben!), Essen, Heu, Katzenfutter
etc. kaufen, Katzen füttern und beschmusen, Kenya Wildlife Service Mitarbeiter
hosten, (die uns helfen sollen den Leoparden zu fangen) und so weiter. Wenn es "nichts zu tun" gibt, arbeite ich an meinem
Laptop… ich finde, ich habe eine fantastische „work life balance“ hier ;)
...und das aus der Party resultierende Avocado-Mousse mit Rohkakao, Kokosmilch, Cashews und frischer lokaler Ananas. Hätte mich reinlegen können!
Einfach nur
hier sein, mit der benachbarten Massai-Community interagieren, in die
umliegenden Dörfer „shoppen“ gehen, Sonne tanken, Sterne zählen, ausreichend
schlafen, essen, bewegen, jeden Tag eine angemessene Portion Natur abbekommen, Blumen
pflanzen, an einem tollen Projekt arbeiten – ganz ehrlich, mehr brauche ich
nicht zur Zeit. Das ist genau das, was mir gut tut und was mir in Berlin
gefehlt hat – schlichtes, unspektakuläres, unverkleidetes Leben, das in seiner
Einfachheit eine so gigantische Fülle mit sich bringt, dass ich mich jeden Tag
extrem reich und privilegiert fühle.
Ich sitze am
Lagerfeuer, über mir in den Bäumen toben die Weavers**, die hier massenweise
Nester haben. Ich fühle mich frisch und friedlich und wunderbar; ich hatte eine
Dusche mit meiner Lieblings-afrikanischen Musik, die ich in Berlin nie anhören
konnte, weil ich sofort weinen musste. Jetzt fühlt sie sich einfach nur in Mark
und Bein wundervoll an und verwurzelt das erdverbundene, kraftvolle Gefühl in
mir, das langsam wieder auflebt. Das Gefühl, privilegiert und stark und
wundervoll und schön und all das zu sein; ich betone, Gefühl, nicht Gedanke.
Wenn mich jemand bitten würde, das zu erklären oder zu begründen – ich weiß
nicht, ob ich das könnte. Die weiche Abendbrise krault mir mein vollkommen
ungebändigtes Lockenhaar, das ich zu einem chaotischen Dutt hochgesteckt habe
(überall „Babyhaare“ um meine Schläfen, oh Gott, vollkommen stadtuntauglich!),
die Zikaden* machen wieder ihren Höllenlärm, und ein smart aussehender
schwarzer Kellner ist soeben zu mir ans Feuer gekommen, um zu fragen, wie es
mir geht und ob er mir einen Drink bringen kann. Soeben ist mir das zweite
unbekannte Insekt in meinen Ausschnitt geflogen; ah, wie ich das Gefühl
vermisst habe, „irgendetwas Zerquetschtes“ aus meinem Bra zu fischen.
*Zikaden
sind an sich kleine, unscheinbare Insekten, deren Männchen an der Bauchseite
ein Organ haben, das – aus bisher unerklärlichen Gründen – ein Geräusch
erzeugen kann, das dem eines elektrischen Rasierapparats gleicht und
Lautstärken bis zu 120 Dezibel erreicht. 120 Dezibel sind nahe an der
Schmerzgrenze des menschlichen Ohres! Um ihr eigenes Gehör zu schützen, haben
sie eine Art Membran, die bei Aktivierung des „Gesanges“ dafür sorgt, dass ihr
Gehörgang verschlossen wird. Sie singen einerseits, um Weibchen anzuziehen,
andererseits tun sie sich in Scharen zusammen, um Vögel abzuwehren! Kein Vogel
riskiert sein Gehör, nur um eine Zikade zu fressen… es gibt unterschiedliche
Zikadenarten, und alle singen auf einer anderen Frequenz, manche davon (God
bless them) sind für Menschen gar nicht hörbar, bringen aber mit ihrem Krach zum
Beispiel Hunde dazu, vor Schmerz zu jaulen. Ziemlich spannend, dafür, dass sie
so klein sind.
**Über
Weaver (Webervögel) gibt es so vieles zu erzählen; es gibt zahlreiche
Unterarten; berühmt sind sie allerdings generell für ihre gewebten Nester
(hence der Name 😉 ), die bei einigen Weberarten wie
dieser hier wie kleine runde Bommel aus Zweigen und „Zeugs“ zahlreich an Bäumen
hängen. Die Männchen müssen den Nestbau erst erlernen, deshalb sieht man oft
viele „falsche“ Nester an einem Baum hängen, die keiner will; je mehr
„richtige“ Nester er allerdings macht, desto bessere Chancen hat er, dass ein
Weibchen sich sein Nest aussucht und dort einzieht. Die Dame wählt also, wie es
sich gehört. Er darf dann rein und sie befruchten… wenn er richtig gut ist und
viel Zeit hat, kann es sogar passieren, dass er mehrere Weibchen in mehreren
Nestern zu „betreuen“ hat.
***
Heute haben
wir die Hakuna Matata Schule auf dem Gelände besucht. Ich werde langsam besser
im Schulen-Besuchen, aber es ist trotzdem seltsam, das so zu erleben, mich so
intensiv als „Weiße“ zu erfahren, ohne irgendetwas dafür zu tun.
Nur weil ich
weiß bin, erwarten vierzig kleine schwarze Kinder Geschenke von mir. Nur weil
ich weiß bin, wird ein Lied für mich gesungen „Welcome Visitor, our school is
hakuna matata, our motto is ,time wasted will never be regained‘, we are
advanced class, den Rest verstehe ich leider nicht.“ Nur weil ich weiß bin,
werde ich immer wieder von kleinen sehr süßen Kindern heimlich angefasst – was
denken sie, dass ich das nicht merke? – vielleicht um zu testen, ob die
Haut/Farbe echt ist, ich weiß es nicht? Nur weil ich weiß bin, wollen ALLE
Kinder mir High Five/High Fist geben, und einige können gar nicht genug davon
bekommen, und ich bin umringt von einer Schar schwarzer Kids in grellorange-neongelben
Uniformen, grinsend mit leuchtend weißen Zähnen, fröhlich giggelnd und lachend,
und ich kann auch nicht aufhören zu grinsen, es ist einfach zu süß und zu
schön.
High Five die 124ste...
Bin ich deswegen rassistisch? Weil ich schwarze Kinder süß finde? Weil
ich als Weiße eine schwarze Schule besuche und mich an der Reaktion erfreue?
Bin ich rassistisch, weil ich weiß bin? Manchmal finde ich es sehr befreiend,
wie Sean, Lizzys Freund, über diese Dinge redet. Er macht aus dem ganzen Thema
einfach einen fetten Klumpen schwarzen Humor – schwarzen Humor? Weißen Humor? –
und bringt mich damit oft zum Lachen. Nein, es war ein tolles Erlebnis, und ich
habe gegrinst wie ein Honigkuchenpferd und es total genossen und heimlich
Tränchen verdrückt, als die Kids ihre Schulhymne vorsangen… für uns vier weiße
Besucher (Karlene, ich, der Direktor vom Zoo Melbourne und ein weiterer
wichtiger Herr von Zoo Victoria / Rhino Fund, die der Schule dieses Jahr
Whiteboards gespendet haben und jetzt fleißig Fotos für die Sponsoren machen).
Karlene bringt den Kids bei, wie Seifenblasen funktionieren :)
Danach
wasche ich übergründlich meine Hände… ist das rassistisch? ;) Quatsch. Spätestens
nach einer Lebensmittelvergiftung und der Einsicht, dass man Hygiene in Afrika
noch ernster nehmen muss, als ich es bisher getan habe (und das war nicht
unernst), weiß ich, dass
mein Körper an viele Bakterien, die hier ganz normal sind, doch (noch) nicht gewöhnt
ist ;)
Speaking of
Gewöhnung etc.: Ich bin jetzt voll auf Doxycycline, ein mildes
Antimalaria-Antibiotikum. Mich haben schon zahlreiche Moskitos und
Tsetse-Fliegen gestochen, dass ich letztlich doch froh bin, mich für
Malariaprophylaxe entschieden zu haben. Obwohl ich so viele Horrorgeschichten
gehört und erlebt habe von Gästen, die Malariatabletten nahmen, scheint mein
Körper das Zeug gut zu verkraften. Klar, mir ist bewusst, dass ich meine Darmflora
damit angreife und meiner Leber zu schaffen mache, und Lizzy sagt „this fucks
up your skin“, aber dies ist nun mal ein High Risk Malariagebiet; Karlene hat
mir erzählt, dass ihre letzte Praktikantin ihre Tabletten nur ein paarmal
vergaß und bumms-Malaria! – insofern, besser isses. Nur damit man auch mal was
Positives dazu liest und nicht immer nur die Negativberichte. *** Eine Woche geht unfassbar schnell vorüber, und schneller als erwartet und erhofft muss ich mich von Chris und Karlene wieder verabschieden. Sie haben mir eine wirklich tolle Woche bereitet und ganz davon zu schweigen, dass ich ihnen dankbar bin, habe ich das Gefühl, einem Teil Familie Auf Wiedersehen zu sagen... Obwohl wir alle nicht so recht wissen, was aus uns wird, sind wir uns sicher, dass wir uns wiedersehen werden... immerhin haben wir ein Talent, uns in Afrika zusammenzufinden - sei es im südlichsten, wildesten Namibia, im Busch Kwa-Zulu-Natals oder in Uganda !
Meine Zeit
in der Lodge bzw. auf dem Gelände von Rhino Fund Uganda ist toll. Das Wetter
wechselt zwischen heißer Sonne, Regenschauern und hoher Luftfeuchtigkeit,
sodass man am Ende des Tages das Ergebnis von immer wieder kleben/schwitzen und
trocknen deutlich riecht – und ich liebe es! Es ist zu gut. Fast wie eine
kleine Rebellion gegen das Stadtleben, eine Rebellion gegen glattrasierte Haut,
gestriegeltes Haar, hochmoderne nach Weichspüler duftende der Figur
schmeichelnde Mode der aktuellen Saison, die nicesten Markenschuhe im
„Labelmania“-Style, perfekt mani- und pedikürte Hände und Füße, spritzige die
Persönlichkeit unterstreichende Accessoires, veganes Zitronen-Duschgel,
Aloe-Vera-Bodylotion und alkoholfreies Frischedeo mit Mandarine-Vanille-Duft.
Blabla. Und man kommt sich so authentisch, so schön vor, je mehr man sich
zurechtmacht und sich „ausdrückt“. Ja, alles okay, alles gut – ich mag grade einfach
nur so sein, wie ich bin, wie ich aussehe, rieche und mich fühle nach einem Tag
im Busch, es ist so befreiend und roh und stark. Ja, ich dusche – mit rötlich
angelaufener Seife unter einem kalten, dünnen Wasserstrahl. Ich glaube, das
letzte Mal habe ich meinen Körper mit Seife geschrubbt, als meine Oma mich als
kleines Kind gewaschen hat, kein Witz.
typische Szene auf dem Gelände: Buschbock und Warzenschweine friedlich am Grasen...
Wir fahren
durch den Busch, im Auto und auf dem Motorrad (ohne Helm, zum ersten Mal in
meinem Leben, was für ein Spaß!), sehen Buschböcke, Wasserböcke, riesige
Warzenschweine (so große habe ich noch nie gesehen), Kühe und eine Menge
spannender Vögel. Viele African Whoopoes sind hier, sehr hübsche kleine Vögel
mit einem tollen Ruf, und Massen von Masked Weavern, die gelb in den Büschen
leuchten. Anscheinend gibt es hier Rhinos und Shoebills, die beiden
Hauptattraktionen, doch beide sehen wir nicht; richtig so, man sollte niemals
die To-See-Liste eines Touris am ersten Tag komplett abhaken, selbst wenn man
könnte. Das Essen auf der Lodge ist delikat, die Küche sehr professionell, die
Köche und Kellner smart und freundlich. Trotzdem ist es wieder dasselbe Bild –
wir Weiße sitzen am Tisch, fröhlich speisend, führen gebildete Gespräche und
lassen uns von schwarzen Kellnern und Köchen bedienen. Ob man sich wohl jemals
daran gewöhnt? Zur Verteidigung des Systems muss ich aber sagen, dass an vielen
Tischen der Lodge zum Mittagessen auch schwarze Gäste sitzen, eigentlich sogar
fast ausschließlich, während die hart arbeitende Gruppe Volontäre aus weißen
Kids (18, 19 Jahre alt) besteht. Nach wie vor bin ich nur bedingt happy mit der
Entwicklung des „Volontärtourismus“, aber das muss jeder Schulabgänger/gap year
student für sich selbst entscheiden. Diese Kids (bzw. deren reiche Eltern) zahlen
ein Höllengeld dafür, um den halben Tag Unkraut auszurupfen, den anderen halben
Tag Pfosten festzuhämmern und dafür noch von diversen Sklaventreibern
beschimpft zu werden, wenn sie (in den Augen der Manager/Besitzer/…) nicht hart
genug arbeiten. But what do I know; none of my business; everyone must
know for themselves.
eines der (zur Zeit) 3 Baby-Nashörner in Uganda
Ich erfreue
mich am Fahren von Geländewagen über afrikanische Holperpfade, das habe ich zu
lange nicht mehr gemacht; am Rhino-Sighting zu Fuß, das habe ich tatsächlich
noch nie gemacht (nur auf Rädern…); an geführten Walks durch den Sumpf, bei denen ich auch den äußerst seltenen Schuhschnabel (Shoebill) zu sehen bekomme, für dessen Sichtung Touristen aus aller Welt anreisen; an der typischen Lodge-Atmosphäre mit Full
Service, betüddelt werden, dunklen Mahagonitischen und viel Holz und
Kerzenlicht; an dem ausgezeichneten dunklen südafrikanischen Wein (!) in Kombination
mit Sternegucken und plätscherndem Pool; kurz gesagt, an dem reichen,
genussvollen, privilegierten Leben von Mzungus (=Weißen. Hier gibt es sogar
T-Shirts zu kaufen, auf denen steht „My name is not Mzungu“. Ich weiß nicht, ob
ich das nicht ein wenig zu provokant finde, reicht doch, wenn ich das für mich
weiß. Mein Name ist weder Mzungu noch Hello.)
Ich sitze
wieder am Flughafen, diesmal auf dem Weg nach Uganda. Ryanair hat soeben eine
Stunde Verspätung angemeldet, und man kann niemals sicher sein, dass deren
Definition von einer Stunde meiner entspricht.
Ich habe
alle Brücken verbrannt. Es fühlt sich verrückt an, ich habe Schiss, und ich
weiß gleichzeitig, dass es richtig ist. Im Lateinunterricht haben wir mal eine
(wahre) Geschichte eines Krieges übersetzt, wo die feindliche Armee über den
Wasserweg angriff und versuchte, das Land zu erobern. Der Armeeführer vor Ort
beschloss, alle Schiffe der Feinde zu verbrennen, damit sie nicht fliehen
könnten, wenn sie besiegt wurden. Vermutlich tat er ihnen damit einen Gefallen,
denn sie kämpften so entschlossen, dass sie schließlich die ansässige Armee
besiegten und das Land eroberten. Schiffe für die Flucht brauchten sie nicht
mehr…
Ich weiß,
was ich will. Und das tut gut. Das heißt nicht, dass alles, was ich in Berlin
zurücklasse, schlecht ist. Vieles davon war wunderbar, vor allem viele
Menschen, die ich dort kennenlernen durfte. Ich vertraue darauf, dass – wie
immer – die wahren Freunde in Kontakt bleiben. You can not lose what is truly
yours.
Ich will gar
nicht so sehr darüber nachdenken, was ich alles vermissen werde. Jetzt bin ich
hier. Habe ein Ziel. Habe Freiraum, bin sicher. Bin in Afrika, wo mein Herz
sich gerade endlich wieder heiler und ganzer anfühlt. Habe die Chance und die
Zeit und die Sicherheit, nachhaltig etwas für mich aufzubauen. Finanzielle
Sicherheit zu schaffen, die ich dringend brauche. Und gleichzeitig dort zu
sein, wo ich sein will. Einziges Manko: Ich muss auf die physische Anwesenheit
vieler liebgewonnener Menschen verzichten.
Wie kann ich
die letzten beiden Wochen zusammenfassen?
Eine Farm in
Kenya hilft definitiv dabei, die Füße auf die Erde zurückzubekommen. Ich habe
geholfen, einen Kater zu kastrieren (konnte aber beim blutigen Teil nicht
hinsehen), acht kleine (männliche) Babyziegen, wir haben eine zu früh geborene
Ziege mit der Flasche gefüttert, weil ihre Mama sie nicht unterstützt, und
Lizzy hat eine todkranke Ziege ertränkt und verbrannt. (!) („Ich hätte ihm auch
die Kehle durchschneiden können, aber mir war nicht nach Blut.“) Ich bewundere
sie noch immer für diese Roughness, komme mir vor wie eine europäische
Prinzessin auf der Erbse neben ihr. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, ein Tier
töten. Sie tut es dauernd, aber immer nur, wenn es notwendig ist; und sie ist
Vegetarierin. Ich liebe und bewundere sie sehr, meine kleine starke Schwester.
:)
Ich bin
allmählich wieder angekommen; ich trage lange Hosen und meine Jeansjacke bei
25°C; meine Schultern und mein Nacken schälen sich, meine Beine sind voller
Kratzer und Wunden; ich gewöhne mich langsam wieder daran, die einzige Weiße
unter Schwarzen zu sein; mein Körper, mein Essverhalten, alles fühlt sich
balancierter und schöner an; und ich fühle mich rauer, stärker, als könnte ich
plötzlich mit viel weniger auskommen, als wären so viele Dinge, die vor drei Wochen
noch wichtig waren, plötzlich vollkommen insignifikant. Ich bin wieder mehr
Leopard und weniger Golden Retriever.
Erwähnenswerte
Momente der letzten Woche?
Massai-Dorf –
Lizzy hat mich einmal mitgenommen, um eine ihrer Kinderarbeiterinnen (Stella)
in der Schule anzumelden. (Auf der Farm gibt es Kinder, die Ziegen hüten
müssen, um ihre Geschwister zu ernähren, statt zur Schule zu gehen. Dadurch
wird ihnen natürlich die Zukunft verbaut bzw. die Möglichkeit, jemals einen gut
bezahlten Job zu bekommen, aber sie kommen aus diesem Teufelskreis nicht raus;
Schule ist zu teuer, aber Lizzy hat es sich zur Mission gemacht, alle Arbeiter
unter 18 zur Schule zu senden). Weil ich gerade von meinem Morgensport kam und
kurze Hosen anhatte, wollte ich nicht mit hineingehen und wartete im Auto.
Während Lizzy mit Stella also ins Büro der Schulleiterin marschiert, sitze ich
auf dem Beifahrersitz … als plötzlich zwei ganze Schulklassen von schwarzen
Kids angelaufen kommen und sich neugierig direkt vor meiner Autotür versammeln!
Sie stehen einfach da und starren mich alle an – ich komme mir stark vor wie
ein Zootier – was für eine seltsame Situation :D Als ich beschließe, nicht nur
zu lächeln, sondern „Hi“ zu sagen und zu winken, kreischen manche, lachen, und
dann rennen sie in alle Richtungen davon. Man kennt diese Szene aus Filmen, von
Fotos und Dokumentationen, aber es selbst zu erleben, ist – verrückt :D
Nur weil ich
weiß bin, bin ich eine Kuriosität. Nur weil ich weiß bin, habe ich eine
Putzfrau und eine Köchin. Nur weil ich weiß bin, könnte ich jedem Schwarzen
beinahe problemlos sagen, was er oder sie tun soll. Nur weil ich weiß bin, geht
automatisch jeder davon aus, dass ich reich bin und gebildet. Dass ich Geld
ausgeben kann. Dass ich weiß, wie man mit Krankheiten umgeht – Menschen zeigen
mir ihre geschwollenen Füße, eiternden Exzesse und geheimnisvollen Hautwüchse
und erwarten, dass ich weiß, was zu tun ist. Ich habe bisher nicht viele Weiße
in Kenya gesehen, nur am Flughafen, an Touristenspots und in typischen „white restaurants“,
wo wir ein-, zweimal waren. Es ist ein extremer Sprung von einer Welt in eine
andere.
Die Affen
machen mir auch Spaß. Es sind nur die kleinen Sykes Monkeys, die ums Haus herum
leben; sie sind viel weniger aggressiv als Paviane (eigentlich überhaupt nicht
aggressiv, sondern ängstlich, aber frech). Wenn man ein Fenster offen lässt
(selbst kleine Öffnungen, von denen man nicht unbedingt erwartet, dass ein Affe
durchpasst), sind sie im Haus. Und dann gibt es Chaos. Sie haben meine
Zahnbürste angenagt und mit nach draußen genommen, meine Seife gefressen und
die Aloe-Vera-Pads von meinem Rasierer (wie auch immer!). Als ich eines Tages
im Garten meine Wäsche aufhänge (müsste ich eigentlich nicht, ich habe ja eine
„Putzfrau“, aber ich will nicht dass sie das macht…), sehe ich, wie zwei
Äffchen in mein Fenster einsteigen! Diese Kobolde!!! Ich husche ihnen nach,
steige durchs Fenster in mein Zimmer und schließe es – sie sind bereits im
Badezimmer, wo es (zur Zeit) kein Entkommen gibt….
***
Übrigens, willkommen
in Afrika – eine dicke Lebensmittelvergiftung schließt in meiner zweiten Woche
ihre Klauen um mich und beschert mir zwei anstrengende Nächte und einen
anstrengenden Tag. Ich hatte fast vergessen, wie sich das anfühlt. Da ich am
kommenden Tag nach Uganda fliege, beschließe ich, mein Verdauungssystem einfach
komplett leer zu halten, bis ich angekommen bin. Ich hatte in Botswana schon
mal einen langen Transfer mit einer Lebensmittelvergiftung, das war ziemlich
beschissen – es macht keinen Spaß, in der langen, stickigen Schlange vor dem
Einwanderungsschalter gefangen zu sein und schwindelig, schwitzend, zitternd
eigentlich nur auf der Toilette sein zu wollen… meine neue Strategie scheint
besser zu sein. Ich fühle mich nach zwei Tagen Fasten zwar etwas schwindelig,
aber es ist nur der wohlvertraute Schwindel von Unterzuckerung; mein Magen
grummelt, aber das ist das süße, geduldige Gefühl von Hunger, nicht die
Androhung eines Vulkanausbruchs. Ich habe keine Energie, aber ich kann
friedlich am Terminal sitzen, ohne verzweifelt nach Toilettenschildern suchen
zu müssen.
***
….Stunden
bzw. Tage später: Ich bin in Uganda! Ich bin froh, dass ich heil und voll neuer
Energie hier angekommen bin; fast, als wäre die Lebensmittelvergiftung
notwendig gewesen, um irgendetwas aus meinem System zu schwemmen, was da nicht
hingehört; irgendetwas in mir hat sich verändert, und natürlich ist es auch der
Ort, der so magisch, emotional und tiefgründig ist – all das zusammen hat mich
irgendwie umgestülpt, zurückgestülpt, und ich habe fast das Gefühl sagen zu
können: Ich bin wieder da. Ich weiß, dass ich noch mehr da sein kann, aber so
viel Sand (in meinem aufgewirbelten Inneren) hat sich schon lange nicht mehr
gelegt. Ich fühle mich innerlich frisch und klar, als wüsste ich plötzlich
wieder mehr, wer ich bin; als hätte ich plötzlich wieder mehr Grund, mir zu
vertrauen; und als ich einmal versehentlich in den bunt bemalten afrikanischen
Spiegel im Badezimmer schaue, fällt mir die Kinnlade runter – ich kenne diese
Frau, habe sie nur lange nicht mehr gesehen. Sie trägt beigefarbene kurze
Shorts, ein cremefarbenes Buschhemd, ihr Haar ist wild und lockig und golden,
ihre Beine zerkratzt und voller Schrammen und Narben, ihre Füße sind rot vom
Barfußlaufen auf Afrikas rotem Sand, ihr Gesicht ist sonnengebräunt und ein
bisschen älter und faltiger als zuvor (und das sage ich ganz wertfrei), und
ihre Augen strahlen in ihrem merkwürdigen grün-blau-grau-unergründlichen
Farbton, lebendig und klar und tief. Nichts an ihr macht den Eindruck, als müsste
es irgendwie sein, als hätte sie versucht, es irgendetwas anzupassen; nichts an
ihr ist leer, oder aufgesetzt, oder fühlt sich an als müsste ich es beurteilen
oder bewerten; alles ist einfach da, alles ist wie es ist, und ich kann mein
Spiegelbild genauso liebevoll betrachten wie eine Antilope im Gestrüpp, die
genauso ist wie sie ist, und jedes Härchen, jede Schramme, jeder Muskel, jedes
Fettdepot ist wunderschön und genau so, wie es sein soll.
Crested Crane, der Nationalvogel Ugandas
Mein Flug
nach Uganda ist okay, und trotz des klitzekleinen Flugzeugs, das viel schneller
in Luftlöchern absinkt und den Magen hin und wieder auf einen Wellenritt
schickt, verkraftet mein komplett leergeschwemmter nüchterner Körper alles
prima. Chris holt mich am Flughafen ab, es gibt extra offene Zelte, wo die
Wartenden Schatten suchen und sitzen können. Wir warten noch auf einen weiteren
Besucher, den Chris mitnehmen soll, und so habe ich Gelegenheit, das
Arrivals-Treiben zu beobachten und in Ruhe anzukommen. Der zweite Besucher
trifft letztendlich viel zu spät, ohne Gepäck, bei uns ein – South African
Airways is going down… Chris wollte eigentlich nicht so spät losfahren, weil es
gefährlich ist, im Dunkeln unterwegs zu sein, aber jetzt haben wir keine andere
Wahl. Die Fahrt ist toll und gibt einen wunderbaren ersten Eindruck vom Land,
alles ist so unfassbar bunt, und chaotisch, und detailliert; der Straßenverkehr
ein einziges Chaos, man weiß manchmal nicht, wo die Märkte anfangen und die
Straße aufhört, weil Autos, Menschen, Hühner, Markthändler, Mofafahrer, Ziegen,
Kinder in einem schwer definierbaren bunten Knäuel durcheinanderwuseln. Auf den
Mofas sowie auf den offenen Ladeflächen von oft sehr provisorisch
zusammengeflickten motorisierten Fahrzeugen (ich weiß nicht, ob man sie „Autos“
nennen sollte) wird einfach alles transportiert – Menschen, Bananen, Ananas,
Wurzeln, Hühner, Ziegen, Frauen, Kinder, Container, Werkzeug, Möbel,….
Es ist
so spannend einfach nur Details aufzunehmen, wie auf einem wirklich extrem
kreativen Wimmelbild (falls das jemand noch kennt….). Kleine Momentaufnahmen
sind herrlich – die Frau mit dem Baby auf den Rücken gebunden, die ein Feuer
direkt neben der Straße macht (keine Ausnahme), auf dem sie undefinierbare
Wurzeln grillt und direkt an Autofahrer verkauft, eine Ziege daneben, angebunden,
die belästigt wird von einem freilaufenden Ziegenbock; zwei Mofafahrer, die
ineinander gefahren sind und deren Maschinen sich verkeilt haben, rütteln an
ihren Maschinen und versuchen sie auseinanderzuzerren – sie erinnern mich an
Kuduböcke, deren spiralförmige Hörner sich im Hornkampf verkeilt haben;
Fahrräder mit riesigen Portionen grüner Bananenstauden auf dem Gepäckträger,
die sorgfältig gestapelt wurden, damit man sie ausbalancieren kann; ein
klitzekleiner Transporter mit offener Ladefläche, auf der Kartons, Ananas,
Kinder und ein Sarg hin und her schwanken; Kühe mit riesigen Hörnern, die
entspannt zwischen den Fahrzeugen umhertrotten…. Es ist großartig! „You have to
laugh, otherwise you‘ll cry” (quoting Chris) trifft es ganz gut. Das ist übrigens grundsätzlich
für Afrika keine verkehrte Grundeinstellung. Asante sana,
smash banana, wewe nugu mimi hapana – herzlichen Dank, zermatsche Banane, du
bist ein Affe und ich nicht. (Raffiki aus dem König der Löwen singt
Suahili/Englisch – ich jetzt auch, fließend sogar. :P)
Hello Vervet Monkey! Hier in Uganda sind sie wieder mal überall...
Nicht bei
Nacht zu fahren ist eine gute Empfehlung, wie wir feststellen, als Chris die
letzte halbe Stunde im Dunkeln kämpft. Es gibt keine weißen Linien, keine
Leitplanke, keine Reflektoren, nur Fahrzeuge, die dir mit Fernlicht
entgegenbrettern, das dich besonders gut blendet, weil es durch ganz feinen
Bodennebel verstärkt wird; die Straßen sind sehr schmal, und auf beiden
Straßenseiten siehst du immer wieder vollkommen unbeleuchtete (schwarze)
Fußgänger oder Radfahrer in allerletzter Sekunde – es ist so einfach, so
erschreckend einfach, hier jemanden versehentlich zu töten. Wir kommen aber
sicher an.
Nach
zweieinhalb Tagen Fasten esse ich abends in Uganda in der Lodge zum ersten Mal
wieder eine richtige Mahlzeit (nach einem Apfel zum Fastenbrechen) – gekochtes
Gemüse und Reis. Es ist himmlisch und genau das, was mein Körper braucht. Es
fühlt sich perfekt an, ich hatte Hunger wie ein Tier, und ich weiß es so sehr
zu schätzen, wieder zu essen… zum Nachtisch serviert die Küche ein Milktarte
(typisch südafrikanisch, wie ich lerne), das so unglaublich lecker ist, dass
ich es meinem Magen einfach mal zutraue. Ich werde es nicht bereuen, aber mich
immer daran erinnern, wie sehr ich dieses kleine Stückchen „treat“ genossen
habe.
In meiner
ersten Nacht in Uganda habe ich eine leichte Mückenphobie, obwohl eigentlich
nichts passieren sollte – Karlene, meine bewährte und liebste Krankenschwester
(die meinen verbrannten Fuß in Namibia bis fast zur Narbenfreiheit versorgt
hat), hat mich mit Malariatabletten gefüttert und ich schlafe vor einem
Ventilator. An dessen lautes Surren und den Wind muss ich mich erst noch
gewöhnen; ich wache ein paarmal nachts davon auf. Aber er hält tatsächlich
Moskitos fern; das weiß ich in einem Malariahochgebiet durchaus zu schätzen.
Außer dem
Surren des Ventilators höre ich nur den geliebten Chor von Grillen, Fröschen
und dem gelegentlichen altvertrauten Ruf einer Nightjar (googled the German
name: Nachtschwalbe, haha). Es ist wie warmer Honig, der durch meine Seele fließt. Und meine Seele
saugt all das Gold durstig auf und fängt allmählich an, immer heller zu
strahlen.
Heute verabschieden
wir Anya, sie fliegt zurück nach Äthiopien – schade, ich mag sie gern und das war ein wirklich kurzer Besuch… wir
haben Matthew mit dabei, der jetzt unter Lizzy arbeitet, aber schon seit über
20 Jahren auf der Farm beschäftigt ist. Er hat noch erlebt, wie alles voller
Elefanten, Giraffen und Büffel war – heute alle gewildert. Dafür war er noch
nie am Internationalen Flughafen und freut sich wie verrückt. Das ist schön zu
sehen und zu fühlen; ich liebe und vermisse dieses Gefühl, aus dem Busch zu
kommen und alles ist plötzlich
speziell und besonders für einen.
Nachdem wir
Anya verabschiedet haben, gehen wir noch einkaufen – bzw. Matthew geht
einkaufen, deshalb haben wir ihn mit – und ich stehe in der heißen
afrikanischen Sonne vor staubigen, kleinen Shops, während Matthew mit
wunderbarer Sorgfalt und Aufrichtigkeit den allerbesten Hammer im besten
Handwerkerladen des Dorfes auswählt.
Am Abend besuchen
wir zwei Freunde Lizzys in der benachbarten Massai Community: Jackie, die
traditionellen Perlenschmuck herstellt, und ihren Ehemann. Sie haben fünf
Kinder, drei adoptiert, weil sie besser für die Kinder sorgen können als deren
Eltern. (Sie leben in einer 10qm Wellblechhütte im Nirgendwo, aber sie können
es sich leisten, zwei der drei Kinder zur Schule und zur Universität zu
schicken). Wir werden sehr gastfreundlich empfangen und versorgt, natürlich
auch, weil die Massai sich Hilfe von mzungi, den Weißen, erhoffen. Es ist ein
schwieriger Balanceakt – einerseits sind die Dinge, die sie dringend brauchen
(eine Wasserpumpe, damit die Frauen das Wasser nicht mehrmals täglich 1 km
durch die Savanne schleppen müssen; Schulbücher und allgemein Kosten der
Schule; etc. etc.) für uns vergleichsweise extrem billig, sodass es kein
Problem wäre, ihnen dieses Geld zu geben – aber damit ist langfristig eben
niemandem geholfen. Alles muss nachhaltig geschehen, muss so aufgebaut werden,
dass die Menschen selbst in der Lage sind, sich zu helfen und Geld zu verdienen
oder ihre Probleme in Angriff zu nehmen. Jackie serviert uns Erbsen und Kraut
mit Weizenfladen, und mein Magen will jetzt schon überhaupt nichts mehr von
Weizen wissen, aber sie bestehen darauf, dass ich sie probiere. Ja, sie sind
lecker, natürlich; nach dem Besuch habe ich heftige Koliken. Die hatte ich die
letzten Tage schon immer dann, wenn ich Weizenfladen aß, ja, sie sind extrem
lecker, aber ich muss mich wirklich zurückhalten, meinem Verdauungstrakt
zuliebe.
Lizzy will,
dass sich etwas tut in der Community – ohne eine gesunde und funktionierende
Community ist ihre Arbeit wie Hausbau auf Treibsand, wird die Wiedereinführung
von Wildtieren niemals nachhaltig sein. Menschen, die hungern und leiden und
dringend Geld benötigen, sind (zum Beispiel) sehr leicht zum Wildern oder zur
Unterstützung von Wilderern zu bewegen und sind wenig loyal, wenn es um den
Schutz und Erhalt dessen geht, was sie hier aufbauen möchte. Sie hat
ehrgeizige, hoch gesteckte Ziele, und sie braucht extrem viel inneres Licht, um
dorthin zu marschieren. Ich wünsche ihr von Herzen, dass das, was sie vorhat,
klappt oder zumindest nicht dafür sorgen wird, dass sie eines Tages
desillusioniert und enttäuscht in die Menschheit die Flinte ins Korn wirft. Ich
könnte die Arbeit, die sie hier macht, nicht leisten – ein bisschen kommt sie
mir vor wie eine Mini-Ausgabe von Prinzessin Diana, die komplett liebevoll und
offen in eine so fremde Kultur taucht, alle streichelt, allen gibt, was sie
kann, und von Herzen versucht, die Menschen voranzubringen.
Für mich ist
das alles noch ein Kulturschock – ich hatte zwar Kontakt mit „Einheimischen“ in
Botswana und Südafrika, aber immer auf einer westlich kultivierten, sicheren
Basis. Die Schwarzen, mit denen ich bisher zu tun hatte, waren in der Regel
angestellt, versorgt, „westernized“ durch den Tourismus, für den sie
arbeiteten, und ja, natürlich gab es auch dort Probleme, Kulturclashs, etc.,
aber es war mir nie so bewusst wie jetzt in dieser Massai-Community.
Die Schule in der Community
Lizzy nimmt
mich am Folgetag mit zu einem Frauentreffen, das sie organisiert hat – es
dürfen nur Frauen aus der Community kommen, und sie hat eine amerikanische
Ärztin (Gynäkologin) eingeladen, die im Nachbardorf Kagashi seit 2014
missioniert, die mit den Frauen über alle möglichen Frauengesundheitsthemen
spricht – auch die Mädchen der Schule sind da, und sie erhalten eine
Extra-Lektion zum Thema Menstruation, dass es das gibt, dass es normal und
gesund ist, wie sie sich vorbereiten können, was sie machen können, wenn sie
Schmerzen haben (Medizin nehmen natürlich) und so weiter. Ihnen wird auch
eingeschärft, dass sie niemandem erlauben sollen, etwas mit ihrem Körper zu
machen, das ihnen nicht gefällt – und dass sie sich für ihren Ehemann aufsparen
sollen, nach der Universität; es gibt nicht entweder Universität oder Familie,
sondern man könne erst das eine haben, dann das andere, so sind die Frauen
sozial abgesichert(er).
Die (älteren) Schulmädchen während der "Frauenthemen"-Aufklärung
Generell machen sie Vorschläge zur Hygiene – dass man
jemanden ansteckt, wenn man ihn anniest oder erst in die Hand niest und dann
den anderen berührt; sie üben „richtiges Niesen“, sprechen über Husten, etc. Mit
den erwachsenen Frauen wird über Verhütung diskutiert, über den Zyklus und
Fruchtbarkeit, wie lange sie warten sollten mit dem nächsten Baby, wie sie
verschiedene gängige Kinderkrankheiten Afrikas erkennen und was sie ohne großen
Geldeinsatz für die Kinder tun können (zum Beispiel mit Salz gurgeln, den
Kindern bei bestimmten Krankheitsbildern mehr Bohnen, Erdnüsse und Fleisch
geben (Proteinmangel)), wie sie sich selbst helfen können bei Scheidenpilz,
Hustenerkrankungen, etc… alles Dinge, die für mich ganz und gar
selbstverständlich sind…
Lizzy ruft schließlich mich „auf die Bühne“, um ein
paar Übungen zu zeigen, die gut sind bei Rückenschmerzen,
Menstruationsschmerzen und sogar Wehen – die kleinsten Bewegungen (Hüfte vor-
und zurückkippen im Sitzen, Kuh-Katze aus dem Yoga, strecken, atmen) ernten
heftiges Gelächter. Etwas, das für uns Westliche so selbstverständlich ist,
macht einen so seltsamen Eindruck auf diese Frauen! Ich bezweifle, dass sie es
ausprobieren werden, aber hey, why not. Am Ende der Versammlung steht die
Stammesälteste wieder auf (sie sprach zu Beginn schon einmal; sie scheint
diejenige zu sein, die für alle spricht, und sie ist prachtvoll dekoriert mit
traditionellem Perlenschmuck und auffallendem orangefarbenem Gewand. Mit stets
würdevoller, ernster Mimik strahlt sie absolute Autorität aus. Sie bedankt sich
bei den Frauen für diese Lektionen, die sie überrascht hätten, aber die
sinnvoll seien, weil viele der angesprochenen Probleme wirklich existierten –
und dann wendet sie sich an die Frauen und erklärt ihnen, dass es wichtig sei,
auf sich acht zu geben, und die Ratschläge zu befolgen, etc.
Womens' Meeting (links die alte Massai-Mamma - mit den traditionell durchhängenden Ohrlappen)
Auf jeden
Fall eine ziemlich krasse Erfahrung für mich, und ein Kulturschock
ohnegleichen. Ich habe noch nicht das Gefühl, wirklich angekommen zu sein, habe
das Gefühl, Zuschauer zu sein statt Protagonist, und das ist okay. Ich bleibe
einfach friedlich, mit beiden Beinen auf afrikanischem Boden, und lasse den
aufgewirbelten Sand weiter sinken….
Heute habe
ich einen sturmfreien Tag – während Lizzy, Anya und Sean in die Stadt nach
Nairobi fahren, bleibe ich lieber hier und genieße die Natur. Stadt hatte ich
ehrlich gesagt mehr als genug in letzter Zeit, und Käseverkostungen,
Kletterhallen und Shoppingmalls haben keine so hohe Anziehungskraft auf mich
wie Vögel, Bäume und Ruhe. Also mache ich mir einen „wilden“ Tag – ein paar
Stretches, gemütliches Frühstück draußen in der Sonne – scanne die umliegenden
Berge und suche mir einen aus, den ich bezwingen möchte. Dann packe ich meinen
Rucksack (eine Flasche Wasser, Taschenmesser, Pullover, falls ich nicht vor
Nachteinbruch zurückkomme, Streichhölzer, Handy) und marschiere los. In
Buschfarben und Barfußschuhen. Es ist ein schönes Gefühl, Sand, Felsen,
Unterholz, Äste, immer wieder auch Äste von Akazien – ich hatte schon fast
vergessen, wie es ist, sich ständig Dornen aus der Haut zu ziehen. Da ich den
Berg nicht kenne und auch nicht weiß, ob es überhaupt Pfade gibt, die nach oben
führen, nehme ich zunächst den direkten Weg – und der führt durch den das
Gelände umgebenden Elektrozaun. Ich brauche bestimmt zehn Minuten, um den Mut
für einen Test zusammenzunehmen – die Alternative wäre ein endloser Umweg
gewesen. Zuerst lausche ich in den Draht, dann tippe ich ihn mit dem Fuß an,
darauf gefasst, dass gleich eine heftige Ladung Strom durch meinen Unterkörper
schießt – aber ich habe Glück. Nach weiteren Tippversuchen mit dem Fuß und
schließlich mit der Hand klettere ich durch eine der Maschen hindurch und mache
mich auf in die Büsche. Da ich keinen Pfad finde, folge ich vereinzelten
Antilopenpfaden durchs Gestrüpp – die absolut häufigsten Antilopen hier sind
die klitzekleinen Dikdiks, nicht viel größer als Feldhasen, und dementsprechend
sehen auch ihre Pfade aus. Sie eignen sich eigentlich nicht für ein Säugetier,
das größer ist als ein Lamm. Es geht bergauf, es ist steil, rutschig, und
einfach nur dickes, dorniges Gestrüpp, das mich zerkratzt, Blätter und Staub
auf mich regnen lässt und mir akrobatische Verrenkungen abverlangt. Ich keuche
und puste, das ist definitiv eine andere Art des Extrem“sports“, allerdings bin
ich mir unsicher, ob mir der Kratzfaktor so viel Spaß macht. Man denkt
plötzlich so anders, trifft ganz intuitive, moment-orientierte Entscheidungen –
wenn ich abrutsche, muss ich mein
Gewicht nach vorn werfen, auch wenn das bedeutet, mein Gesicht frontal in
dornige, kratzende Äste zu schlagen – ich trainiere mich mental für einen
solchen Fall, damit ich bereit bin, das kleinere Übel zu wählen statt dem
Instinkt zu folgen, kratzigen Ästen im Gesicht auszuweichen und dann aufgrund
der Gewichtsverlagerung womöglich nach hinten in die Tiefe zu stürzen.
Nach einer
guten Viertelstunde Extremkraxeln treffe ich auf einen Pfad – menschengemacht,
ganz offensichtlich, und freigeschnitten – und freue mich sehr, endlich wieder
aufrecht gehen zu können. Gleichzeitig bin ich aber auch vorsichtig – es gibt
auf dem Gelände viele sogenannte „Snares“, illegale Schnapp-/Drahtfallen, die von
Wilderern ausgelegt wurden, und es werden nicht nur Tiere gewildert, sondern
auch Bäume (für Kohle, die dann verkauft wird). Sprich, meine Chancen, auf
jemanden zu treffen, der nicht gefunden werden möchte, sind jedenfalls nicht
bei Null… ich schleiche mit meinen Barfußschuhen höher und höher, aber es
scheint niemand hier zu sein. Es geht immer weiter nach oben auf dem Pfad;
meine Quads brennen, und ich klettere mich selbst außer Atem. Es ist inzwischen
heiß, und ich habe schon über die Hälfte des Wassers ausgetrunken, das ich mir
mitgebracht hatte. Auch das habe ich vergessen – wie viel Wasser man braucht,
wenn man sich in der afrikanischen Sonne körperlich betätigt! Ich bin noch
nicht mal halb oben und muss bereits meinen Wasserverbrauch rationalisieren.
Jetzt nur noch ein Schluck pro Stopp. Der Pfad führt mich höher und höher, an
weidenden Rindern vorbei – der Rinderhirte versteckt sich vor mir, was mir
nicht unrecht ist – und es wird immer gebirgiger. Nach einer Zeit wird die
Vegetation dünner, wofür ich aufrichtig dankbar bin. Die Haut an meinen Armen,
Beinen und Händen blutet schon aus zahlreichen kleinen Kratzern und den
Einstichstellen von Dornen – es ist zu schön, nur noch durch halbhohes Gras zu
streunen, auch wenn die scharfen Grassamen die gereizte Haut meiner Beine
ebenfalls herausfordern. Der letzte Abschnitt bis hoch zum „Gipfel“ ist noch
einmal extrem herausfordernd. Ich klettere-rutsche-krabbele einen extrem
rutschigen Steilhang aus lockeren Schiefersteinen nach oben – man soll sich ja
eigentlich nicht umdrehen, ich tu es aber doch. Es ist seltsam, dieser Gedanke,
du könntest jetzt abrutschen und im schlechtesten Fall sterben, gepaart mit dem
kitzeligen Gefühl, dass das hier zwar höchste Konzentration erfordert, aber mir
nichts passieren wird.
Natürlich
komme ich sicher oben an. Schweißnass und keuchend genieße ich die Aussicht und
das berauschende Gefühl. So this is Great Rift Valley. Man sieht nach vorn so
weit über die graubeigen, staubigen Flächen, die ganz weit hinten durch eine
sanfte Bergkette begrenzt wird. Ich atme durch und trinke einen Schluck Wasser
mit dem Gefühl, dass ich den wirklich verdient habe. Ein schönes Gefühl, das
ich lange nicht mehr hatte… wann denkt man schon mal dankbar darüber nach,
Wasser trinken zu dürfen – normalerweise sorgt doch jeder immer nur mehr oder
weniger griesgrämig dafür, auf die empfohlenen 2-3 Liter pro Tag zu kommen.
Auf der
Ebene hier grasen Ziegen, leise bimmelnd mit ihren Glöckchen, und ich fühle
mich fast wie „zu Hause“ in den Alpen. Die beiden Ziegenhirten starten einen
kurzen gut koordinierten Versuch auf mich (als ich dem einen entkomme, ruft er
den anderen in Swahili dazu, der dann um die Ecke läuft um mich auf meinem
„Fluchtweg“ noch einmal abzufangen), aber sie lassen sich relativ problemlos
abwimmeln – das wäre in Südafrika vielleicht anders ausgegangen. Hier bemerkt
man schon deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern.
Über den
Rückweg will ich eigentlich gar nicht nachdenken. Der erste Teil war angenehm,
wie ein alpiner Abstieg eben, über Felsen und Sand und so weiter – der letzte
Teil gestaltet sich extrem nervtötend. Ich verliere wieder einmal meinen Pfad
und finde mich in den nervigen Dikdik-Tunneln wieder, und diesmal folge ich
ihnen eine gefühlte Ewigkeit, ohne Aussicht, jemals wieder herauszukommen. Irgendwann
bin ich so tief drin, dass es nicht einmal mehr Sinn machen würde, umzudrehen
und den Hang wieder hinaufzukraxeln – jetzt muss ich wohl durch. Spaß macht es
absolut keinen. Immer wieder schrabbele ich auf Po, Ellenbogen und Füßen durch
die kratzigen Tunnel, weil es nicht einmal im gebückten Zustand zu schaffen
ist. Ich höre auf zu zählen, wie oft mir ein scharfer Zweig ins Gesicht oder
gegen den Schenkel klatscht wie eine Reitgerte, wie oft ich mir die Haut
aufreiße oder mir Dornen in die Hände stoße bei dem Versuch, mich abzustützen. Ständig
muss ich mich gewaltsam durch Gestrüpp zwängen, das zur Strafe tonnenweise alte
Blätter, Zweigstückchen, Staub und Insekten auf mich herabregnen lässt. Diese
Mischung klebt hervorragend auf schweißfeuchter Haut, insbesondere im Genick,
auf der Kopfhaut und in der Unterwäsche, und sie sorgt für einen Juckreiz der
Extraklasse. Zwei- oder dreimal bleibe ich einfach mitten im Gestrüpp sitzen
und gebe mich meiner Frustration hin; ich könnte einfach hierbleiben, versteckt
irgendwo im afrikanischen Busch an einem Berghang kauernd…. aber es hilft ja
alles nichts, ich muss weiter. Außerdem gibt es am Haus Wasser – zu trinken und
in Form eines Quellsees, in den ich mitsamt meiner Unterwäsche einfach
hineinspringen werde. Der Gedanke daran motiviert definitiv.
Nach einer
gefühlten Ewigkeit lichtet sich das Gestrüpp - Halleluja! Ich habe mich noch
nie in meinem Leben so sehr darüber gefreut, aufrecht zu gehen. Eigentlich habe
ich darüber in 30 Jahren auch noch nie nachgedacht. Da sieht man’s mal wieder.
Nach einer
Weile aufrechten Ganges verkleinern sich die Pfade wieder zu Dikdik-Tunneln,
jedenfalls in die Richtung, in die ich eigentlich gehen sollte. Ich habe so die
Schnauze voll von Gestrüpp, ich will nicht mehr! Also beschließe ich, auf dem
einen sauberen Pfad zu bleiben, der zwar nicht in Richtung Haus führt… aber
irgendwann vielleicht ja doch… und so marschiere ich… und marschiere… ja, es
ist ein Pfad, auf dem man aufrecht gehen kann, aber er führt mich immer weiter
weg von meinem Ziel… und so beschließe ich letztlich doch, es noch einmal im
Gestrüpp zu versuchen. Bleib einfach immer auf offener Grasfläche, bleib immer
dort, wo du noch aufrecht gehen kannst und mehr als eine Richtung zur Auswahl
hast…. Ha, es funktioniert nicht. Nach einer Stunde gebe ich auf und kehre zum
Pfad zurück. Der Quellsee ist inzwischen zur fixen Idee geworden, und so gebe
ich meinen Plan auf, marschiere den ganzen Pfad zurück bis zu der Stelle, wo
ich vermeintlich am wenigsten Gestrüpp durchqueren muss um zum Haus zu gelangen
– und stürze mich noch einmal in die Dikdik-Tunnel. Augen zu und durch. Denk an
den See, denk an den Wasservorrat zu Hause. Natürlich komme ich irgendwann
durch.
Ich lande auf der anderen Seite des Zaunes, in einer Ansammlung von
sehr, sehr hübschen, traditionellen Massai-Hütten in the making (später lerne ich, dass es eine Lodge im Massai-Stil wird - kein Wunder). Die Arbeiter haben offenbar
Feierabend; ich beschließe, sie anzusprechen, bevor sie mich „entdecken“. Der
junge Mann, der etwas erschöpft aussehend auf der Bank den
Sonnenuntergang/Feierabend genießt, ist hilfsbereit und will mich sogar zum Tor
im Zaun begleiten. Ich bedanke mich, ich glaube ich finde es schon selber ;)
Ich weiß, ich bin extrem misstrauisch mit den Einheimischen; hin- und
hergerissen zwischen kulturell antrainierter, arglos-herzlicher
Fremdenfreundlichkeit und kühl-präventivem, abweisendem Selbstschutz. Dazu die
Gedanken, die mir einflüstern „du verhältst dich wie ein Rassist – würdest du
dich genauso verhalten, wenn er weiß wäre?“ – aber ganz ehrlich, lieber lebe
ich mit solchen Gedanken als mit (weiteren) schmerzhaften Erfahrungen mit
schwarzen Männern, und da ich als Deutsche tendenziell naiv und gutmütig bin (insbesondere
hier in Afrika), ist das die beste Strategie; zumindest wenn ich alleine bin. Der Liter
himmlisches Wasser, den ich herunterkippe, sobald ich fünf Stunden nach
Verlassen das Haus wieder betrete, und dann das anschließende Bad im Quellsee
werde ich wohl nicht so schnell vergessen. Allein für die Wertschätzung solcher
„trivialen“ Dinge hat sich der ganze Trip gelohnt!