Mittwoch, 26. Dezember 2012

We wish you...


Christmas time!

So  viel in meinem Leben hat sich verändert… so viel in mir hat sich verändert… der Mensch, der vor fast drei Monaten in Frankfurt ins Flugzeug gestiegen ist, ist irgendwo auf der Reise hierher verloren gegangen… nicht, dass ich nicht zurückblicken und ihn betrachten und verstehen kann, aber das bin nicht mehr ich… und ich bin sehr froh darüber. Und dankbar. I’ve grown up, in a way. And, for sure, I’m still growing up, but I can’t grow back.

Life is such a wonderful teacher. Ich bin hier nach Neuseeland geflogen, um Weihnachten am Strand unter Palmen zu feiern, im Bikini, umgeben von wunderbaren, glücklichen, feiernden Menschen, die mir zeigen, wie lebenswert das Leben ist, und die mir ulkige und spannende Kiwi-Weihnachts-Traditionen zeigen. Ich habe erwartet, dass ich auf diese Art und Weise ein glückliches Weihnachtsfest erleben werde. Exciting! Something to tell my friends, something to write on my very adventurous blog!

Stattdessen verbringe ich Weihnachten in einem durchschnittlichen, in not-really-matching-colors bemalten Farmhaus auf einem Hügel und es regnet den ganzen Tag so heftig, dass ich befürchte, wir müssen eine Arche bauen und den stinkenden West-Highland-Terrier, die beiden flauschigen Katzen und die Pferde und Kühe und die Ziege in Sicherheit bringen. Marzena sagt, es ist das erste Mal seit 11 Jahren, dass es in diesem Teil of New Zealand an Weihnachten regnet – die letzten Jahre haben sie immer am Strand gefeiert. (Ich glaube ja ernsthaft, dass am 21.12. etwas passiert ist; nicht der Weltuntergang, offensichtlich, aber eine feine Verschiebung der Planetenkonstellation, irgendetwas „Kleines“, Unsichtbares, das nicht zu verleugnende Auswirkungen auf die Erde und aufs Klima hat. Aber Schwamm drüber, jeder kann glauben, was er will. Ich persönlich halte es nicht für Zufall, dass es in Kerikeri regnet wie bekloppt, obwohl es heiß sein sollte, während es in Baden-Württemberg 15 Grad und Sonnenschein gibt, obwohl es winterlich sein sollte. Soviel dazu.)
Zurück zum Thema. Ich verbringe Weihnachten in einem durchschnittlichen, in not-really-matching-colors bemalten Farmhaus auf einem Hügel und es regnet. Zufällig ist direkt über dem Tisch eine undichte Stelle im Dach, sodass es kontinuierlich von der Decke tropft und zwar genau auf die drei Weihnachtskerzen, die Laszlo und ich heute im Supermarkt gekauft haben (um zumindest ein bisschen Weihnachtsstimmung zu kreieren). Petronella schiebt den Kerzenständer beiseite und stellt so routiniert eine Aluschüssel unter die tropfende Stelle, dass es überflüssig ist, zu fragen, ob das zum ersten Mal passiert. Und Marzena, die Hausherrin, ist hauptsächlich mit Weinen beschäftigt – klar, heute ist es soweit: Der erste Todestag ihres Ehemanns, der so wunderbar war und für die All Blacks gespielt hat und den sie so sehr vermisst, dass sie ziemlich viel Wein trinkt. Ich könnte also schreiben, dass ich ein ziemlich trauriges Weihnachtsfest erlebt habe. Das wäre aber ziemlich gelogen.

Wie ich schon sagte, life is a wonderful teacher (if you trust it, which I do). Umgeben von Umständen, die all dem widersprechen, was ich mir vorgestellt und gewünscht hatte, umgeben von all dieser Tragik, bin ich einfach nur unheimlich glücklich. Weil ich nicht das Gefühl habe, von Tragik umgeben zu sein. Meine Wahrnehmung hat sich verändert. Mein Platz im Leben hat sich verändert. Ich bin nicht umgeben von Tragik; ich bin umgeben von Schönheit, und Glück, und Liebe, und während ich das schreibe, spüre ich, wie wahr es ist. Unter dem tropfenden Dach essen wir ein wundervolles, wirklich, wirklich wundervolles Weihnachtsdinner, das Laszlo und ich servieren, weil Marzena nicht imstande ist, heute viel zu tun (sie hat aber gekocht und alles steht bereit, wir müssen nur das Fleisch schneiden). Und das bereitet mir viel mehr Freude als mich an den gedeckten Tisch zu setzen, weil Marzena und auch Petronella sich so sehr über den „Service“ freuen und sich ehrlich und herzlich bedanken. Das Essen ist köstlich!!! Als Vorspeise bekommen wir eine polnische Suppe serviert. Man denke an Maultaschen, nur etwas kleiner; polnische „dumplings“ nennt Marzena sie, und sie schwimmen in einer herrlich gewürzten, leicht glühwein-artigen Rote-Beete-Brühe. Man merkt, dass die Polen nicht so weit weg vom Schwabenland sind ;) Als Hauptgang servieren wir eine Lammkeule, die gemeinsam mit Kumaras (Kumaras!!! I looooove them!) in Rosmarin-Knoblauch-Zitronen-Grapefruit-Sauce schwimmt. Ich habe seit 3Wochen kein Fleisch mehr gegessen (nach Aio Wera hat mir irgendwie nichts Fleischiges mehr geschmeckt, obwohl ich alles immer wieder probiert habe und Marzena sogar deutsche Wienerle serviert hat). Aber als ich das Lamm probiere, bin ich wirklich begeistert! So zart, so raffiniert gewürzt, yummie! Hab lang kein so feines Fleisch mehr gegessen; und dazu Kumara, und die herrliche Sauce, und Zitronenstückchen, und Marzenas selbstgemachtes Chutney (eine wie Marmelade im Glas eingemachte ursprünglich indische Sauce, die die englischen Siedler nach Neuseeland gebracht haben. Darin tümmeln sich Zutaten wie Salz, Zucker, Chilli, Pfeffer, Ingwer, Kreuzkümmel, Kurkuma, Zitrone, Essig, Knoblauch, Zwiebeln, Kokos, Koriander, Tomaten und viel Pfirsich aus Marzenas Garten) Ein herrliches Christmas Menu! 

 Ich bin außerdem vollkommen fasziniert von Petronella. Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal so intensiven Kontakt mit einem sechsjährigen Mädchen hatte (wahrscheinlich, als ich selbst 6 Jahre alt war); aber sie zu beobachten, mit ihr zu spielen, zu basteln, zu essen, sie zu erleben, ist so unglaublich bereichernd! Obwohl Mami ziemlich traurig ist und es ja immerhin auch ihr Daddy ist, ist sie so frei und fröhlich und voller Liebe und Glück, und es ist einfach spürbar, dass das kein aufgesetztes „Ich bin stark obwohl Mami schwach ist“-Glück ist, sondern ungebrochene, kindliche Unschuld. Sie trägt ihr wunderschönes rotblondes Haar offen, höchstens mal mit einem geflochtenen Zöpfchen, und trägt fast immer flauschige, flatternde, flamboyante Kleidchen oder Röcke in Pink, Olivgrün, mit Rüschchen und Schleifchen. Ein einziges Mal hatte sie das Bedürfnis, mit mir über ihren Daddy zu reden; sie vermisst ihn schon, und sie ist traurig, dass sie ihn nicht mehr sehen kann; dennoch scheint es so einfach für ein Kind, zu akzeptieren, dass es ihm gut geht und er im Himmel ist und sie liebt und glücklich ist, sie zu sehen und zu beschützen. Ihr Glück, ihre positive Energie ist einfach so viel stärker als das „Bedürfnis“, unglücklich zu sein und zu trauern. Und das ist ehrlich, das ist echt, und deshalb ist es wunderbar. Ich mag dieses kleine Mädchen, und es ist herrlich, wenn sie völlig unschuldig und frei ihre Ärmchen um meinen Bauch schlingt (größer ist sie halt nicht) und „I love you!“ sagt. Deshalb habe ich auch am Weihnachtstag das große Bedürfnis, mit ihr was zu backen :D Vormittags „schwimmen“ Laszlo und ich also zum Supermarkt (ich erwähnte das bereits; da haben wir auch die Kerzen gekauft) und kaufen nochmal so richtig ein, bevor die Läden schließen. Wir arbeiten auch Marzenas Einkaufsliste ab, denn sie ist völlig un-imstande, heute das Haus zu verlassen. Ich erwarte eigentlich, dass eine Million Neuseeländer dieselbe Idee haben, so wie das in Deutschland ist, wenn man am 24.12. einkaufen geht (sozusagen die einfachste Variante, sich umzubringen; man wird einfach von gestressten Menschen plattgewalzt). Aber hier im neuseeländischen Supermarkt geht alles ganz friedlich zu, es sind zwar ein paar mehr Menschen am Start, aber man spürt den Unterschied zwischen den Einwohnerzahlen doch sehr deutlich…

Christmas Cupcakes :)
Ich kaufe also Zutaten für Schokoladen-Cupcakes, weil Petronella zu ihrem Geburtstag eine Cupcake-Maschine geschenkt bekommen und die noch nicht eingeweiht hat und sich das so sehr wünscht.  Und nach unserem wunderbaren Weihnachtsabendessen machen Petronella und ich Cupcakes, und ich genieße es so sehr, mit ihr zu backen :) Weil sie es auch genießt, mit mir zu backen, und mich so sehr ihre kindliche, ungebrochene Liebe spüren lässt. Ich will auch so sein! Ich will so lieben und leben und genießen können! Hach :) 

Und ich habe auch ein Geschenk für sie gebastelt; also ich als 6jährige hätte mich darüber tierisch gefreut! Ich habe eine Perle aus Ton geformt (in Aio Wera schon) und bemale sie jetzt in Pink und Rosa, und auf die eine Seite kommt eine gelbe Fee mit feenstaubsprühendem Zauberstab, und auf die andere Seite ein P.
Rosa ist wieder in!
Da es in Neuseeland (oder, wie Petronella sagt, „nisisa“) allerdings erst am 25. Geschenke gibt, feiern Laszlo und ich am 24. für uns allein Bescherung (mit einem Strauß wunderschön blühender Sommerblumen als „Weihnachtsbaum“, und mit Wunderkerzen, danke hierfür nach Sindelfingen ^^). 

Am 25. essen wir ein Weihnachts-Porrage (Petronella, Laszlo und ich. Wir kochen jeden Morgen für Petronella, weil Marzena aufgrund ihrer Depression immer erst gegen 11 oder 12 aufsteht). Mit Datteln, die ich gestern gekauft habe, und aufgeweichten Früchtekeksen, und Banane, und Kokosraspeln (ebenfalls gestern gekauft) und Ahornsirup, der hier in nisisa sehr beliebt ist. Petronella ist happy :) 

Gegen ein Uhr kommt dann Petronellas Freund mit seiner Mama, und sie fallen über die Cupcakes her und freuen sich und anschließend packen Marzena und Petronella ihre Sachen und hauen einfach ab – Marzena erklärt mir tränenüberströmt, wie ich die Katzen und den Hund füttern kann und dass wir alles essen dürfen, was wir finden, und sie wird heute Nacht oder morgen früh zurückkehren, und der Autoschlüssel steckt – und plötzlich sind sie weg! Hahaha :D Ist das cool oder was? Jetzt haben wir ein Haus und ein Auto in nisisa, und viel zu essen, und absolute, ungestörte, abgeschiedene Privatsphäre. Kann man sich was Schöneres vorstellen, am Fest der Liebe? Yeah! Merry Christmas everyone! 

Und wer nach diesen Ausführungen nicht versteht, warum ich ein absolut glückliches Weihnachtsfest verbringe, obwohl all meine Erwartungen unerfüllt geblieben sind… ach… :D …dem wünsche ich ein glückliches, liebevolles Weihnachtsfest. 

Und euch allen anderen sowieso :)

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