Donnerstag, 9. April 2015

Hanami



'Hanami' bezeichnet ganz allgemein das japanische Kirschblütenfest. Sei es nun in Form von picknick-artigem Zusammensitzen, Essen, Trinken und Grillen unter den Kirschbäumen zum Beispiel am Flussufer oder in Parks, oder mehr „organisierte“ Hanamis in Parks und Schreinen, wo Zelte (beinahe hätte ich „Bierzelte“ geschrieben ^^), Lampignons, kunterbunte dampfende Essensstände, rote Schirme und massenweise Tatamis die Szenerie dominieren.

Sobald die Kirschblüten, die „heiligen“ Sakura, in voller Pracht stehen, findet man überall unter ihnen blaue Plastikplanen, die die besten Plätze reservieren. Es sieht so aus, als würden die Japaner da wirklich Kampfgeist entwickeln, denn nicht nur Planen, sondern auch „Planenwächter“ reservieren den Platz unterm Kirschbaum meistens schon den ganzen Tag (und manchmal auch schon den vorherigen Abend. Das erkennt man vor allem an Schlafsäcken und sonstigen Utensilien, die auf eine Übernachtung hinweisen). Solche Wächter wären ja nicht nötig, wenn die sonst übliche japanische Höflichkeit regieren würde....?
Hanami-Platzreservierer am Ufer des Kamogawa (Fluss)
 Zur japanischen "Höflichkeit" (bin nicht ganz sicher, ob "Höflichkeit" das richtige Wort ist, auch wenn sie zweifelsohne ebenfalls sehr, sehr höflich sind) : Man kann tatsächlich in vielen Fällen das Fahrrad vorm Shop einfach un-abgeschlossen stehen lassen (wenn man gut drauf ist, sogar mit der Tasche vorne drin), und niemand rührt es an. Auch ganz coole Kindersachen, zum Beispiel ferngesteuerte Autos oder pinke leuchtende Roller stehen manchmal einfach so herrenlos herum – nicht einmal die Kinder tasten das Eigentum anderer Kinder an! (Das würde in Deutschland nie funktionieren. I bet.) Vielleicht gilt das aber nicht für blaue Reservierungsplanen unter Kirschbäumen :)

Die eher organisierten Hanami-Feste sind voller roter Zelte, in denen man Plätze mieten kann. Das sind sozusagen kleine Plattformen, wie Bühnen-Bauteile (falls das jemand kennt), und man kann dann eine bestimmte Quadratmeteranzahl reservieren. Da werden dann vom Veranstalter hübsch Tatamis draufgelegt plus ein „Gedeck“ in der Mitte mit einem Grillstein, und die Gruppe versammelt sich dann um den Grillstein, auf dem „Boden“ sitzend. Sie bringen viel zu essen mit, aber bestellen auch beim Veranstalter noch mehr.
In der Mitte sind kleine "Sitztische", wo man nur sitzt und nicht mit den Fuessen drauf geht. Am Rand sind die "richtigen" Tatami-Plaetze, wo Gruppen grillen und feiern koennen.

Natürlich sitzt man auf den Tatamis ohne Schuhe. Schuhe muss man ja praktisch überall und ständig ausziehen ;) Eigentlich wirkt es ganz natürlich – Schuhe sind schmutzig, kommen in Kontakt mit allem Möglichem, und wenn man auf demselben Tatami, auf dem das Essen steht, auch die Füße hat, sollten die natürlich sauber sein! In Deutschland hat man manchmal das Gefühl, es ist genau andersherum – wenn jemand die Schuhe auszieht, rümpfen alle die Nase… das mag aber auch daran liegen, dass die Fußpflege und Sockenhygiene in Deutschland sehr viel eher vernachlässigt wird als in Japan. Ich habe an mir selbst beobachtet, dass ich mir die Füße aufmerksamer wasche und jeden Tag besonderes Augenmerk auf Optik und Duft meiner Socken lege :D

Das erste Mal, als ich den Platz gesehen habe, waren die Kirschblüten noch nicht ganz offen.
Die Zelte etc. liessen aber schon eine bestimmte „Oktoberfest-Stimmung“ erahnen :)

Es gibt gar nicht viel Weiteres zu Hanamis zu sagen – die Fotos sprechen fuer sich! Wir haben einen Festgarten direkt um die Ecke und sind da ein paarmal hingegangen, weil es sooo schön ist!

Hammerschoene Atmosphaere
impressionistische Fotografie ;)
So sieht ein Hanami-Fest aus. Ich finde ja, mit einem LQ-Reiseobjektiv ohne Stativ lassen sich total impressionistische Effekte erzielen – ein fotografischer Monet-Effekt sozusagen *g*

...an zahlreichen "Fress-Staenden" kann man alles nur erdenkliche Exotische kaufen...
...unter anderem natuerlich auch japanisches Bier und Sake...
(ok, zugegeben, die Dose halte ich nur fuers Foto ^^)
Die Stimmung ist echt wundervoll. Alle sind fröhlich, freundlich und in Festlaune, aber alle sind trotzdem höflich, respektvoll und ruhig. „Keiner ist betrunken“ entspricht wahrscheinlich nicht der Wahrheit, aber niemand ist laut, grölt, pöbelt oder fängt an irgendeinen Scheiß zu machen. In den Gruppen (ich glaube, insbesondere den „Arbeitskollegenkreisen“) halten Leute Reden und dann klatschen alle, und natürlich hört man oft mal gemeinschaftliches Lachen. Aber insgesamt ist alles friedlicher, gesitteter. Keiner schubst, keiner drängelt, alle genießen einfach friedlich die tolle Atmosphäre. Die vielen Lampignons und stimmungsvollen Lichter kreieren eine richtige Märchenatmosphäre, insbesondere weil der ganze „Kirschblütenhimmel“, der sich über dem Fest erstreckt, von unten angeleuchtet wird und einen tollen Kontrast zum schwarzen Nachthimmel bildet. Dazu das viele Rot, die Schirme, Laternen mit japanischen Schriftzeichen bzw. Blüten drauf, der Dampf, der aus den Essensständen aufsteigt – optisch sieht das einfach genial aus.
Lampignons, Sakura, Vollmond
Rein geruchstechnisch ist es, insbesondere für meine Nase, auch ein Erlebnis. Überall werden Fleisch-und Fischstücke gegrillt (insbesondere die Fischstücke erweisen sich als äußerst vielfältig und oft auch äußerst viel-beinig oder –armig). An den Essensständen gibt es so viele Sachen, die ich noch nie gesehen geschweige denn gerochen habe, und ich würde mich am liebsten durch alle durchprobieren! (Okay, nicht alle.)  Zunächst fand ich insbesondere den markanten Geruch nach herb-rauchigem gegrilltem Tintenfisch seeehr gewöhnungsbedürftig, aber inzwischen mag ich ihn total gern. Er gehört zu diesen Festen irgendwie dazu. Also der Geruch. Den Tintenfisch selber (am Spieß, übrigens) würde ich Laszlo ja andrehen wollen, aber er hat irgendwie nicht dieselbe Begeisterung wie ich, wenn es ums Ausprobieren neuer Geschmäcker und Essensformen geht. Versteh ich gar nicht :D Ich finde jeden Reisball, jedes geräucherte Wurzelstück, insbesondere auch die viiiiielen Varianten von exotischen Süßigkeiten total spannend! Auch wenn wir Sushi essen, übrigens – für mich kommen ja nur ungefähr 3 von 200 Variationen in Frage, daher versuche ich ständig, Laszlo dazu zu überreden, die abenteuerlichen Kreationen mit den vielen Augen und Beinen zu probieren – hehe… (anschließend hänge ich fasziniert und gespannt an seinen Lippen: „Und? Und? Wie schmeckt’s?“ – „Nach Fisch.“ – „Okaaay, geht’s genauer?“ – „Probier’s halt, dann weißt du’s.“ ehehehe.)
Englische Beschreibung (die ganz und gar nicht selbstverstaendlich ist): "Glutinous Rice in Sweet Soy Sauce". Die klebrigen Kugeln wurden noch mit irgendeinem Pulver paniert - ganz lecker :)
 Wurzel (?) vom Grill mit einer leichten Sojasauce drueber, auch lecker!
Neben dem Hanami-Festplatz ist noch ein kleiner Sakura-Garten, durch den man spazieren kann, nachdem man sich den Bauch vollgeschlagen hat; voller kleiner Laternen, die von Kindern bemalt und gebastelt wurden, so süß! Das vorgegebene Thema war offensichtlich „Hanami“, denn alle malten das orangene Tor des Schreins, Kirschbäume oder –blüten, fröhliche feiernde Menschen usw. ^^ Am hinteren Zaun des Gartens ist noch eine Lampignonparade angebracht, und wenn man da durchschlendert, fühlt man sich wirklich wie in einem Feenland. Die Kirschblüten sind so märchenhaft, dazu das atmosphärische Licht, das wie immer saftiggrüne Moos und die filigranen Wurzeln, Farne und Äste…
Eingang zum Feenland
so beautiful...
Wenn man die Natur in Japan genau beobachtet, dann kann man vieles besser nachvollziehen, das in Japan so süß, so filigran, so rosa und – aus europäischer Sicht – oft „kitschig“ ist. Das Land und die Umgebung an sich zaubern einfach schon die passende Atmosphäre für juwelenbesetzte Prinzessinnen, rosaweiche Kätzchen und zuckersüße Kleinigkeiten, für unendlich reiche, überschäumende Schönheit … und für einen baldigen Tod nach sehr kurzem Leben. Die Kirschblüten erwartet dieses Schicksal nach grade mal 2 Wochen, und viele Samuraikämpfer, Krieger etc. haben sich an ihnen ein Vorbild genommen. Blühe in intensiver Schönheit, hinterlasse bleibenden Eindruck und stirb dann relativ schnell.
Aber noch blühen sie ja, und der Hype ist ungebrochen. Ich bin ja echt ein großer Naturliebhaber, aber wie die Japaner für ihre „Sakura“ abgehen, das muss man, finde ich, erlebt haben. <3








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen