Montag, 8. April 2013

Cabarita Beach - Reiten auf Rollmöpsen



Ich sitze am Pool mit einem Mango-Sojamilch-Smoothie, den ich mir gerade gemixt habe, und genieße die Sonne, die sich nach einer Woche Regen endlich wieder herausgetraut hat und somit genau die richtige Intensität hat, um mich ein bisschen zu wärmen ohne zu verbrennen. Bob, mein neuer Border-Collie-Freund, liegt neben mir im Schatten und hechelt ;) Vermutlich überlegt er gerade, ob es wirklich eine gute Idee war, mit mir in den Poolbereich des Gartens zu kommen… ganz schön warm… aber jetzt kommt er nicht mehr raus, denn hier ist alles Alice-sicher abgegittert.

Mein neuer Border-Collie-Freund (who is actually a Fake-Border-Collie)

Heute Morgen war ich mit Natasha, dem „Austauschkind“ der Familie, in Coolangetta beim Friseur, um meine über so viele Monate hinweg völlig verwilderte Haarpracht zähmen zu lassen… meine Haare haben sich glaube ich gefreut. Sind jetzt ganz weich und flockig.


Okay, ich versuche eine kurze Zusammenfassung der vergangenen Woche zu geben. Nachdem ich Karen, Wayne, Alice und Natasha ja auf dem gemeinsamen „Familienwochenende“ in Brisbane kennen gelernt habe, sind wir nach Cabarita Beach gefahren, wo die Familie wohnt. Zusammen mit Border Collie Bob, Golden Retriever Breeze, Katze Lucy und Katze/Kater Jibby, oh, und zwei Fischen in meinem Zimmer, die da im Aquarium ihre Bahnen schwimmen. Ich mag meine Fische – jeden Abend schalte ich Pumpe und Licht aus und jeden Morgen wieder an, und es sieht abends sehr schön aus, wenn alles dunkel ist und das Aquarium beleuchtet und die beiden Fischis auf sehr meditative Art durchs Wasser gleiten. Leider hat Karen die Fische vor drei Tagen mit Anti-Kakerlaken-Pulver vergiftet – sie hätte die Pumpe 24 Stunden nach der Kakerlakenaktion auslassen sollen, hat sie aber nach zwei Stunden wieder angeschaltet und prompt fing der orangene der beiden Fischis an, auf der Seite und später auf dem Rücken zu schwimmen. Es wurde immer schlimmer, ich habe ihn dann aus dem Aquarium in einer Eimer mit Frischwasser getan, in der Hoffnung, er erholt sich da wieder. Aber nachdem er zwei Tage lang im Eimer sein Sterben fortsetzte, hat Wayne ihn (glaube ich) erlöst. Jetzt habe ich noch einen Fischi, einen blauen. 
 
mein blauer Fischfreund ;)
 Karen ist Besitzerin/Leiterin des Kamilaroi Equestrian Centers, sie züchtet und mixt Percherons. Primär gibt sie Reit- und Voltigierstunden für Kinder und Behinderte, sie hat aber auch ein Show-Team, mit dem sie gemeinsam durch die Weltgeschichte tourt und Shows macht. Voltigieren, Trick Riding, Fahren, Roman Riding und Freiheitsdressur. Roman Riding ist das, was wir in Deutschland Ungarische Post nennen, und ich glaube, da kommt es auch her – ich weiß nicht, warum die Australier das den Ungarn aberkannt haben ;) Sie sind gerade dabei, zwei der Ponys für eine Show im Mai dafür zu trainieren. 

Ungarische Post im Stehen ;)

Ich bin primär für die Jungspunde und Dressurpferde zuständig. Eine interessante Erfahrung, einer vierjährigen, 700kg schweren Percheronwurst beibringen zu wollen, wie Dressur funktioniert ;) Es gibt aber auch ein paar Warmblüter, die ich arbeite, also alles dabei und sicherlich wieder eine super Gelegenheit für mich, zu lernen, zu lernen, zu lernen… manchmal reiten wir übrigens auch am Strand. Ja, die Erfüllung meines großen Traumes wiederholt sich… und ist immer noch genauso schön, auch wenn Strawberry Dan schon recht einmalig war. Hier reite ich meistens Pferde, die das Wasser noch nie gesehen haben oder sehr gruselig finden oder die es schon mehrfach geschafft haben, Reitschulkinder mit ihrem Getue einzuschüchtern bzw. abzusetzen. Demnach manchmal ein bisschen was zu diskutieren, aber die Percherons sind erstaunlich vernünftig… wenn man ihnen ruhig und sachlich erklärt, worum es geht, sagen sie in den meisten Fällen: „Ok! Gut! Kapiert!“ Und schlau und neugierig sind sie auch; der Charakter der Rasse ist durchaus sehr ansprechend, finde ich. Deshalb kauft wohl auch die hiesige Police Force immer wieder Pferde von Karen, sind zwar ein bisschen stattlicher, aber cool.
Gleich an meinem ersten Tag wurde leider über Nacht in Karens Sattelcontainer eingebrochen und alle guten Dressursättel wurden geklaut, sodass ich jetzt die Youngsters mit crappy-Reitschul-Ponysätteln reiten muss… hoffentlich kein Dauerzustand (um der Pferde willen; mir ist das nicht sooo wichtig). 
Hoffe dass ich von "meinen" Ponys bald Bilder posten kann!



Nachmittags gehe ich meistens mit Bob und Breeze an den Strand spazieren. Zu Fuß sind es etwa zehn Minuten bis dorthin, das mache ich aber nur, wenn ich nicht beide Hunde mitnehme. Die beiden wissen nämlich nicht, was "Leine" heißt. Karen fährt sie ausschließlich im Auto irgendwohin und lässt sie dann dort frei, d.h. zwei von denen, davon ein schier vor Freude ausflippender Golden Retriever, ziehen einen durch die Gegend wie eine Feder. Daher ziehe ich es vor, mit beiden Hunden das Auto zu nehmen… sehr praktisch, dass es ein Auto nur für Natasha und mich gibt. Da Natasha aber zuerst hier war, nutzt sie es fast immer – ist aber ok für mich, dann gehe ich eben nur mit Bob zum Strand, der ist eh cooler ;) Wenn auch weit, weit davon entfernt, die Bezeichnung „Arbeitsrasse“ zu verdienen. 

Cabarita Beach Suchbild: Where are Bob & Breeze?
 Anyway, ich liebe diese Spaziergänge! Es ist so energizing, inspirierend, befreiend, herrlich schön am Strand zu laufen, auch bei nicht so tollem Wetter; schon mal einen Regenbogen überm pazifischen Ozean bestaunt? Ich liebe den Ozean. So voller positiver, klarer, endloser Energie.

...just breathtakingly beautiful... was worth getting a bit wet!
 
Der Alltag ist sehr leger und familiär hier. Wayne ist Lehrer an der Grundschule im nächsten Dorf, Karen hat ihre Pferde; und dann haben sie natürlich noch Alice, die 24 Stunden pro Tag betreut werden muss. Interessant für mich, Einblicke in das Leben mit einem so schwer behinderten Kind zu bekommen. Alice kann nicht zur Schule oder in irgendeine Einrichtung, dazu ist sie zu schwer behindert. Sie könnte tageweise im Pflegeheim abgegeben werden, aber das wollen die Eltern nicht. Es gibt einen Home Care Service, der angerufen und stundenweise bestellt werden kann, und das wird vom Staat auch finanziell unterstützt. Ansonsten ist sie wie ein kleines Kind – sie schläft im ausbruchssicheren Gitterbett, muss gewickelt, gefüttert (per Drainage),  angezogen, gewaschen werden und ständig überwacht. Küche, Bad und Swimmingpool sind einbruchssicher gestaltet, mein Zimmer war es nicht, als ich ankam… ich ziehe also ein, lege all meine Kleider fein säuberlich in den Schrank, beziehe mein Bett, sauge Staub, packe meinen Laptop aus etc…. und gehe am nächsten Tag in den Stall zum Arbeiten; als ich zurückkomme, ist alles verwüstet, dreckig und voller Sabber…. Das geht halt mal gar nicht, egal ob das jetzt ein behindertes Kind ist oder ein Kleinkind. Wayne hat zum Glück eine Idee parat und baut an meine Türen kleine Riegel ein, die somit auch mein Zimmer einbruchssicher gestalten. Mittlerweile habe ich mich auch daran gewöhnt, dass während ich am Laptop arbeite, ein sabberndes „Kind“ vor meiner Glastüre sitzt und mit der Faust gegen die Scheibe klopft… ja, das macht Alice gerne. Sie wummert auch gegen die Badezimmertüre, wenn man duscht, weil sie es liebt zu baden und immer dann daran erinnert wird, wenn Natasha oder ich „ihr“ Bad benutzen (Wayne und Karen haben ihr eigenes). Ja, so ist das. Und wann immer keine Betreuung da ist, wird Alice mitgenommen. Im Auto ist sie relativ einfach zu händeln, Karen schließt einfach die Tür ab und schnallt sie an und gibt ihr ein paar Kleinkinderspielzeuge, und da sitzt sie dann stundenlang. Manchmal darf sie aber auch mit, z.B. zum Einkaufen, da wird sie dann in ihren Rollstuhl fixiert. Jap, so ist das. Was mit Alice ganz bemerkenswert ist: Sie ist so selten schlecht drauf! Kein Weinen, Schreien, Protestieren, auch wenn man ihr was verbietet, was sie gerne tun würde (z.B. meine Glastür einschlagen).  Trotzdem frage ich manchmal, wie so ein Mensch die Welt wahrnimmt….


Nun ja, insgesamt kann ich also berichten: Alles super hier, I have the wonderful ocean close by, I have horses, dogs, cats, 1 fish, wonderful food and a lot of freedom. And today there’s even a bit of sun which was very rare through the last week!



So I can send a few shy sunbeams to Germany…



All the best :)

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