Morgens
genießen wir noch einmal das fantastische Frühstücksbuffet im Hotel. Dafür muss
man sich schon mindestens eine Stunde Zeit nehmen… aber so viel, wie man da
gerne essen würde, passt sowieso nicht rein ;)
Mein
nächster helpx-Platz ist ein Pferde-Zentrum in Cabarita, close to Byron Bay;
oder, genau genommen, relativ mittig wischen Byron Bay und Gold Coast. Ganz neu
auf helpx (was, wie bereits mehrfach erläutert, meistens eher gut ist), und sie
haben mich angeschrieben, weil ihnen mein Profil gefiel (was keine Seltenheit
ist, ich bekomme Milliooooonen von Anfragen; aber diese klang recht prima!). Karen,
die Dame, mit der ich in Kontakt bin, wird mich am Sunshine Coast Airport
abholen; genau dort, wo Rebecca oder Alex mich wieder abliefern sollen.
Eigentlich perfekt geplant.
Aber
wie das so ist im Leben, manchmal (meistens?) gibt’s spontane Planänderungen –
bevor ich nach dem Frühstück meinen Laptop zuklappe und als letztes Packstück
in meinen Rucksack stopfe, erhalte ich noch eine Email von Karen, Wortlaut etwa
der: „Wir schaffen es nicht zum Sunshine Coast Airport, reise doch bitte nach
Brisbane, wir haben Zimmer gebucht im Riverside Hotel, Southbank. Wir kommen
dorthin, so bald wir können.“ – Ähm ja, gut… Glücklicherweise lässt sich alles
hervorragend regeln, ganz ohne Panik; Rebecca fährt Jill und Ronan sowieso nach
Brisbane an den Flughafen, dort werden die beiden von ihrem Sohn abgeholt, und
tada, ihr Sohn wird mich ebenfalls abholen und direkt zu meinem Hotel fahren.
Ist das Service, oder was? :) Manchmal ist so ein bisschen Dankbarkeit
gegenüber der Fügung durchaus angebracht.
So
stehe ich also, gänzlich unerwartet, bereits gegen zehn an der Rezeption des
Riverside Hotels in Brisbane, Southbank. Sieht ganz okay aus, das Hotel.... mit
Pool und schönem Empfangsbereich. Der Portier ist leider vollkommen nutzlos,
aber ich kann ihn dazu bewegen, meine Rucksäcke in Verwahrung zu nehmen und mir
zu erklären, wo ich bin und wo ich hin kann, bis ich um zwei einchecken darf.
Er gibt mir eine Karte und ich marschiere los. Ich muss zugeben, ich bin total
geflasht, plötzlich bin ich in Brisbane, schlafe wieder in einem Hotel, und,
äh, ja – ich bin in Brisbane.
Und da gibt es einen Fluss, dessen Namen ich
nicht kenne, aber er ist leicht zu erraten (kann ich ja jetzt, nachdem ich ihn
gegoogelt habe, behaupten): Brisbane River. Spacige Brücken, und auf der
gegenüberliegenden Uferseite quetschen sich Hochhäuser zu einer hübschen
Skyline zusammen. Es sieht so aus, als wäre zwischen den Häusern kein Platz
mehr für Straßen, denn die sind im Achterbahn-Flair über den Fluss gebaut, in
gebogenen, schlängeligen Straßen bzw. Brücken, oder Brückenbahnen. Sieht spacig
aus! Alles ist irgendwie wellig, und spacig, und leicht überdimensioniert, und
die ersten paar Minuten, die ich am Flussufer entlanglaufe, komme ich mir vor,
als wäre ich auf einem anderen Planeten platziert worden. (Das liegt aber
sicher auch daran, dass mein Plan völlig zunichte gemacht wurde – Pläne sind
doch so wichtig und unverrückbar! *g*) Ich sehe nur Palmen, Riesenräder,
Hochhäuser, krumme Straßen, wellige Brücken und viel Wasser…
Space-Straßen überm Brisbane River |
…und
dann werde ich vollkommen überrascht: Ich stoße auf ein vollkommen
un-australisches Tempelgebäude, das da einfach so am Flussufer steht!? Ich bin
sofort und unerklärlicherweise vollkommen fasziniert. Neugierig marschiere ich
hinein und erfahre, dass hier in Brisbane, Southbank, 1988 die World Expo
stattgefunden hat und man dafür diesen Tempel nachgebaut hat. 80 Tonnen Holz
wurden aus Nepal eingeschifft, die über mehrere Jahre von über hundert Familien
mit Ornamenten beschnitzt und beschmückt wurden. Die Pagode ist gebaut nach dem Vorbild des heiligen Pashupatinath Tempels in
Kathmandu, in den nur Auserwählte Zutritt haben. Cool. Ich sitze eine Weile
innerhalb der Pagode und lasse die unerklärliche, starke Energie des dunklen
Holzes auf mich wirken.
Ok,
weiter geht’s; ich erkunde nach und nach das ganze Southbank District und bin
total überrascht und geplättet – was für ein attraktives, hübsches Fleckchen
Stadt! Herrliche Parkanlagen mit „Rainforest Walks“, Wiesen, Sitzgelegenheiten,
wunderschönen Pflanzen und künstlichen Flüsschen und Teichen und Grotten mit Wasserfällen,
massig Kinderspielplätze, gut besuchte Grill-Stationen, wo fröhliche asiatische
und indische Gruppen feiern, und sogar eine öffentliche Badeanlage, die super
ist! Besser als die meisten Freibäder, mit drei Becken und Wasserspielen und
so, und einfach so mitten in der Stadt; man läuft dran vorbei, wenn man zum
Shopping marschiert oder zur Uni, und kann einfach kurz die Schuhe ausziehen
und durchs seichte Wasser waten.
öffentliche Pool-Landschaft |
City-Beach (mit Brisbane River im Hintergrund) |
Die Leute sind entspannt, fröhlich, und
überraschend multikulturell. Klar, auch hier Asiaten, aber auch viele andere
Kulturen, viele Inder, viele Maoris (zumindest sehen sie so aus), viele
Touristen. Schon nach sehr kurzer Zeit muss ich mir eingestehen: Ich liebe es! Die
Leute sind happy, sozial, nutzen die zahlreichen super Angebote, die ihnen
kostenlos zur Verfügung stehen, freuen sich, feiern, genießen. Viele
Straßenkünstler sind unterwegs, die die Leute unterhalten, und es gibt einen
Markt, ooooooh! Total toll. Herrliche Gerüche wabern durch die Straßen, von heißem
Mais und Zimtgebäck und internationalem Zeugs.
In einem offenen kleinen Stadium
übt eine Gruppe Jugendlicher sehr ehrgeizig irgendein Tanzprojekt ein, Street
Dance, und ich setze mich auf die Stufen und schaue eine Weile zu (die Kids
sind nachmittags noch da, und am nächsten Tag wieder! Es muss also ein ziemlich
großes Projekt sein!).
Southbank is alive! Pulsating, breathing, celebrating.
Ganz ehrlich: Brisbane ist meine bisherige absolute australische
Lieblingsstadt! Es gibt ganz viele hübsche Straßencafés, meistens mit
Flussblick, und überall latschen riesige weiße schlucksige Vögel rum, die
keinerlei Respekt vor Menschen zu haben scheinen. Ich finde sie cool.
Schlucks-Vögel auf Café-Tischen |
Um
eins werde ich sooo müde, dass ich einfach nur noch schlafen will (Ortswechseln
macht mich immer müde, und sei es nur von Noosa nach Brisbane!) Ich würde gerne
im Hotel einchecken und einfach schlafen, vielleicht ja um zwei dann; vorerst setze
ich mich in den nepalesischen Friedenstempel und tu so, als würde ich mit
geschlossenen Augen meditieren. Mir egal, dass ständig Touristen rein- und
rauslaufen. Nach kurzer Zeit bin ich restlos eingenickt; ich würde gerne
wissen, auf wie vielen Touristenfotos jetzt eine „meditierende“ Kathi zu sehen
ist, hahaha :D Etwas später wache ich auf (klick-klick-klick; es gibt also auch
Touristenfotos von einer aufwachenden Kathi) und wechsle den Schlafplatz, die hölzerne Bank ist auf Dauer doch ungemütlich. Ich schlurfe auf eine der Wiesen mit Sitzgelegenheit und schlafe dort weiter. Geweckt werde ich, weil ein Typ neben mir sitzt. Mit Gitarre. Oha! Ich freue mich vor allem über die Gitarre. Bald kommt ein weiterer Typ mit Gitarre, er hat sogar dasselbe T-Shirt. Ich freue mich immer noch über die Gitarren. Als aber nach und nach immer mehr Menschen imselben T-Shirt einlaufen und eine weitere Lady mit Gitarre, komme ich doch mal auf die Idee, die T-Shirt-Aufschrift zu lesen. Ich bin von einer kirchlichen Glaubensgruppe umringt! Oha! Bevor sie dann aber anfangen zu lobpreisen, mache ich mich vom Acker in Richtung Hotel. Ich würde
einfach nur gerne einchecken und schlafen; der nutzlose Portier kann mir aber
leider nicht helfen, und als ich ihn frage, ob es eine Möglichkeit gibt zu
telefonieren, um zu erfahren wann Karen kommt, zuckt er nur die Achseln. So, du
nutzloser Portier, jetzt bist du in meinem Blog als solcher verewigt.
Klitzekleine, ebenfalls nutzlose Genugtuung meinerseits :P
Zum Glück fährt nur
wenige Minuten später ein Nissan Geländewagen vor die Rezeption, yeah – Karen
& kids arrived! Ich lerne Karen kennen, eine etwas überdimensionale Dame,
die man sich auf Percherons (Kaltblutrasse, die sie züchtet) gut vorstellen
kann. Ich lerne Wayne kennen, Karens Ehemann, der kein Wort mit mir spricht.
Ich lerne Natascha kennen, das 21jährige „Austauschkind“ aus den Niederlanden,
die jetzt schon fünf Monate bei der Familie wohnt. Und ich lerne Alice kennen.
Alice ist Karens und Waynes jüngere Tochter (die ältere ist bereits
ausgezogen). Alice ist 19 und schwerbehindert; sie sitzt im Rollstuhl, wird durch
eine Magensonde ernährt, trägt Windeln, sabbert und gibt (manchmal recht hochfrequente)
Kreischlaute von sich. Wayne, Karen und Alice teilen sich einen Raum und
Natascha und ich. Natascha hat eine erfolgreiche Voltigierkarriere in den Niederlanden
hinter sich, der Grund, warum sie bei Karen gelandet ist; Karen züchtet Percherons
für Showauftritte, d.h. Voltigieren, Trickreiten, Freiheitsdressur und „Roman
Riding“ (in Deutschland nennen wir das Ungarische Post, ich weiß nicht, wieso
die Australier das den Ungarn aberkennen; sind die Römer wirklich auch so
geritten?).
Nun
ja. Ich habe kurz Zeit, die Hoteldusche zu testen (kalt bitte sehr, um etwas aufzuwachen!),
dann ziehen wir wieder los. Nix mit Schlafen. Wir schauen uns alles nochmal an,
was ich morgens schon bestaunt habe, nur oberflächlicher ;) Interessant zu
sehen, wie andere Menschen dieselben Dinge komplett anders (oder gar nicht)
wahrnehmen. Der wundervolle Nepal-Tempel interessiert zum Beispiel keinen,
dafür wollen Karen und Natascha sofort Riesenrad fahren. Also fahren wir Riesenrad.
Alice kreischt und freut sich, und Karen drückt statt dem Klimaknopf den
Notfallknopf. Jap. Das ist eine ziemlich gute Einstimmung auf das, was mich
erwartet. Auf
dem Markt bekomme ich dann einen 50-Dollar-Schein in die Hand gedrückt „See what you
want to eat“ – äh, cool! Danke :D
Dann
fahren wir mit der Fähre auf dem Brisbane River. Auch ziemlich cool in
Brisbane, es gibt eine kostenfreie Fähre, den „City Hopper“, der die wichtigen
Stadtteile um den Fluss verbindet. Ich finde das sehr schön und es gibt der
Stadt einen tollen Charakter, dass alles so um den Fluss angesiedelt ist.
Brisbane City Hopper |
Wir
gondeln also „irgendwohin“ (ich dachte, Karen und Wayne kennen sich aus) und
suchen dort nach „Essbarem“, was aber leider scheitert, weil wir halt eben „irgendwo“
sind und es da nichts „Essbares“ gibt, nur teure Hotels und ein Restaurant, wo
eine Hochzeit stattfindet. Es wird gerade dunkel, alle Lichter gehen an, und
ich werde nie die zauberhafte Szene vergessen, wie der Hafen mit den
Segelbooten im Dunkeln zu leuchten beginnt. Oh mein Gott, sowas Wunderschönes,
Romantisches, und die Braut und der Bräutigam stehen am Ufer, ziemlich genau an
der Fähren-Haltestelle, wo wir warten, und machen Fotoshooting. Leider habe ich
meine Kamera im Hotel gelassen, so kann ich diese wundervollen Bilder leider
nicht mit euch teilen, aber sie bleiben in meinem Kopf, forever. Man könnte meinen, wir sind mit Absicht hier gelandet, an diesem Fähren-Anlegepunkt "irgendwo", wo nichts "Essbares" ist, dafür aber diese herrliche Szene. Ausnahmsweise
bin ich übrigens auch mal perfekt angezogen, nicht zu warm und nicht zu kalt.
Der Abend ist herrlich schön, und jemand hat einen Dudelsackspieler für das
Brautpaar engagiert, der zum Wasser heruntergelaufen kommt und die Atmosphäre
einfach noch schöner macht. Die Braut ist leider unheimlich gestresst und
scheint alles überhaupt kein bisschen genießen zu können; ich dafür umso mehr! Als
wir dann auf die Fähre kraxeln, klettere ich gleich hoch aufs Deck. Brisbane
bei Nacht vom Fluss aus. Definitiv einer meiner sehr epischen
Australien-Momente. Ohne Foto, natürlich. Aber wirklich, wirklich atemberaubend
schön. Alles beleuchtet, in bunten Farben, blaue Bäume, rosa Gebäude, weißstrahlende
Brücken, tausend Lichter, und alles spiegelt sich im Fluss wieder. Sooo schön.
Ich suche ein Bild aus dem Internet für euch.
Brisbane at night (Copyright: somebody else) |
So
war’s, nur noch viel schöner.
Wir
legen an einer Uferpromenade an, wo sehr viele sehr teure und sehr volle
Restaurants in den schönsten Lampignonfarben leuchten. Es dauert eine Weile,
bis wir einen Platz bekommen (Samstag vor Ostern, und wir haben nicht
reserviert). In einem sehr exklusiven Seafood-Restaurant, nu ja, mir soll’s recht
sein, ich komme ja grade von einer Luxus-Reittour ;) Karen und Natascha sind
leicht peinlich, sodass der Kellner schließlich ziemlich angenervt von unserem
Tisch ist… aber das Essen ist erste Sahne, ich genieße und würde am liebsten
meinen Teller ablecken ;) Meine drei Tischkollegen lassen jeweils den größten
Teil ihres viel teureren Essens einfach zurückgehen; sie ziehen Pommes dem fein
gekochten Gemüse vor. Welcome to a new world, Kathi. Again.
Dann
Rückfahrt auf dem Fährendeck bei Nacht. Aaaahhh…
Anschließend
Schlafen im Hotelzimmer mit einer mir völlig fremden Niederländerin ;) (Twin,
wohlgemerkt!) Ist aber total egal, ich bin so müde, dass ich schlafe wie ein
Stein.
Am
nächsten Morgen wollen wir eigentlich zum (großen) Markt in Brisbane, aber der
findet dieses Wochenende nicht statt. Tja, Pech. Und für mich auch nicht so wichtig;
wir essen ein wunderbares Frühstück am Fluss in einer unheimlich schönen
Frühstücksbar (Bircher Müsli mit Apfel und Erdbeere, lalalalaaaaaaa) und
schlendern dann eben nochmal über den kleinen Markt auf der Southbank-Seite.
Mir wird zum ersten Mal in meinem Leben bewusst, dass Städte voll sind mit
Treppen. Alles ist voller Treppen! Wayne ist sehr routiniert, aber für mich ist
es gänzlich neu, ständig nach dem Rollstuhlfahrer-Zeichen, dem Aufzug, der
Rampe zu suchen. Einblick in ein ganz anderes Leben. Mit Rollstuhl. Ich weiß,
es mag makaber klingen, aber ich bin so, so dankbar, dass ich das auf diese Art
kennen lerne und nicht direkt „am eigenen Leib“ erfahre. Mein Bewusstsein ist
geschärft – ich sehe, dass diese Dinge existieren, und ich werde ausführlich
Zeit haben, den Alltag mit einem schwerbehinderten Kind kennenzulernen und zu
erfahren, wie das Leben (auch) sein kann. An dieser Stelle möchte ich ganz kurz
eine großzügige Brise Dankbarkeit unter meinen Blog-Lesern verstreuen: Wir
können wirklich dankbar sein, für jeden Tag, an dem wir atmen, fühlen, stehen, gehen,
lachen, denken, essen, auf Toilette gehen, mit Freunden lachen, und wir können
ebenso dankbar sein für die Gesundheit eines jeden Menschen, den wir lieb
haben.
So,
genug davon ;)
Das
war mein Brisbane-Abenteuer. Ich kann Brisbane, insbesondere mit Nacht,
wirklich nur empfehlen. Tolle Stadt, tolles Feeling, toller Nepal-Tempel mit Schlafmöglichkeit ;)
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