Ich sitze am bzw. im Flughafen in Sydney, Domestic Terminal 2, und frühstücke einen genmanipulierten Apfel. Also, es war kein Sticker drauf „Beware – this apple was genetically manipulated“, sondern (natürlich) „We are proud to announce that this apple is 100% Australian“… aber er glänzt wie mit Wachs poliert, selbst nach mehrmaligem Waschen, und ist außen von schönstem knackigem Rot und innen teilweise braun. Das schaffen nur genmanipulierte Äpfel, glaube ich. Normale Äpfel sehen außen nicht so hochglanz-knackig aus, wenn sie innen braun sind. Naja, was zählt, ist der Geschmack, und in diesem Punkt ist der Apfel zumindest erkennbar.
Was
Flughäfen angeht, stelle ich heute Morgen fest, dass ich (beinahe, also schon
fast) ein Routinier geworden bin. Kein wildes Herzklopfen mehr, wenn ich die
Eingangshalle betrete; ruhiges und gelassenes Feststellen, dass dies das
internationale und nicht das domestic Terminal ist; gemütliches Hinunterfahren
zu dem Trams; Kaufen eines aufgrund der Flughafensteuer völlig überteuerten
Tickets; am Domestic Terminal angekommen, routiniertes Checken des korrekten
Terminals, ohne in einer Ecke stehenzubleiben und fieberhaft das
Reservierungsticket zu studieren; am Terminal angekommen, sehr routiniertes
Ein- und Umpacken von Hand- und Board-Gepäck sowie Einpacken des Backpacks in
seine Flugreisetasche; Self-Check-In an einem der zahlreichen
Check-In-Automaten; Schleppen des nunmehr nur noch durch Griffe tragbaren
Backpacks zum Baggage Drop; fröhliches Anlächeln der Stewardess (hübsch!),
Aushändigen des vom Self-Checkin ausgehändigten Boardingpasses, freudiges
Augenkontakthalten und Lächeln, während die Stewardess meine 2kg Übergewicht
anstandslos durchgehen lässt; dann durch die Bodycheck-Kontrolle, Laptop raus,
Bauchtasche ab… wieder freundliches Anlächeln mit Augenkontakt aller
Beteiligten; nach problemloser Annahme all meiner Gepäckstücke zügiges
Verpacken derselbigen, und schnellstmögliches Davonlaufen OHNE Augenkontakt
(die Bombenschnüffler lauern direkt nach der Bodycheck-Kontrolle, und wenn man
da zu lange verweilt, auf jemanden wartet oder überhaupt den Eindruck macht,
man hätte zu viel Zeit oder wäre ein zu gut aufgelegter Mensch, dann wird man
postwendend abgefischt und zu einer unnötigen, aber aufwändigen
Sprengstoffkontrolle abgezogen, wo man in einem Nebenzimmer Formulare
unterschreiben und anschließend, im schlechtesten Fall, Rucksäcke öffnen und
Dinge herausholen und ebenfalls öffnen muss…. Ich lande völlig unversehrt im
Duty-Free-Bereich, bin aber heute so dermaßen routiniert, dass ich keine Lust
habe, durch die Shops zu schlendern, mir die Essensstände anzuschauen etc… ich
laufe geradewegs durch zu den Gates, sogar ohne auf den Rollbändern zu spielen…
und da bin ich nun, und gerade, während ich schreibe, wie routiniert alles ist,
landet ein Spatz neben mir auf der Armlehne! Hahaha :D Okay, DAS ist neu… Hallo
kleiner Freund, was machst du denn hier? Ich möchte hiermit hinzufügen: Nur
weil ich von Routine schreibe, heißt das keineswegs, dass ich gelangweilt oder
abgestumpft bin – nur entspannt! Überraschungen sind, wie mich der kleine Spatz
soeben erinnert hat, dennoch oder gerade deshalb jederzeit herzlich Willkommen.
Gate 26, Sydney Airport. Voll spannend. |
Ich
habe im Airport Hotel übernachtet wie eine Große und gestern Sydney erkundet,
nachdem ich gestern Morgen in aller Herrgottsfrühe mit dem Bus von Canberra
nach Sydney gegondelt bin. Dazu sollte ich erwähnen, dass bei meiner Abfahrt in
Canberra zirka sieben oder acht Grad herrschten; als ich in Sydney aus dem Bus
steige, sind es 28! Ich ziehe mich erst mal um, dann fange ich an zu überlegen,
wie ich eigentlich vorhatte, mit meinen zwei Rucksäcken vom Flughafen (wo der
Bus mich abgeliefert hat) zu meinem Flughafen-Hotel zu kommen, das offenbar
keineswegs direkt am Flughafen ist… nach einigem Herumfragen und –laufen finde
ich den richtigen (öffentlichen) Bus, fahre zum Hotel, wo ich von der
Haltestelle zur Rezeption auch noch einige Meter zurücklegen muss, und bin beim
Einchecken so klatschnass durchgeschwitzt, dass ich nur noch duschen und mein
T-Shirt waschen will. Mein Wunsch geht nach einiger Wartezeit dann auch in
Erfüllung. Lucky me, Hotel-Check-In ist eigentlich erst ab 14 Uhr, aber um kurz
nach 11 verlasse ich frisch geduscht und mit nichts als ein bisschen
Stadtgetäschel mein Hotelzimmer :) An der Bushaltestelle erklärt mir ein
freundlicher Japanese, wie ich zum Zug und von dort zur Stadtmitte gelange, and
here you go.
So
stehe ich kurz vor Mittags plötzlich in Sydney, DEM Sydney, und fühle mich
leicht geflasht und überrumpelt. Manchmal dauert es ein bisschen, bis ich
tatsächlich realisiere, was ich gerade tue… Tja, das ist also Sydney. Wenn ich
das nicht wüsste, würde ich übrigens glauben, ich wäre irgendwo in Japan; ich
schätze, 95% aller Menschen hier auf den Straßen sind entweder Asiaten oder
Touristen… hin und wieder schnappe ich deutsche Sätze auf (deutsche, hektische
Sätze wie „Also wenn wir jetzt hier so runter laufen, kommen wir zum Opernhaus,
das schauen wir uns von 12.45 bis 13.00 Uhr an, dann müssen wir weiter zum
Botanischen Garten, da essen wir Mittag im Tropencafè, danach machen wir dies
und das…..“
Ich
tigere erst einmal mehr oder weniger ziellos durch die verworrenen Straßen des
Zentrums… was für ein knallender Kontrast diese Stadt ist zum sterilen, grauen
Canberra… während in Canberra alles sauber, ordentlich, strukturiert, geplant,
übersichtlich ist, jede Straße präzise verlegt und ihre Richtung genauestens
vorhersagbar, ist in Sydney alles… spontaner. „Sydney just happened“, sagen
sie, und genauso fühlt sich die Stadt an. Die Innenstadtstraßen erinnern an
Pan’s Labyrinth, so als hätte einfach immer mal wieder jemand irgendwo ein Haus
gebaut und dann festgestellt, dass er eine Straße braucht, die zu seinem Haus
führt… also baute man eine… wenn dann jemand unmittelbar daneben ein Haus
baute, stellte man fest, dass die Straße, die zum Nachbarhaus führt, für dieses
Haus leider nicht nutzbar ist, also baute man noch eine Straße… Ich stelle
fest, dass Gedankengänge wie „Ich bin jetzt auf der Parallelstraße links zu der
Straße, die zum Opernhaus führt, also laufe ich die einfach entlang und biege
irgendwann rechts ab, um auf der Opernhaus-Straße zu landen“ in Sydney nur mit
sehr, sehr viel Glück funktionieren… Es gibt keine Parallelstraßen, und wenn,
sind sie nur für einen unabsehbaren Streckenabschnitt parallel, dann biegen sie
plötzlich in eine ganz andere Richtung ab oder wenden einfach um 180° Grad… Fazit:
Ich hüte meine kleine Sydney-Karte, die mir Laszlo in weiser Voraussicht
geschenkt hat, wie einen Schatz ;)
Ja.
Und dann komme ich am Opernhaus an. Es sieht genauso aus wie auf den Fotos. Ich
mache ein, zwei Fotos, die genauso aussehen wie die anderen Fotos, nur der
Himmel ist nicht so blau. Ich könnte mich jetzt künstlich auslassen über die
erstaunliche und ausgefallene Architektur dieses kulturellen Wahrzeichens, aber
ich habe keine Lust. Schlagt einfach einen beliebigen Sydney-Stadtführer eurer
Wahl auf und ihr könnt nach Herzenslust über die Faszination dieses
Jahrhundertgebäudes nachlesen. Ich lasse mich eher faszinieren von der Umgebung
des Gebäudes. Ja, für eine Großstadt ist das definitiv ein sehr hübsches
Fleckchen.
Opernhaus auf der einen Seite, Harbour Bridge auf der anderen,
dazwischen die U-förmige Uferpromenade mit Hafen und massenweise Touristen
(insbesondere auch hier wieder Asiaten), nette Cafés, wo man zu Spottpreisen
Eis und Kaffee ersteigern kann… ich ersteigere mal lieber nur 350ml Wasser für
$4,20 (!). Ich setze mich auf die Mauer, die dazu dienen soll, kleine (und
große) Kinder vom ins-Wasser-fallen abzuhalten, und absorbiere die Atmosphäre.
Also eins muss man ganz klar sagen: Sydney is alive. Und damit meine ich nicht
nur die Touristenattraktionen. Die Stadt pulsiert wie ein riesiges Bienennest,
alles ist in Bewegung, so viele beschäftigte Menschen überall, so viel Entertainment,
so viele multikulturelle Seelen auf einem Haufen. Während ich das alles auf
mich wirken lasse, mache ich zwischendurch immer mal wieder Fotos von Leuten,
die mir ihre Kamera in die Hand drücken („First the bridge please“….. „And now
the opera house“). Hatte ich zuvor noch die Überlegung angestellt,
zurückzufragen, ob sie auch ein Foto machen können – nach dem zwanzigsten Foto
mit unterschiedlichem Foto-Vordergrund verwerfe ich diese Idee. Ich brauche
kein Guck-Kathi-war-am-Sydney-Opera-House-UND-an-der-Harbour-Bridge-Foto.
Harbour Bridge ohne Katharina im Vordergrund |
Auf
dem Rückweg ins Stadtzentrum schlendere ich durch die Royal Botanical Gardens,
DAS ist vielleicht schön :) Schon in Melbourne war der botanische Garten
wirklich toll, und der hier ist auch wirklich toll… wie Wilhelma, nur fast noch
besser!
Ich halte mich eine ganze Zeit lang darin auf, beobachte die Menschen,
die Pflanzen, die tollen Chamäleons, die überall rumlaufen – das ist übrigens
ein bisschen witzig… es gibt wirklich einige in diesem Garten, die sitzen
einfach auf Steinen und so, aber die Leute sehen sie nicht! Ich suche mir eins
aus, um ein Foto zu machen (oder zwei, oder drei)… ganz vertieft in das
Tierchen, die Farben, die Augen, die Struktur der Haut… bin fertig und
zufrieden mit meinen Fotos, komme aus der Hocke hoch, drehe mich um – und muss
beinahe loslachen vor Überraschung! Hinter mir hat sich eine Schlange von
Touristen gebildet, alle mit gezückten Fotokameras, die am Ende der Schlange
wissen nicht mal, worum es überhaupt geht und versuchen neugierig einen Blick
nach vorn zu werfen, um die große Attraktion schon mal zu erblicken… hahahaha
:D Ich gebe mir Mühe, nicht zu breit zu grinsen, lasse die Touristenschlange
alleine, laufe genau fünf Meter weiter zum nächsten Chamäleon (das nach wie vor
keiner erblickt hat) und eröffne eine zweite Schlange. What a lot of fun!
Please queue to take a picture of this little friend here... |
Nach
dem Botanischen Garten schaue ich mir noch ein paar Shops an. Das Auffälligste
hierbei ist, dass es nicht einfach eine Shopping Mall gibt wie anderswo. Nein,
man läuft auf der (vermeintlichen) Haupt-Fußgängerzone, findet einen
interessanten Shop, läuft rein, schaut sich alles an, läuft zum zweiten Eingang
wieder raus und stellt fest, dass man plötzlich a) in einem riesigen
Indoor-Einkaufszentrum oder b) in einer anderen Fußgängerzone ist… man kann sich
echt verirren in all den Shops :)
Ja,
im Großen und Ganzen und in Bemühung um eine einigermaßen kurze
Zusammenfassung: Das war mein Tag im legendären Sydney. Eine schöne Stadt,
groß, bunt, lebendig, international (but mainly asiatisch), mit definitiv schönen
Flecken, Tausenden von Shops und einem absolut labyrinthischen Straßennetz.
Ich
fahre mit dem Zug zurück nach Arncliffe, mein Airport-Hotel-Vorort, und bin
müde ;)
Am
nächsten Morgen – der ist heute – Checkout, Busfahrt zum Flughafen, Zugfahrt
zum Domestic Terminal, ….. aber die Geschichte kennt ihr ja schon. Ist das
nicht schön, ich habe eine Ringgeschichte geschrieben! Sie kann für immer und
ewig im Kreis gelesen werden. Also: Jetzt einfach wieder von vorne anfangen.
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