Wenn
Pferde am Start sind, kehrt der Alltag besonders schnell ein... so kommt es mir
jedenfalls vor. Ich kenne die wichtigsten der 33 Pferde, weiß, was ich mit welchem
Kandidaten arbeiten muss, aber die Hälfte der Pferde ist sowieso platt oder
(noch) nicht reitbar.
Bill hat eine Menge junger Pferde, die er größtenteils
selbst züchtet, und mit denen er seine Philosophie testen möchte („Wenn ich
einem jungen Pferd Dressurgrundlagen beibringe und es dann auf die Rennbahn
schicke, wird es sich nach seiner Rennkarriere innerhalb von 2 Tagen wieder an
die Dressurgrundlagen erinnern und als normales Reitpferd nutzbar sein.“). Ich
finde den Ansatz nicht dumm, verstehe aber in erster Linie nicht, warum man
Pferde überhaupt auf die Rennbahn („Trek“) schicken muss (Ja, ok, gut: PREISGELD.).
Mit den größtenteils 6- bis 9jährigen Pferden, die ihre Rennkarriere beendet
haben, versucht Bill dieses von ihm so genannte „Racehorse Outplacement
Programm“, kurz ROP, zu manifestieren.
Das Problem ist nur: Die Pferde, die auf
dem „Trek“ waren, sind alle a) bescheuert und b) platt. Mag sein, dass sie sich
teilweise an ihre Dressurgrundausbildung erinnern (manche hatten auch keine, wenn
sie älter sind als Bills Programm), aber sie haben trotzdem alle einen
eingebauten Brain-ON/OFF-Schalter, den man umlegen kann – insbesondere durch
Galopparbeit. Außerdem gehen sie meistens innerhalb weniger Tage nach
Wiederaufnahme der Dressurarbeit lahm. Ich weiß nicht, was Bill vor uns für
helper hatte, aber alle Pferde, die ich unter dem Sattel habe, wurden vor mir
eine Zeitlang überhaupt nicht oder sehr schlecht geritten – das heißt, ich
arbeite sie weich, das dauert ein paar Tage, dann haben sie meistens einen oder
zwei richtig gute Tage, wo ich denke „Jippie, es hat sich gelohnt“, und dann
sind sie lahm.
Was Bill so vom Renngeschäft und vom Trek erzählt, erklärt aber
auch alles – und ich höre mir ja alles relativ vorurteilsfrei an. Fazit nach
vorurteilsfreiem Anhören: Ich verstehe diese Rennerei nicht und halte das
Business im Großen und Ganzen für Tierausbeutung und definitiv nicht
pferdefreundlich (jaaa, mag sein, dass es ein oder zwei Leute in Australien
gibt, die Pferde freundlich, geduldig und vernünftig trainieren, aber die sind
definitiv die große Ausnahme!). Ich verstehe auch nicht, wie man seine Pferde
in irgendwelche Ställe schicken kann, wo Jockeys pro Ritt fünfzehn Dollar
bekommen und daher 4 Pferde pro Stunde reiten – zack, zack, zack. Resultierend
daraus haben die meistens Pferde, die vom Trek zurückkommen, irgendwelche
Verhaltensschäden (wir haben zB einige Steiger), weil sie sich vor Schlägen
fürchten. In den verschiedensten Situationen flippen sie einfach aus, z.B. beim
Betreten von anderem Untergrund (erinnert sie an das Betreten der Rennbahn, wie
Bill sehr wohl weiß). Ich verstehe auch nicht, wieso in Victoria nur auf der
linken Hand geract wird – all unsere „Rennveteranen“ können nur geradeaus, auf
der Vorhand und linksherum galoppieren und sind meistens dann auch vorne links
lahm (trotz ihrer eventuell vorhandenen Dressurgrundausbildung).
"Liam", auch ein Racehorse-Outplacement-Kandidat - nach ein paar Tagen ging er richtig gut, dann war er lahm :P (...das fünfte Pferd, das nach ein bisschen Arbeiten nicht mehr ging) |
Im Grunde geht
es also beim Reiten dieser Pferde nur darum, die seelischen und physischen
Schäden, die sie durch ihre Rennkarriere davongetragen haben, auszubügeln oder
zumindest zu minimieren. Am meisten genieße ich aus diesem Grund meine beiden „Babys“,
die noch vollkommen unbedarft und unverdorben sind – der dreijährige „Cyclone“
und der zweijährige Hengst „Goldy“. Cyclone kann schon geritten werden, er hat
ein vollkommen naives und liebes Gemüt und ist nicht auffallend schlau, aber
unglaublich knuffig. Er gibt sich auf jeden Fall Mühe ;) Leider soll er
demnächst auf den Trek... ich lasse das nicht an mich heran, was soll ich auch
machen; schade ist es trotzdem um ein junges, gesundes, friedfertiges und
dressurbegabtes Pferd. So friedfertig wie der ist, wird der eh nix gewinnen...
kann ihn mir schon auf der Rennbahn vorstellen: „Holla, holla, wo wollt ihr
denn alle hin?“ Und dann wird er wahrscheinlich von seinem
15-Dollar-per-Ride-Jockey verdroschen („Run, you idiot!“) Seufz.
Ponyreiten mit Schutzweste ;) |
Goldy versteht noch nicht ganz, was ich da oben will... |
...laaaaangweilig! |
Wenn man ein bisschen auf Bills Cyberhorse-Website stöbert,
bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele verschiedene Helpers/Volunteers
und somit verschiedene Kenntnisstände die Ex-Rennpferde nach ihrem
Rennkarriere-Schaden noch ertragen müssen... die beste Re-Trainings-Methode
bzw. Schadensbegrenzung ist das sicherlich auch nicht... ob man solche Pferde
in Australien wirklich noch verkauft bekommt? Wen’s interessiert, das ist Bill’s
Website: http://rop.cyberhorse.com.au/
Ich
versuche das ganze als Lern-Erfahrung hinzunehmen, denn lernen tu ich auf jeden
Fall von den Pferden, auch wenn sie gestört sind... und die gefährlichen
Pferde, die z.B. nur auf zwei Beinen unterwegs sind, reite ich einfach nicht (mehr)
;) Dazu ist mir mein Leben viel zu wertvoll!
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