Freitag, 25. Januar 2013

The Big Racehorse Business



Wenn Pferde am Start sind, kehrt der Alltag besonders schnell ein... so kommt es mir jedenfalls vor. Ich kenne die wichtigsten der 33 Pferde, weiß, was ich mit welchem Kandidaten arbeiten muss, aber die Hälfte der Pferde ist sowieso platt oder (noch) nicht reitbar. 

Bill hat eine Menge junger Pferde, die er größtenteils selbst züchtet, und mit denen er seine Philosophie testen möchte („Wenn ich einem jungen Pferd Dressurgrundlagen beibringe und es dann auf die Rennbahn schicke, wird es sich nach seiner Rennkarriere innerhalb von 2 Tagen wieder an die Dressurgrundlagen erinnern und als normales Reitpferd nutzbar sein.“). Ich finde den Ansatz nicht dumm, verstehe aber in erster Linie nicht, warum man Pferde überhaupt auf die Rennbahn („Trek“) schicken muss (Ja, ok, gut: PREISGELD.). Mit den größtenteils 6- bis 9jährigen Pferden, die ihre Rennkarriere beendet haben, versucht Bill dieses von ihm so genannte „Racehorse Outplacement Programm“, kurz ROP, zu manifestieren. 

Das Problem ist nur: Die Pferde, die auf dem „Trek“ waren, sind alle a) bescheuert und b) platt. Mag sein, dass sie sich teilweise an ihre Dressurgrundausbildung erinnern (manche hatten auch keine, wenn sie älter sind als Bills Programm), aber sie haben trotzdem alle einen eingebauten Brain-ON/OFF-Schalter, den man umlegen kann – insbesondere durch Galopparbeit. Außerdem gehen sie meistens innerhalb weniger Tage nach Wiederaufnahme der Dressurarbeit lahm. Ich weiß nicht, was Bill vor uns für helper hatte, aber alle Pferde, die ich unter dem Sattel habe, wurden vor mir eine Zeitlang überhaupt nicht oder sehr schlecht geritten – das heißt, ich arbeite sie weich, das dauert ein paar Tage, dann haben sie meistens einen oder zwei richtig gute Tage, wo ich denke „Jippie, es hat sich gelohnt“, und dann sind sie lahm. 

Was Bill so vom Renngeschäft und vom Trek erzählt, erklärt aber auch alles – und ich höre mir ja alles relativ vorurteilsfrei an. Fazit nach vorurteilsfreiem Anhören: Ich verstehe diese Rennerei nicht und halte das Business im Großen und Ganzen für Tierausbeutung und definitiv nicht pferdefreundlich (jaaa, mag sein, dass es ein oder zwei Leute in Australien gibt, die Pferde freundlich, geduldig und vernünftig trainieren, aber die sind definitiv die große Ausnahme!). Ich verstehe auch nicht, wie man seine Pferde in irgendwelche Ställe schicken kann, wo Jockeys pro Ritt fünfzehn Dollar bekommen und daher 4 Pferde pro Stunde reiten – zack, zack, zack. Resultierend daraus haben die meistens Pferde, die vom Trek zurückkommen, irgendwelche Verhaltensschäden (wir haben zB einige Steiger), weil sie sich vor Schlägen fürchten. In den verschiedensten Situationen flippen sie einfach aus, z.B. beim Betreten von anderem Untergrund (erinnert sie an das Betreten der Rennbahn, wie Bill sehr wohl weiß). Ich verstehe auch nicht, wieso in Victoria nur auf der linken Hand geract wird – all unsere „Rennveteranen“ können nur geradeaus, auf der Vorhand und linksherum galoppieren und sind meistens dann auch vorne links lahm (trotz ihrer eventuell vorhandenen Dressurgrundausbildung). 

"Liam", auch ein Racehorse-Outplacement-Kandidat - nach ein paar Tagen
ging er richtig gut, dann war er lahm :P (...das fünfte Pferd, das nach
ein bisschen Arbeiten nicht mehr ging)
Im Grunde geht es also beim Reiten dieser Pferde nur darum, die seelischen und physischen Schäden, die sie durch ihre Rennkarriere davongetragen haben, auszubügeln oder zumindest zu minimieren. Am meisten genieße ich aus diesem Grund meine beiden „Babys“, die noch vollkommen unbedarft und unverdorben sind – der dreijährige „Cyclone“ und der zweijährige Hengst „Goldy“. Cyclone kann schon geritten werden, er hat ein vollkommen naives und liebes Gemüt und ist nicht auffallend schlau, aber unglaublich knuffig. Er gibt sich auf jeden Fall Mühe ;) Leider soll er demnächst auf den Trek... ich lasse das nicht an mich heran, was soll ich auch machen; schade ist es trotzdem um ein junges, gesundes, friedfertiges und dressurbegabtes Pferd. So friedfertig wie der ist, wird der eh nix gewinnen... kann ihn mir schon auf der Rennbahn vorstellen: „Holla, holla, wo wollt ihr denn alle hin?“ Und dann wird er wahrscheinlich von seinem 15-Dollar-per-Ride-Jockey verdroschen („Run, you idiot!“) Seufz.

Ponyreiten mit Schutzweste ;)
Der kleine Goldy kann noch gar nichts; wir haben ihn gerade erst an den Reiter gewöhnt. Er ist ein superhübscher 2010er-Fuchshengst, meiner Meinung nach eins von Bills besten Pferden, und hat einen super Charakter (Motto: Bei Unsicherheit einfach stehen bleiben). Macht Spaß mit ihm zu arbeiten. Bill hat offenbar schon erkannt, dass meine Ideen und Vorschläge öfters ganz gut fruchten, und ich glaube er schätzt mich auch reiterlich, jedenfalls lässt er mich (nach sinnvoller Begründung und Erklärung) meistens das machen, was ich für richtig halte. Und das funktioniert auch ganz gut ;)

Goldy versteht noch nicht ganz, was ich da oben will...
...laaaaangweilig!
Wenn man ein bisschen auf Bills Cyberhorse-Website stöbert, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele verschiedene Helpers/Volunteers und somit verschiedene Kenntnisstände die Ex-Rennpferde nach ihrem Rennkarriere-Schaden noch ertragen müssen... die beste Re-Trainings-Methode bzw. Schadensbegrenzung ist das sicherlich auch nicht... ob man solche Pferde in Australien wirklich noch verkauft bekommt? Wen’s interessiert, das ist Bill’s Website: http://rop.cyberhorse.com.au/


Ich versuche das ganze als Lern-Erfahrung hinzunehmen, denn lernen tu ich auf jeden Fall von den Pferden, auch wenn sie gestört sind... und die gefährlichen Pferde, die z.B. nur auf zwei Beinen unterwegs sind, reite ich einfach nicht (mehr) ;) Dazu ist mir mein Leben viel zu wertvoll!

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