Ich bin ganz schön traurig, das verkünden zu müssen, aber
Lizzys Zeit auf der Farm neigt sich ihrem Ende zu… sie hat gute Freunde in
Windhoek, die sie besuchen möchte, bevor sie zurück nach Kapstadt fliegt, und
weil ich auch gerne ein bisschen mehr von Namibia sehen möchte, klinke ich mich
mit ein. Wir buchen den „Sleepliner“ von Karasburg nach Windhoek und machen uns
auf eine acht- bis neunstündige Busfahrt gefasst… allerdings über Nacht. Red
fährt uns nach Karasburg und wir warten im Auto, bis der Bus ankommt – das ist
wohl auch die einzige Chance, zu überleben. Es ist Freitagabend und Karasburg
ist, um milde Worte zu benutzen, unheimlich. Ich bin ziemlich sicher, wenn Red
uns einfach abgesetzt hätte, hätten wir echte Überlebenskünste und viel Glück
gebraucht, denn die (ausschließlich schwarzen) Leute, die hier abhängen, sind
nicht nur gelangweilt und verzweifelt, sondern auch betrunken (mindestens). In
den fünf Minuten, in denen wir vom Auto auf den Bus umsteigen, werden wir
sofort von seltsamen Männern angelallt, aber die Busfahrer händeln das ganz
professionell. Ich bin diesmal nach Afrika gegangen mit der Mission, mir
Stachelschweinstacheln wachsen zu lassen, und das war ein gutes Übungsfeld:
Auch wenn der Typ nur zehn Zentimeter von deinem Gesicht entfernt ist – das
Beste ist, nicht zu reagieren und schnell und sauber dein Ding durchzuziehen,
um von da wegzukommen. Ich hätte am Flughafen, als der Typ einfach mein Gepäck
snatchte und davonrannte, auch ein paar mehr Stacheln ausfahren sollen! Aber
damals war ich geflasht und müde und mir war heiß und, soweit ich mich erinnere,
auch nicht so gut. Mir sei verziehen.
Die Fahrt im Sleepliner ist total angenehm! Man kann die
Sitze zurückstellen und die Beine hochlegen und Lizzy und ich kuscheln die
ganze Nacht auf einem bunt zusammengewürfelten Haufen vor uns hin. Am Morgen holt
uns Ulrike, Lizzys Freundin, vom Bus ab. Sie hat gerade ein paar schwere
Schicksalsschläge erlitten und braucht dringend gute Energie, und davon haben
wir viel J
Ulrike hat einen 21jährigen Sohn und eine 17jährige Tochter mit Pferd und
stellt sich als unheimlich liebe Gastgeberin heraus. Wir genießen den Komfort
eines normalen Stadtlebens von ganzem Herzen: es ist nicht so heiß die Tage
(nur ca. 25-30 Grad), man kann die Temperatur in der Dusche einstellen und
unter richtig fettem Wasserstrahl duschen, man kann sich anschließend mit
Bodylotion eincremen und es bleibt nicht sofort eine zentimeterdicke
Staubschicht darauf kleben, wir schlafen (gemeinsam, weil wir so gut im
Kuscheln sind) in einem richtigen sauberen Bett mit Matratze und Bettdecke,
Ulrike hat eine tolle Kaffeemaschine, in der Stadt kann man Eis kaufen, und
Schnürsenkel, und ein neues Duschgel (Haferduft!) und Zahnpasta, die Familie
hat eine Haushaltshilfe, die für uns kocht und abwäscht und unsere Wäsche in
der Waschmaschine(!) wäscht… ja, es bringt mich auch zum Lachen, wenn ich das
so lese, aber all diese „Kleinigkeiten“ haben mich so erfreut! Insbesondere
sauber zu sein und die Wäsche mal richtig zu waschen (meine Shorts sind
eigentlich hellblau. Im letzten Monat hatte ich den Eindruck gewonnen, sie sind
beigefarben) ist schön!
Joggen hat mir auf der Farm allerdings besser gefallen. Ich
würde nicht sagen, dass ich mich unwohl/bedroht gefühlt habe, aber es ist schon
was anderes, wenn man von den Hauptstraßen und den „Arbeitswegen“ der schwarzen
Arbeitern wegbleiben muss, aber trotzdem immer in der Nähe von Häusern… Lizzy
hat mir in diesem Bereich so viel voraus, sie ist ein fertig ausgewachsenes
Stachelschwein und „streetwise“ und hat in Südafrika gelernt, dass Höflichkeit
nicht immer die sichere Variante ist. „That’s nothing to do with racism!” Als
ich am nächsten Morgen alleine joggen gehe, verstehe ich, was sie meint – jedes
Mal, wenn ich an jemandem vorbeijogge, senke ich den Blick oder starre stoisch
geradeaus. Kein Augenkontakt, kein Grüßen. Das geht mir ein bisschen gegen
meine gute deutsche Erziehung, aber es stimmt, dass ein Augenkontakt von der
falschen Person als ein heißer Flirt interpretiert werden kann (…und dann erst
ein Gruß!). Obwohl ich meine zarten langsam wachsenden Stacheln stolz
ausgefahren habe, werde ich angehupt, bepfiffen und mit aufheulendem Motor und
Warnblinke überholt. Das tut ganz offensichtlich nicht weh, but you get the
idea. No risk please.
Weil ich grade keine Lust auf ganze Sätze habe, mache ich
euch eine kurze Liste der Dinge, die ich in Windhoek genossen habe:
-
Ulrike, Tara und Mario; man kann sie schnell ins
Herz schließen und ich habe die Zeit mit ihnen sehr genossen! (sie sprechen
übrigens Deutsch untereinander und nur für Lizzy Englisch; ich brauchte ein
bisschen, um mich umzugewöhnen, aber meiner deutschen Zunge haben die
Lockerungsübungen sicher nicht geschadet)
-
Ulrikes Katzen! Mal wieder so richtige
Schmusekatzen durchzuknuddeln war so schön! Ich liebe Katzen!
-
Die „einfachen Freuden der Zivilisation“ habe
ich ja schon aufgeführt
-
Das milde Wetter
-
Ulrike hat eine kleine Windhoek-Sightseeingtour
mit uns gemacht, die ich sehr genossen habe; auch wenn die Deutschen in den
Museen und auf den Denkmälern nicht gut wegkommen…
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Bananen-Honig-Sesam-Shake im Arts-/Crafthouse in
Windhoek, ein sehr schnuckeliger Platz, wo man lokale Kunst und Handgemachtes
kaufen kann und im Café auf dem Balkon sitzen kann (und ALLE sprechen Deutsch…)
-
Wir sind mit Tara in den Stall gefahren, um
ihren tapsigen Warmblüter kennenzulernen, und ich habe ihr eine Reitstunde
gegeben, in der sie sich super angestellt hat (während ihr Schnuffel über fünf
Zentimeter hohe Cavalettis stolperte ;) )
-
Wir haben den Zuchtstall besucht, wo sie ihr
Pony her hat, und ich habe mich über Warzenschweine, Kudus, Oryx, Fohlen und
Kühe gefreut (ich durfte ein Kälbchen mit der Flasche füttern, aaaaaaw!)
-
Tara hat uns sehr leckere „Crunchies“ gebacken
-
Frühstück in Windhoek im deutschen Café
Schneider – again: alle sprechen Deutsch… und hinter mir ein beleibter Herr in
den Fünfzigern mit Bier und Zeitung am Frühstückstisch, und als die Bedienung
ihn fragt, ob er noch etwas möchte, sagt er (auf Deutsch und mit
herzerfrischender Inbrunst): „Ich bin zufrieden!“
-
Eisessen in Windhoek (ich habe seit ca. 3 Jahren
kein Eis mehr gegessen; no sugar, no dairy vertrug sich nicht so gut mit Eis –
aber jetzt bin ich ja wieder ganz normaler Vegetarier ;) )
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Turnen in Ulrikes hauseigenem Pilatesstudio und
Ausprobieren ihrer ganzen Pilatesgeräte
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Eine Yin-Yogastunde
-
Zu sehen, wie Ulrike vom ersten Tag bis zum
letzten immer lebendiger und positiver wurde (to be continued!)
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Die ganze Familie war von Herzen amüsiert über
den Exklusivkurzfilm, den Lizzy und ich gedreht haben (ich habe ihr „mein
kleiner grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists auf Deutsch beigebracht und
sie auf der Gitarre begleitet – schweigend, weil ihr „Deutsch“ so herrlich ist)
und zum Abschied hat uns Ulrike jeweils einen Mini-Stoff-Kaktus geschenkt <3
Meine Stacheln wachsen! Watch out man!
-
Ein
herrliches Abendessen im „Stellenbosh“, einem sehr schönen
Café/Restaurant/Weindings mit tollem Ambiente, für das man in Deutschland mehr
bezahlen würde! Wer in Windhoek ist, sollte sich das definitiv anschauen
(Freitag, Samstag, Sonntag reservieren!). Ich habe eine superleckere und
definitiv ausreichend große Pizza mit Rucola, gebackener Rote Beete und
Butternuss, parmesanähnlichem Käse, Feta, Knoblauch und Tomate vertilgt (und a
bisserl Rotwein :D )
-
Ich habe mir zumindest Mühe gegeben, neue
Laufschuhe zu finden – dass meine alten alt sind, lässt sich jetzt nicht mehr
leugnen…
-
Noch viiiiel mehr…
Was nicht auf diese Liste passt, aber dennoch erwähnenswert
ist: Windhoek ist viel deutscher als ich dachte! Ich habe mir in Berlin eine
Dokumentation angeschaut „Auf den Spuren der Deutschen in Windhoek“ oder so,
und da kam das überhaupt nicht rüber!!! Die machten in der Doku einen
Riesenaufwand, wenn sie was Deutsches fanden, dabei findet man in Windhoek
genauso einfach was Deutsches wie in Berlin :D Deutsche Cafés, Shops, Produkte,
Dienstleistungen, Straßen- und Gebäudenamen, und natürlich deutschsprachige
Menschen – literally everywhere. In Taras Stall habe ich fast vergessen, wo ich
bin – wenn ich nur über die Kakteen, die Palmen und das „undeutsche“
Vogelzwitschern hinwegsehe, fühle ich mich total in Deutschland. Alles grün,
Reitplatz, deutsche blonde Ponymädchen, Warmblüter (aus aus Deutschland
importiertem Samen)… ich weiß nicht, ob ich das gut oder seltsam finden soll ;)
Was ich persönlich noch erwähnenswert finde, weil es mich zutiefst
beeindruckt hat: Lizzy hat den süßesten Kanarienvogel der Familie geköpft. Sie
hatten fünf Kanarienvögel in einem Käfig, und eines Tages war der, den ich am
meisten mochte, plötzlich ganz zerrupft und elend. Er saß auf dem Boden und
atmete schwer, und nach einer kurzen Inspektion durch Lizzy (die ich auch hätte
machen können, weil es leider recht offensichtlich war) stellte sie die
folgende Diagnose: Bein gebrochen und Flügel ausgerissen. Offenbar hat eine
Katze oder ein anderer Räuber versucht ihn zu schnappen und den Flügel
gevespert. Es war offensichtlich, dass der Vogel schwer litt und nicht
zusammenflickbar war, und ich wünschte, ich könnte in so einer Situation
handeln – aber ich konnte nicht mal zusehen, als Lizzy ihm dem Kopf abschnitt.
Sie beerdigte ihn und pflanzte ein paar Blümchen auf seinem Grab… vielleicht
lernt man sowas, wenn man eine Tierarzthelferin-Ausbildung macht… ich wünschte,
ich könnte das auch, ehrlich gesagt. Das war das dritte Mal, dass ich wirklich
froh war, dass Lizzy schwer leidende Kreaturen erlösen kann (1. Gecko, 2.
Riesenheuschrecke, 3. Kanarienvogel!), wenn es so ganz offensichtlich das
einzig Richtige ist. Respekt kleine Lizzy.
Jetzt sitze ich im Shuttle nach Swakopmund – und Lizzy im
Flieger nach Kapstadt. Ich hab sie wirklich unheimlich liebgewonnen und werde
dafür sorgen, sie bald wieder zu sehen. Love you little Lizzy J
In Swakopmund werde ich drei Nächte verbringen – so richtig
als Tourist, aber in der Wohnung von Ulrike, die sie mir liebenswürdigerweise
zur Verfügung stellt – und ich freu mich schon, den Ozean zu sehen. Swakop
liegt an der Westküste Namibias und jeder sagt mir, es ist schön dort und man
kann sogar im Ozean schwimmen! Morgen soll es richtig heiß werden, da ist
bestimmt ganz Swakop im Wasser J
Ulrike hat mir einen Stadtplan gezeichnet inklusive der BESTEN EISDIELE DER
WELT MIT AUSRUFEZEICHEN und einem Shop, auf den ich mich riesig freue, weil ich
mich in Taras Armbänder verliebt habe, die sie dort gekauft hat… we’ll see!
We’ll see!
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