Samstag, 29. April 2017

Back To The Wild


Nach vier Tagen auf Etusis mit Lotte ist die schöne Zeit leider schon vorbei… ich habe es sehr genossen, den ganzen Komfort der Lodge inklusive Swimmingpool, lecker Essen, hausgemachter Milch und Sahne, klimatisiertem Schlafzimmer (!), süßen Ponys und guter Gesellschaft… am Tag meiner Abreise fährt Lotte mich nach Karibib, von dort fahre ich mit dem Shuttle zurück nach Windhoek zu Chameleon Backpackers, wo Kris und Karlene (die Aussies ;) ) schon auf mich warten. Lustiger Weise brauche ich fünf Minuten, bis ich das Gefühl habe, wieder Englisch zu verstehen – ich habe, außer wenn ich mit Lizzy sprach, fast 2 Wochen lang Deutsch gesprochen!
Das Backpackers ist sehr hübsch und freundlich und kann absolut empfohlen werden. Ich habe einen Dorm Room gebucht, wo ich allerdings nur schlafen werde – die restliche Zeit kann man an der Bar, am Pool, in einer gemütlichen Sofaecke oder bei Chris und Karlene in ihrem „Luxuszimmer“ mit Outdoordusche verbringen. Wir gehen gemeinsam nach Windhoek, um Besorgungen zu machen, und ich schaffe es tatsächlich mir neue Turnschuhe zu kaufen *Highlight des Tages* (das ist nicht so einfach in Afrika, wenn man Schuhgröße 42 – für Laufschuhe eher 42,5 – hat, aber trotzdem gerne den Damenschnitt möchte, weil man aus dem Herrenschnitt hinten rausrutscht… offenbar haben die Frauen in Afrika nicht solche Riesenlatschen wie ich). Abends gehen wir noch einmal herrlich indisch essen (es kommt mir vor wie die Abschiedsfeier vom zivilisierten Leben), dann verbringe ich meine erste Nacht ever im Dorm Room (der deutsche Bub ist ein Schlafwandler und amüsiert mich köstlich, während die junge Dame im oberen Stockbett schnarcht wie ein Walross) und am nächsten Morgen starten wir früh, um den Bus/Shuttle zurück nach Karasburg zu catchen.

Ich weiß nicht, ob ich grade die Geduld habe, vom Bus nach Karasburg zu erzählen, aber es würde sich für euch lohnen. Von Karasburg nach Windhoek sind wir ja mit dem klimatisierten und bequemen Sleepliner gefahren – nun, retour fahren wir mit dem lokalen Shuttle, das Chris und Karlene ausfindig gemacht haben. Es ist billiger und wir sind die einzigen Weißen, und ich weiß auch warum. Oh, ich merke schon, dass meine Geduld für einen Fließtext nicht ausreicht. Ich schreibe euch Stichpunkte. Wehe, ihr lest sie nicht. Ich denke, sie werden euch ein gutes Gefühl für Afrika geben.

1.       Aus dem Pickup um 6.20 Uhr wird 7.30 Uhr.

2.        Wir fahren genau 10 Minuten bis zur „Bussammelstelle“, wo außer uns kein einziger Weißer ist und wo wir erst den Bus wechseln und dann noch einmal 30 Minuten warten (worauf? Keine Ahnung, ehrlich gesagt… die Busbetreiber sind sich ihrer Verspätung offenbar bewusst, aber Hakuna Matata)

3.       Der Busfahrer wirft endlich den Motor an.

4.       Dann kauft er bei einem vorbeigehenden Zeitungsjungen die Namibische Zeitung und fängt an zu lesen. Ich wusste vorher nicht, dass das nur bei laufendem Motor möglich ist.

5.       Nach weiteren 15 Minuten (bei laufendem Motor) kommt ein dicker Schwarzer in den Bus, der offensichtlich der Boss ist. Er sammelt von allen das Geld ein (Chris de Burgh „Don’t Pay the Ferryman until he gets you to the other side…“ drängt sich hartnäckig in mein Bewusstsein).
Die ältere Dame neben mir hat die Scheine, mit der sie ihre Reise bezahlt, in Zeitungspapier gewickelt und das Zeitungspapier in eine Plastiktüte.

6.       Dann erklärt Boss dem zierlichen Fahrer, welche Nummer er anrufen soll, wenn er beim Roadblock* in Schwierigkeiten gerät.
*ein Roadblock ist eine Straßensperre, an der drei bis vier dicke, unheimlich wichtig aussehende und uniformierte Schwarze auf Stühlen im Schatten sitzen. Normalerweise sieht man ihnen förmlich an, wie sehr sie ihre Macht über Leben und Tod genießen. Bisher habe ich (zum Glück!) nur erlebt, wie sie nach genauem Mustern des Autos/Shuttles (das am Roadblock anhalten muss) den Fahrer mit caesarischer Anmut und Barmherzigkeit durchwinken.

7.       Dann positioniert sich der Boss mit gefüllten Taschen zwischen allen Passagieren und sagt: „Let’s pray.“ Es ist ein langes Gebet.

8.       Endlich geht die Fahrt los. Ich ziehe meine Schuhe aus und mache es mir für die kommenden acht Stunden bequem.

9.       Nach zehn Minuten halten wir an einer Tankstelle. Ich ziehe meine Schuhe wieder an.

10.   Im Laufe der Fahrt verliere ich das Interesse an unseren Stopps. Wir stoppen oft. Ein- oder zweimal sind es, glaube ich, vereinbarte Pickups.

11.   Dreimal ist es eine offizielle Tankstellenpause, wo man sich mit Wasser und ungesunder Nervennahrung eindecken kann.

12.   Mindestens fünfmal sind es winkende Schwarze am Straßenrand, und von denen nehmen wir zwei mit (die anderen drei werden nach halbstündigen Verhandlungen, an denen sich oftmals alle Passagiere im Bus lebhaft beteiligen, stehen gelassen. Ich weiß nicht, wie sicher ich es finde, wenn ein Bus für jeden winkenden Kerl am Straßenrand anhält.).

13.   Einmal ist es eine siebzigjährige Mamma, die dem Fahrer ein in Zeitungspapier eingewickeltes Paket übergibt (um zu ihrem Dorf zu gelangen, haben wir einen ungefähr zehnminütigen Umweg von der Hauptstraße gemacht).

14.   Einmal würgt der Fahrer den Motor ab (glaube ich zumindest. Es gab keinen (für mich) ersichtlichen Grund, an dieser Stelle anzuhalten).

15.   Einmal vergisst der Fahrer nach der Tankstellenpause einen Passagier („Where is Elias?“) und muss umkehren, um ihn wieder einzusammeln.

16.   Es ist heiß. Ich sitze auf der Sonnenseite. Der Bus ist (surprise!) nicht klimatisiert. Also ist das Fenster offen. Ich bedecke mich mit einem Tuch, um nicht zu verbrennen.

17.   Während der letzten zwei Stunden lasse ich mich zum Knabbern von Chips hinreißen. Danke Karlene. Chips haben also doch ihre Daseinsberechtigung. :D

18.   Wir kommen in Karasburg an (ich schaue nicht auf die Uhr).

Red holt uns mit dem Backie ab. Wir füllen alle Tanks und Benzinkanister auf und gehen  shoppen, im einzigen Spar im Ort, der eine deutlich bessere Auswahl hat als Karlene und Kris vorhergesagt hatten. Ich kaufe sogar Orangen (yumyumyumyumyuuuuuum!!!).

Nur damit ihr einen Eindruck bekommt von Karasburg.
Karasburg-Einwohner
Ich würde niemals alleine nach Karasburg gehen. Mit ziemlicher Sicherheit würde ich das nicht überleben. Ich bin froh, dass Kris behauptet, ich sei seine Ehefrau (und Karlene auch – da machen sie aber große Augen, die seltsamen Bewohner Karasburgs!). Stachelschweinstacheln und eine gehörige Portion Ignoranz, selbst wenn ein stinkender Mund mit schiefen Zähnen nur zwei Zentimeter von deinem Gesicht entfernt kontinuierlich „You’re beautiful! You’re so beautiful!“ lallt. Und wieder einmal haben zahlreiche Personen gelernt, dass ich nicht „Hello!“ heiße. Auch nicht laut-„hello!“.

Als ich auf der Ladefläche des Backies sitze und wir über die holprige Sandstraße zur Farm brausen, bin ich ziemlich groggy. Die Sonne geht unter und taucht den langen Doppelschweif aus Staub, den das Auto hinter sich herzieht, in goldenes Licht. Wir lassen die letzten „Häuser“ hinter uns und als nach anderthalb Stunden Fahrt die Räder des Landies anfangen auf große Felsen zu knallen, weiß ich, dass wir wieder „zu Hause“ sind... hallo sandkorngroße, kleine, mittlere und riesige Steine, schön dass ihr auf mich gewartet habt :D

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen