Die
Zeit hier vergeht wie im Flug. Auch wenn ich praktisch jeden Atemzug genieße,
müssen wir morgen früh schon abreisen… schade, schade! Diese Insel ist
einmalig, der reinste Seelenbalsam, und mit dem Ozean zu leben ist wundervoll.
Manchmal kommen sogar Orcas in die Bucht der Insel, um die Rochen zu jagen, die
hier im seichten Wasser herumdümpeln. Und abends hört man zur Zeit immer die
blauen Pinguine schreien, die sich draußen vor der Küste versammeln, um
gemeinsam weiterzuziehen. Gemischt natürlich mit dem immerwährenden Geschrei
der Wakas und Papageien und sonstiger tropisch klingender Vögel. Das ergibt
einen herrlichen Klangteppich, am intensivsten dann hörbar, wenn gerade die
ersten Sterne aufgehen und die Nacht ganz rein und klar und still ist. Wundervoll.
Die
Arbeit, die ich hier verrichte, ist nach wie vor genießbar. Sehr
abwechslungsreich, und das Beste ist, ich kann mich selbst organisieren und
weder Helen noch Dave sitzen einem die ganze Zeit im Nacken. So sollte das
sein, finde ich; geht natürlich nur, wenn man den helpxern entsprechend
vertrauen kann, dass sie selbstständig arbeiten, aber offenbar genüge ich den
Ansprüchen ;) Mein Lieblingsjob (neben den Malerarbeiten): Austern klopfen! Die
Pfähle an dem Bootsanlegesteg, der hinaus aufs Wasser führt, sind über und über
mit Austern bewuchert, und einmal im Jahr muss man sie abklopfen, weil sie
sonst das Holz zu sehr angreifen. Problem dabei: Das geht natürlich nur, wenn
absolute Ebbe ist… also stapfen wir bei Ebbe hinaus zum Steg, was sich schon mal
als sehr schwierig gestaltet, weil der Matsch wie Treibsand alles einsaugt, was
ihn berührt. Es ist also nicht ganz einfach, die Gummistiefel wieder mit aus
dem Schlamm zu ziehen. Und dann wird losgeklopft – mit Schaufeln, immer drauf
auf die kleinen armen Austern. Manche wehren sich und explodieren spritzend,
sodass nach kurzer Zeit meine Kleider und mein Gesicht voll Austern- und
Salzschlabber sind. Andere kapitulieren jämmerlich, zucken in ihrem gelblichen
Schleim vor sich hin. Ich frage mich, wer der Menschheit weisgemacht hat, dass
das eine Delikatesse sein soll… wir klopfen das Zeug hier in „unreifem“ Zustand
kiloweise von morschem Holz ab! Die Möwen freuen sich natürlich, stürzen sich
kreischend auf das Festmahl. So viel Auster, und dann auch noch ohne
irgendetwas dafür zu tun, kriegen die wohl selten. Als wir fertig sind – gerade
rechtzeitig, die Flut immer auf den Fersen – schauen wir außer Atem auf das
vollbrachte Werk. Die Teile der Stegfüße, die noch zu sehen sind, sind astrein
ent-austert; und auf dem Steg liegen geschätzte dreißig vollgefressene Möwen,
die sich nicht mehr bewegen können! Hahaha :D
Eigentlich hatte das doch ganz gut geklappt mit dem Kajak... |
Heute,
am letzten Tag hier, schaffe ich es natürlich noch, eine Kathi-würdige Aktion
zu starten. Weil Laszlo seinen Bart trimmen will und ich aber unbedingt die
wenige übriggebliebene Zeit zum Kajakfahren nutzen mag, stapfe ich allein
runter zum Bootshaus, packe mir ein Paddel und eine Schwimmweste (Laszlo sagt,
das braucht er nicht, aber ich finde sie praktisch und wärmen tun sie auch
noch) und laufe hinaus auf den Bootssteg, wo unsere Kajaks warten. Helen ist
heute Gastgeberin des Kawau-Buchclubs – alle Frauen von Kawau Island, das sind
so in etwa zehn, treffen sich irgendwo und tratschen einen Nachmittag lang über
das Wichtigste in ihrem Leben, nämlich die Bücher, die sie gerade lesen ;) Ich
stapfe vorbei, grüße freundlich und lasse mich auf keine Gespräche ein *g* Bei
den Kajaks angelangt, hieve ich meins ins Wasser – habe das noch nie ganz
allein gemacht, bisher hat Laszlo immer beim Einsteigen assistiert – und kraxle
ins Boot. Das ist ein ziemlicher Gleichgewichtsakt, aber schlau wie ich bin,
halte ich mich an einem Brett fest – das nur auf einer Seite festgeschraubt
ist, wie ich in der Sekunde feststelle, die mir bleibt, ehe ich mitsamt dem Kajak
eine Eskimorolle mache. Eine halbe natürlich nur. GLUCK! Eine weitere Sekunde
lang schreit mein Körper: DU STIRBST!, dann stelle ich aber fest, dass die
Schwimmweste gute Dienste leistet – flupp, schiebt sie mich an meinem
umgedrehten Kajak vorbei an die Wasseroberfläche. Ich kanns nicht fassen,
schaue mich um, ob irgendjemand mir zusieht, aber weit und breit kein Mensch zu
sehen. Also genug Privatsphäre, um erst mal loszulachen, während ich wie ein
Korken auf dem pazifischen Ozean treibe. Ich lache, bis ich feststelle, dass
mein Kajak imstande ist, komplett zu versinken – was weiter nicht so tragisch
wäre, da gerade Flut ist und man es bei Ebbe wahrscheinlich problemlos bergen
könnte – aber natürlich will ich nicht, dass diese Aktion offiziell wird! Also schwimme
ich in Kleidern, mit Schuhen und allem, um den Bootssteg herum… interessantes
Gefühl, aber eigentlich sehr angenehm… ich überlege, ob ich noch eine Runde
schwimmen soll, denn so kalt ist das Wasser jetzt gar nicht mehr… und dank der
Schwimmweste geht es auch mit Schuhen, Trekkinghose, Tops, T-Shirt und
Fleecejacke ganz gut… aber ich will ja mein Kajak bergen! Also kraxle ich an
Land und verbringe geschätzte zehn Minuten damit, zu versuchen, das versinkende
Plastikding zu retten, was sich als extrem schwierig gestaltet. Ich weiß nicht,
wie viele Liter Wasser da reinpassen, aber ohne Wasser war es leichter!
Letztendlich schaffe ich es dann doch, kippe es aus… und lasse es wieder zu
Wasser. Wäre doch gelacht. Wenn man beim Reiten runterfällt, soll man auch
gleich wieder aufsteigen. Also mache ich das. Diesmal halte ich mich an einem
festgenagelten Brett fest, und siehe da, ich gleite anmutig in mein Boot und
kann lospaddeln. Eigentlich ist das keine so gute Idee, weil ich bis auf die
Unterwäsche durchnässt bin, aber ich will auch nicht gleich wieder aussteigen
und an Helens Buchclub vorbeilatschen, tropfend nass (ich bin mir schon
bewusst, dass ich unter meiner beigen Trekkinghose eine schwarze Unterhose
trage) und erklären, dass ich heute nur Lust auf fünf Minuten Kajakfahren hatte
und lieber schwimmen gegangen bin. :D
Nach
ein paar Minuten Paddeln im zugegebenermaßen recht kalten Wind erwischt mich
aber Laszlo, der auf dem Balkon oben sitzt, die Situation irgendwie durchschaut
und beschließt, dass ich sofort zum Anlegesteg zurückpaddeln und anschließend
heiß duschen muss. Ich vermute, dass er Recht hat; außerdem stelle ich fest,
dass ich mir den Arm aufgeschnitten habe – das hatte ich bisher gar nicht
gemerkt. Also paddle ich zurück, klettere aus dem Kajak und stapfe tropfend und
in betont unauffällig-lässigem Gang an Helens Buchclub vorbei, ohne einen Blick
hinüber zu werfen; in der Hoffnung, sie bemerken mich gar nicht… äh Helen, ich
hätte da noch ein bisschen mehr Wäsche zu waschen, jaaah, hab sie schon mal
vorgewaschen, sie war so dreckig… :P
Aber hey, mein erstes Mal Schwimmen im pazifischen Ozean UND mein erstes Mal Schwimmen mit Kleidern inklusive Schuhen!
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