Montag, 29. Oktober 2012

Riding, Rainforests... and sick again!



Zum Frühstück teste ich heute mal Maispopmüsli, an dem ich mich sehr erfreue, weil es poppt und knistert wie verrückt, wenn man Ziegenmilch reinschüttet (es liegt aber vermutlich nicht an der Ziegenmilch). Dann muss ich die beiden gestern angekommenen bayrischen Krankenschwestern schulen, weil Karina dafür keinen Nerv hat ;) Ich drücke ihnen meine ganzen household duties aufs Auge – ich darf, offiziell! Als sie dann ausreichend trainiert sind und stöhnend fragen, ob ich das alles alleine an einem Morgen geschafft hätte, wünsche ich ihnen viel Spaß und gehe nach DRAUSSEN! Ich darf nämlich heute draußen mit Lazlo und Josef arbeiten, jawohl! Wir legen ein Beet für Süßkartoffeln an, was harte Knochenarbeit ist, aber tausendmal befriedigender als blöde House Cleaning Duties (abgesehen vom Brotbacken, das macht auch großen Spaß!). Ich darf Brokkoli, Mais und Erdbeeren setzen und am Schluss noch ein paar Süßkartoffeln (es sind erst anderthalb Reihen fertig, aber da müssen natürlich sofort Sprösslinge rein!). Die Sprösslinge zu setzen ist besonders lustig, weil die Süßkartoffeln nicht wie normale Kartoffeln gesetzt werden, sondern sie müssen mit der Mitte ihres Stiels etwa eine Fingerlänge tief in einen Erdwall gedrückt werden, sodass die vermeintlichen „Wurzeln“ und die Blätter zu beiden Seiten rausschauen. Sie müssen auch unbedingt so gepflanzt werden, dass sie nach Osten schauen – zur Sonne… und fertig sind sie wohl erst im März oder April. Ich weiß gar nicht genau, wie Süßkartoffeln überhaupt schmecken…
Jerome hat Fotos gemacht, vielleicht bekomme ich eins und lade das noch hoch.
Nach der Gartenaktion sind alle ziemlich relaxt und happy. Auch Amber ist zur Zeit viel entspannter (vorgestern hat es richtig gekracht zwischen ihr, Mike und Karina und seither ist sie ziemlich nett). After lunch the Bavarian girls head off to the beach, aber den kenne ich ja nun schon. Karina empfiehlt uns ein privates Reservat, wo man wunderschöne Wasserfälle anschauen kann, also stopfen wir Jerome, Josef, Lazlo, die beiden dummen eingelaufenen Schafhunde und meine Wenigkeit in das kleine Klapperauto und düsen los. Karina hat Jerome erklärt, wohin er fahren muss, und da er sich am besten auskennt, sitzen wir viel zu lange still, ehe wir registrieren, dass er statt 20 km bereits 70 gefahren ist. Er gibt dann auch recht schnell zu, dass er eigentlich nicht weiß, wo wir sind. Macht nix, Jerome fährt einfach die nächste Hofeinfahrt hoch und klingelt an der Haustür, um nach dem Weg zu fragen. Ja na klar, ist selbstverständlich, würde ich auch machen, wenn ich taubstumm wäre! Haha. Ganz schön selbstbewusst!

Von der dritten Hofbesitzerin bekommen wir endlich Auskunft und finden die Wasserfälle. So leicht macht man aus zehn Minuten Fahrtzeit eine Dreiviertelstunde! Aber Jerome hatte Spaß beim Fahren, und es sind ja nur unsere Dollars, die fürs Benzin draufgegangen sind...
Jerome mit einem der blöden weißen Plüschis
Anyway, die Fahrt lohnt sich. Was von außen aussieht wie ein relativ normaler neuseeländischer Wald, ist innendrin schon fast Dschungel. Wir klettern über rutschige Steine durch Tausende von Farnen, Büschen, Palmengewächsen, Moosen, ja sogar Lianen, und ich fühle mich wie im Regenwald. Vielleicht ist das sogar ein Regenwald. Das Einzige, was fehlt, sind Tiere. Nicht mal Fliegen trifft man hier. So sehr die Vegetation vor Leben blüht, so sehr fehlt irgendwas, das flattert, quakt oder rennt.
Wir kommen an einem kleinen Wasserfall vorbei und später an einem großen. Die dummen weißen eingelaufenen Schafe kommen mit dem Gelände nicht zurecht, wir müssen sie ständig irgendwo hoch- oder runterwerfen. Ich verstehe nicht, wie man sich so ein Tier zulegen kann! Ich würde gerne die Ziege nehmen. Die finde ich cool. Aber nicht diese Plüschhunde…

Laszlo und Kathi beim Erstellen eines herrlichen Touristenfotos: Mit Winken!

Palmenherz
Wunderschöner Ort...
Tarzan spielen! Macht übelst Spaß!

Nach unserer Waterfall Experience gehen Jerome und ich noch reiten. Ich darf heute mit Sattel, reite dasselbe braune Pony, und es ist wie umgewechselt! Nur noch ganz wenige kleine Frechheiten, ansonsten äußerst brav und fröhlich! Ich galoppiere über die hüglige, löchrige Schafweide, Jerome jubelt, dann wagen wir noch ein kleines Sprüngchen über eine Wasserrille und hinein in einen Sumpf (mein Pony macht das gut!). Meine Wangen glühen, als wir zurück zum Hof reiten, und ich bin happy und erschöpft. So soll das sein!

Unsere Reitponys. Das linke ist meins! 
Zu Abend esse ich fast gar nichts, weil mir das ständige Fleischessen zum Hals raushängt. Vielleicht sollte ich Vegetarier werden! Es gibt Chicken Pie, eigentlich sehr lecker, aber ich esse praktisch nur den Blätterteig und das Gemüse. Keine Hühner mehr bitte…

Am nächsten Tag „muss“ ich mit Mike zu Karinas Schwester Ellie fahren. Sie hat zwar selber zwei Sklaven, aber sie braucht mehr! Mit den helpxern wird hier gehandelt wie mit Leibeigenen, sehr witzig. Sie werden ständig an irgendwelche Familienmitglieder ausgeliehen, wenn Hilfe benötigt wird. Karinas Schwester sieht man ihren Maori-Ursprung total an (Karina nicht so sehr). Mike und sie beschimpfen sich die ganze Zeit („we love to swear at each other, you know?“) und sie redet extrem laut und schroff, und sogar ihre Kinder beschimpfen Mike, als sie ihn sehen („You stink!“ „YOU stink, I’m gonna feed you to my pigs!“ „I’m gonna feed you to a horse!“ “Horses are vegetarians!” “You are a banana head!” <- I loooove that one! Calling Mike Banana Head from now on). Mike ist sowieso einfach unglaublich lustig, er stichelt die ganze Zeit rum, in wahnsinnig schnellem Englisch, aber heute habe ich zum ersten Mal das Gefühl, ihn einigermaßen zu verstehen. Ich kann ihm zumindest im Groben folgen und manchmal sogar kontern! Da macht er große Augen ;)

Wir bauen einen riesigen Zaun, müssen dafür Pfosten in bereits gebuddelte Löcher stecken, justieren und dann zementieren. Ich sehe aus wie ein Schwein, aber immerhin kann ich Mike behilflich sein, im Gegensatz zu Ellies eigenen Sklaven, die Mikes Englisch überhaupt nicht verstehen und auch sonst ein wenig unbeholfen sind. Sie kommen aus Deutschland (ach was! Mal wat janz Neues!) und sind 18 und 20, verhalten sich aber wie 15jährige. Als ich frage, was sie nachmittags so machen, wissen sie keine Antwort darauf. „Najaaaah, you know, it is not so interesting here…“ „Wow cool, so what are you doing in New Zealand anyway?” Verstehe ich nicht. Wenn sie noch Pampers brauchen, müssen sie halt bei Mami bleiben.

Ellie serviert uns Brötchen und Schinken und Corned Beef (bah!) und gekochte Eier und Salat und allsowas zu Mittag, und eigentlich ist alles sehr lecker (bis auf das Beef-Zeugs, das probiere ich gar nicht erst!), aber als wir zu Hause ankommen, geht es mir nicht besonders gut. Mein Magen fühlt sich an wie eine altersschwache Waschmaschine und ich brauche erst mal eine Pause. Karina und Amber fahren gegen Nachmittag mit dem Baby an die Bay of Islands, da werden sie zwei Tage bleiben.

Laszlo und ich machen einen großen Spaziergang hinunter zum Kaipara River. Das Problem hier ist, dass es (für deutsche Verhältnisse unvorstellbar!) überhaupt keine Wege für Fußgänger/Fahrradfahrer gibt, sondern nur Straßen und eben die Grundstücke der Farmer. Wenn man also spazieren gehen möchte, was die Farmer hier sowieso nicht verstehen („Why should I go for a walk?“), muss man entweder über Weiden und somit über Privatproperties laufen oder auf der Straße oder in der Wildnis, die sich am Kaipara extrem schlammig gestaltet. Es ist also ein bisschen abenteuerlich, weil unter den riesigen Grasbüscheln oft sumpfige Stellen sind oder angetrocknete Löcher, in die die Kühe getreten sind, während der Boden weich war. Rund um den Kaipara wachsen knochig-knorrige Bäume, die vom Salz eine weißliche Kruste haben und die offenbar robust genug sind, mehrmals täglich geflutet zu werden (denn, wie gesagt, der Kaipara führt von Meer zu Meer, sprich, er macht auch Ebbe und Flut mit). Inmitten der knorrigen Bäume finden wir ein Baumversteck, das Fischer oder Vogelbeobachter dort gebaut haben müssen, und wir klettern hoch und sitzen in den Kronen der knochigen Bäume und genießen die Stille. Auch wenn das sicherlich keine Vorzeigeattraktion Neuseelands ist, hat dieses Matschloch Charakter.

Abends kommen Mikes Sohn und dessen Freundin zum Essen und Mike hat sich mit dem Kochen selbst übertroffen. Es gibt Hackfleisch-Nudel-Gemüse-Auflauf mit Kartoffelbrei und Käse überbacken (also alles in einer Form!), leicht scharf und superlecker. Aber natürlich wieder tonnenschwer, sodass ich nicht besonders viel essen kann. Die Freundin von Mikes Sohn hat professionelle Schokoladentrüffelpralinen gemacht (delikat!), die es zum Nachtisch gibt. Dann schauen wir Mike und seiner Freundin zu, wie sie mit Mikes Quad über die Pferdeweiden brezeln. Mikes Sohn ist Soundingenieur, spielt 8 Instrumente und hat einen IQ von 165 (das erzählt Mike jedem, der das hören oder auch nicht hören will). Seine Freundin kann vor allem schnell und emotional blabbeln und sich ausgiebig anmalen und stylen (ich erfreue mich an ihrem Versuch, in ihren Pfennigabsätzen durch knöcheltiefen Schweinemist zu waten, weil ihr Freund ihr die Babyküken zeigen will).

Am Sonntagmorgen holen wir Mikes Freund Graham ab, der von Autos viel versteht, und Ellies deutschen dicken Sklaven Max, der sich auch einen Campervan kaufen möchte, und los geht es in Mikes riesigem Toyota nach Auckland auf den Car Market! Auckland ist (meiner Meinung nach) eine ziemlich charakterlose Stadt, und dieser Eindruck von mir liegt sicher nicht (nur) daran, dass unsere erste Begegnung so unspaßig (nass?) war. Ich bin froh, dass ich den Car Market nicht selbst suchen muss, und dann auch noch im Linksverkehr… Wir kommen so gegen halb neun an. Natürlich ist die ganze Szene stark backpackerdominiert, und man muss offenbar schnell sein, wenn man was Gutes erwischen will. Graham und Mike empfehlen mir einen dunkelgrünen Toyota Lucida, Baujahr 1993, 270.000 km, der auf 2400 NZD runtergehandelt werden kann und den Mike mir zu einem Campervan umbauen würde, wenn ich das möchte. Ja na klar! Wir machen eine Probefahrt, testen alle Features, das Auto sieht sauber aus und fährt gut, hört sich auch gut an und sieht rundum und von unten gut aus. Also entscheide ich mich, es durchchecken zu lassen. 140 NZD werden mal eben kurz von meiner Mastercard abgezogen (vermutlich sogar ein paar Prozent mehr, weil ja die Volksbank auch was davon haben will) und Mechaniker „Mark“ macht sich ans Durchchecken meines vielleicht zukünftigen Autos. Nach einer halben Stunde dann der Schlag in die Fresse: Das Auto ist Schrott (nein, stimmt nicht, aber es hat zu viele issues) und die Reparaturkosten für den nächsten WOF (das ist der neuseeländische TÜV) schätzt er auf rund 3000 NZD. Er würde uns abraten, das Auto zu kaufen… kacka! Frustriert fahren wir nach Hause (Max hatte sich auch für einen Van entschieden, sein Budget ist etwas höher bei etwa 4500 NZD, aber er kriegt den Hintern nicht hoch und als er endlich den Verkäufer ansprechen will, ist der Van schon verkauft). Auf halber Strecke zwischen Auckland und Helensville ruft Max plötzlich, wir sollten anhalten… er rennt in den Garten, der zufällig am Straßenrand ist, und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Na prima… dann liegt es also doch an Ellies Essen, vielleicht in Kombination mit deutschen Mägen, denn Max hat ja gestern auch Corned Beef, Brötchen, Schinken und Eier gegessen… als Max noch so im Gras liegt und von Würgekrämpfen durchgeschüttelt wird, kommt der Hausbesitzer angerannt. Ich natürlich gleich: „Sorry! We are sorry!“, aber der Typ will nur die mit Wasser gefüllte Colaflasche loswerden, die er offenbar in aller Eile aufgefüllt hat, als er den kotzenden Touristen in seinem Vorgarten erblickt hat. Er gibt Max was zu trinken und fragt, ob er uns sonst irgendwie helfen kann. Jaha, ich raffe es ja so langsam, wir sind in Neuseeland…

Auf der Weiterfahrt erzähle ich Graham und Mike, wie die Deutschen vermutlich reagieren würden, wenn jemand einfach so in ihren Vorgarten kotzt, und sie finden die deutsche Mentalität äußerst amüsant. Wir liefern Graham auf seiner Farm ab (er fragt, ob ich mitkommen und seine Pferde sehen und reiten will, und das würde ich sogar gerne tun, wenn nicht Lazlos Geburtstag wäre). Dann liefern wir den leichenblassen Max bei Ellie ab. Und dann geht’s nach Hause. Ich verbringe den Mittag mit Emailschreiben (so langsam muss ich mir ja mal Gedanken machen, wo ich Ende der Woche hin will), schlafe eine halbe Stunde auf der Wiese und hole mir eine gesunde Gesichtsfarbe, obwohl die Sonne gar nicht so richtig geschienen hat (krass oder? In Deutschland wäre da gar nix passiert. Die neuseeländische Sonne scheint ganz schön stark zu sein). Dann füttere ich die Katzen und Hunde, kümmere mich um die Wäsche und gehe dann Lazlo in seinem Trailer besuchen, weil wir ja noch seinen Geburtstag feiern müssen! Es gibt sogar ein Feuerwerk (Zufall. Oder Fügung. Irgendjemand unten in Helensville hat wohl auch Geburtstag). Leider geht es mir trotz Geburtstagsparty immer schlechter, und irgendwann stürze ich aus dem Truck und kotze auf die Ponyweide… Danke Max! Danke Ellie! Wer auch immer Schuld daran ist – Danke! 

Mir geht es zunehmend miserabel, und ich entschuldige mich tausendmal bei Lazlo, aber der scheint das gar nicht schlimm zu finden und ist auf eine sehr beeindruckende Weise für mich da. Inzwischen regnet es draußen, und jedes Mal, wenn ich wieder vor seinen Trailer stürze, um mich zu übergeben, bringt er mir meine Schuhe, ein Taschentuch und einen Becher voll Wasser. Ich sag ja, er ist ein sehr beeindruckender Mensch!
Irgendwann mitten in der Nacht entschließe ich mich dann, in mein Bett zu wanken, und er begleitet mich hinüber zum Haus (die Hunde schlagen mittlerweile gar nicht mehr an, die sind das jetzt gewöhnt!). Die Nacht wird ziemlich elend, ich muss noch mehrmals auf die Toilette rennen und habe Fieber und schreckliche Gliederschmerzen. 

Den folgenden Morgen erlebe ich wie im Delirium, ich sollte eigentlich putzen und das Haus auf Vordermann bringen, aber ich kriege gar nichts zustande. Mein Körper fühlt sich an wie von einem Zug überfahren, und Appetit habe ich auch keinen. Ich trinke nur eine halbe Tasse heißes Wasser und gammle mit den beiden Katzen in meinem Bett herum. Dann raffe ich mich auf zum Staubsaugen (Jerome hat die Lage schon erkannt und mir liebenswerter Weise einiges an Arbeit abgenommen!) und überlege, ob ich ein Brot backen soll, entscheide mich dann aber dagegen, weil ich niemanden vergiften will. Ist ja irgendwie nichts Neues, dass ich reisekrank werde… aber ich hatte gehofft, dass das nur in Afrika passiert. Anyway, es ist wie es ist, jetzt mache ich eben eine kleine Diät (schadet nicht, nach all dem, was wir hier fressen!) und dann sollte es auch wieder besser sein. 

Den Mittag verbringen wir alle mit Gammeln. Mike ist auf Arbeit, Karina ist mit Amber an der Bay of Islands, das heißt wir helpxer und Jerome haben sturmfrei! Wir verbringen einen herrlich witzigen Nachmittag, zeigen uns gegenseitig Zeug auf Facebook und ich muss mich kaum bewegen, was gut ist, weil mein Rücken entsetzlich wehtut (Gliederschmerzen, denke ich, in Kombination mit einer sehr rattigen Matratze). Jetzt wissen alle hier, wie meine Mama und meine Schwester und Steffi Scholz aussehen, hihi :) Ich brauche nachmittags nur die fünf Hunde und zwei Katzen zu füttern und die Wäsche abzuhängen und dann kommt Katharina aus Deutschland (Saarland) an, die ist 18 und als Jerome sie abliefert, bin ich schockiert, wie jung sie wirkt! War ich mit 18 auch so? ;) Ich zeige ihr alles und freue mich auf den nächsten Tag, wenn ich meine household duties mit ihr teilen kann...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen