Eine seltsame Nacht, mit wirren
Träumen und noch wirrerer Orientierungslosigkeit beim Aufwachen. Um drei Uhr
Ortszeit ist mein Körper felsenfest davon überzeugt, dass die Schlafenszeit
jetzt beendet ist; ich weiß aber, dass ich weiterschlafen muss, um morgen nicht
in ein Loch zu fallen, und kämpfe (gefühlte) Stunden um den Schlaf. Als dann um
halb sieben mein Handywecker klingelt, reißt er mich aus dem Tiefschlaf. Alles
noch ein bisschen durcheinander!
Vor dem Frühstück helfe ich Mike,
die Ziege zu melken, das heißt ich sehe ihm dabei zu und reiche ihm sein
„Werkzeug“. Ziegen mögen keine fremden Hände an ihren Eutern (verständlich,
finde ich!), daher wird es für mich wohl eher schwer, das Ziegenmelken zu
lernen. Dafür lerne ich aber, wie man die Milch pasteurisiert und zum
Einfrieren abpackt. Sie ist ursprünglich für das Baby gedacht (der Sohn von
Karinas Tochter, der sehr krank war und daher Ziegenmilch empfohlen bekommen
hat), aber Goatsie gibt täglich ca. 5 Liter Milch; davon können die Familie und
sämtliche helpxer ernährt werden. Schmeckt eigentlich ganz gut, nicht so fettig
wie Kuhmilch, und voller Proteine!
Zum Frühstück gibt es
selbstgebackenes Früchtebrot, getoastet und mit Butter drauf. Laszlo stellt mir einen australischen Brotaufstrich vor, den ich überhaupt
nicht identifizieren kann. Selbst nach dem Lesen der Packungsaufschrift
verstehe ich nicht, was das sein soll. Nach einem einzigen Bissen dreht es mir
den Magen um und ich verzichte dankend.
Nach dem Frühstück zeigt Laszlo
mir, wie man die Schweine füttert. Ich schwebe in einem Zustand zwischen
Faszination, Amüsiertheit und einer obligatorischen Portion Großstadt-Ekel, als
er mir erklärt, welche Taktiken man in dem knöcheltiefen, stinkenden Schlamm
anwenden sollte, um von der Horde hungriger Halbstarker nicht von den Füßen
gerissen zu werden, wenn man mit dem Futter kommt. Das Futter wird von großen
Eimern in kleine geschaufelt und ich falle beinahe rückwärts um, als er die
großen öffnet. Ich möchte in meinem nächsten Leben kein Schwein werden! Karina
und Mike werden netterweise kostenlos vom nahegelegenen Seafood-Restaurant mit
Küchenabfällen beliefert – eine Delikatesse für die Schweine, und wer Probleme
mit Nasenbehaarung hat, braucht nur mal tief einzuatmen, das ätzt garantiert
alles weg. Während die Schweine sich gierig ihrem Mahl aus ausgepressten
Zitronenschalen, vergammelten Muscheln, Knochen und übriggelassenen Fleischstücken
von Säugetieren sowie natürlich zahlreichen schimmligen Krebsscheren,
Fischköpfen und Langustenschalen widmen, kontrollieren wir das Wasser (nach dem
Regen gestern gibt es da nicht viel zu tun) und spülen die Eimer aus. Es gibt
vier Schweinegehege, einmal die jungen Halbstarken (das sind die, die als
nächste dran sind), dann eine Sau mit Ferkeln, eine riesige Sau ohne Ohren (die
wurden ihr als Ferkel von den Hunden abgefressen, aber sie hat überlebt) und
ein noch riesigerer Eber (Mister Friendly). Ich
mag Tiere, aber diese riesigen Schweine wirken mit ihren Hauern und ihrer
Körpermasse schon respekteinflößend. Lazlo nimmt das alte Abflussrohr, das er
bereits benutzt hat, um sich die jungen Schweine vom Hals zu halten, und fängt
an, die Seite des riesigen Ebers zu kratzen. Er sagt, er hat das auch bei den
kleinen ausprobiert, und sie haben genau gleich reagiert – ich will gerade
fragen wie, da geht das riesige Vieh plötzlich in die Knie und legt sich auf
die Seite, damit Laszlo besser seinen Bauch erreicht! „I knew you liked that
trick“, sagt Laszlo grinsend zu mir und schrubbt dem Vieh noch eine Weile den
Bauch. Der Eber genießt sichtlich und ich amüsiere mich (vermutlich auch
sichtlich).
Nach der Schweinegeschichte waschen
wir noch einen Pferdetrailer, der zum Verkauf steht, und ich putze Karina das
Bad. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass in Neuseeland heute Feiertag ist
(day of labour), aber hier gehen wirklich viele Menschen ein und aus! Neben
Amber und Laszlo (die beiden dänischen workxers von gestern haben uns heute
Morgen verlasen) ist da noch Karinas tauber Freund Jerome, der unheimlich witzig ist,
unglaublich viel versteht und sich auch unglaublich gut verständlich machen
kann – manchmal verstehe ich ihn besser bzw. schneller als Mike, der sich keine
Mühe gibt, für uns Ausländer langsamer zu sprechen ;) Man läuft eigentlich
immer, wenn man ins Wohnzimmer geht, auf eine neue Überraschung zu. Einmal der
Schmied, der wegen eines Abszesses von einer Stute hier war, und einmal der
Hausschlächter, der hier ein und aus geht und sich schon mal die jungen
Schweinchen angeschaut hat. Jaja, wir füttern die noch ein bisschen mit
gammligem Fisch, dann kann er sie haben! (ich werde sie eher nicht essen. Nicht,
weil ich sie so sehr liebgewonnen habe, sondern wegen dem Fisch! Bah!) Karina
hat einen herrlichen Bananenkuchen gebacken, den alle Gäste serviert bekommen
und den ich auch mampfen darf.
Ausblick vom Haus aus |
Ausblick vom Hügel aus, auf dem die Weiden sind |
Zum Mittagessen lerne ich
frittieren – gar nicht so schwer, haha. Es gibt Hähnchenschenkel und dazu Reis
mit Gemüse, aber weil sich Mike gerade über ein anderes deutsches Mädchen
lustig macht, das mal bei ihnen als workxer war und nicht wusste, wie man
Hähnchenschenkel abknabbert, belasse ich es bei einem einzigen und versuche
möglichst nicht darauf aufmerksam zu machen, dass ich ebenfalls nicht weiß, wie
man Hähnchenschenkel isst. Die Reste werden sehr liebevoll entsorgt – alle mit
den Tellern raus auf den Balkon, „chup chup chup“ rufen und die Knochen und (im
Falle einiger anderer) Reis- und Gemüsereste auf die Horde herangerannter Hunde
und Hühner werfen! Hier gibt es insgesamt 5 Hunde, 3 davon sind „Labradormischlinge“
(haha) und zwei sind eingelaufene Schafe (die Gehirne sind ebenfalls
eingelaufen, schätze ich).
Das sind keine Schafe, sondern die dümmsten Hunde, die ich je gesehen habe! |
Darauf habt ihr doch alle gewartet! Hier, bitte: Schafe! |
Nachmittags bekommen wir frei,
weil Laszlo Karina so viel Gutes getan hat (ich nicht, aber ich profitiere gerne
vom Fleiß anderer!). Wir dürfen das 100-Dollar-Auto schnappen und damit nach
Helensville an den Strand klappern. Weil Flut ist, ist kein Mensch da –
verstehe ich nicht, warum sollte ich an den Strand, wenn da kein Wasser ist –
und wir haben den ganzen Strand für uns. Um ihn zu erreichen, müssen wir
allerdings erst durch einen Märchenwald laufen und dann über Dünen klettern,
die mit herrlichem Pflanzenzeug bewachsen sind. Es duftet wundervoll nach Salz,
dazu mischt sich der Geruch der Pflanzen, die einen duften intensiv nach Honig,
die anderen zimtig-nussig. Überhaupt ist die komplette Vegetation hier irre,
wie aus einem Fantasietraum entsprungen – man nehme die schönsten Bäume
weltweit, die einem so einfallen, und werfe sie in einen Topf. Pinien, Palmen,
riesige Mammutbäume, rotblühende herrlich weiße Bäume, komische andere Bäume,
deren Namen kein Mensch weiß, und darunter Kräuter, Blüten, Büsche und Farne.
Dünen, Honig-Zimt-Pflanzen, Sand, Bäume, Büsche - alles was das Herz begehrt! |
Welcome to Fairytale Forest! |
Auch der Strand ist ein Traum. Es
ist ziemlich windig, die Wellen schäumen, und überall liegen Muscheln und
komische andere Dinge. Wundervolle Muscheln, die ich noch nie in meinem Leben gesehen
habe, sie sehen aus wie Weinbergschnecken, nur blau. Deshalb hat der schwarze,
samtig-weiche Sand wohl auch so einen blauen Schimmer – all die zermahlenen
blauen Häuser… Ich finde ein merkwürdiges glibberiges Dings, das blau ist und
zuckt, wenn man es mit einer Muschel anstubst. Sieht irgendwie aus wie eine
riesige, halbdurchsichtige Schnecke, die jemand aus ihrem Haus gezerrt hat und
deren ganzes Gedärm sich nun wie ein Bindfaden abgewickelt hat. Offenbar ist es
an Land nicht glücklich, also schaufele ich es auf meine Muschel und werfe es
ins Meer. Leider spülen die Wellen so weit aus, dass ich das tiefere Wasser
nicht wirklich erreiche, ohne nasse Schuhe zu bekommen, also platscht das Dings
auf den nassen Sand und bleibt dort liegen, vollkommen ungerührt von den
Wellen, die es eigentlich zurück ins Meer saugen sollten (so war die Theorie in
meinem Kopf).
mein widerliches blue-bubble-Tier :) |
Wir haben so viel Spaß an diesem wunderbaren Ort, schreien das Meer an und rutschen Dünen runter und setzen uns in die Zimt-Honig-Duftpflanzen und schwelgen in olfaktorischen Genüssen.....
Wieder daheim angekommen lasse ich mich kurz von
Mike auslachen, weil ich drei der blauen Schneckenhäuser mitgebracht habe
(because they are only stinky and terribly common around here) und mir von Karina
erklären, dass sie diese blauen Glibberdinger „Blue Bubbles“ nennen und die
einen stechen wie eine Feuerqualle. Dann hüpfe ich unter die Dusche, um die
einmalige Geruchsmischlung GammligerFisch-Schwein-Friteuse-Sand-Schweiß
loszuwerden. Und heute Abend werden wir vermutlich noch einen Film schauen oder
so… ich denke wir sind bei einer echt netten Familie gelandet und das Land (so far) ist der Hammer! Auch wenn es heute am Strand
wieder geregnet hat. Ist doch egal. ;)
Das Land von Lord of the Rings!Dazu passt dann auch der fairytale forest :-).
AntwortenLöschenIch bin soo gespannt was du alles in den nächsten Tagen noch so alles erleben wirst und der erste war ja schon sehr vielversprechend :-).
Especially the beautiful beach..looking forward to a lot of pictures.
Take care over there!