Montag, 22. Oktober 2012

Sau-schön hier *g*



Eine seltsame Nacht, mit wirren Träumen und noch wirrerer Orientierungslosigkeit beim Aufwachen. Um drei Uhr Ortszeit ist mein Körper felsenfest davon überzeugt, dass die Schlafenszeit jetzt beendet ist; ich weiß aber, dass ich weiterschlafen muss, um morgen nicht in ein Loch zu fallen, und kämpfe (gefühlte) Stunden um den Schlaf. Als dann um halb sieben mein Handywecker klingelt, reißt er mich aus dem Tiefschlaf. Alles noch ein bisschen durcheinander!
Vor dem Frühstück helfe ich Mike, die Ziege zu melken, das heißt ich sehe ihm dabei zu und reiche ihm sein „Werkzeug“. Ziegen mögen keine fremden Hände an ihren Eutern (verständlich, finde ich!), daher wird es für mich wohl eher schwer, das Ziegenmelken zu lernen. Dafür lerne ich aber, wie man die Milch pasteurisiert und zum Einfrieren abpackt. Sie ist ursprünglich für das Baby gedacht (der Sohn von Karinas Tochter, der sehr krank war und daher Ziegenmilch empfohlen bekommen hat), aber Goatsie gibt täglich ca. 5 Liter Milch; davon können die Familie und sämtliche helpxer ernährt werden. Schmeckt eigentlich ganz gut, nicht so fettig wie Kuhmilch, und voller Proteine!
Zum Frühstück gibt es selbstgebackenes Früchtebrot, getoastet und mit Butter drauf. Laszlo stellt mir einen australischen Brotaufstrich vor, den ich überhaupt nicht identifizieren kann. Selbst nach dem Lesen der Packungsaufschrift verstehe ich nicht, was das sein soll. Nach einem einzigen Bissen dreht es mir den Magen um und ich verzichte dankend.

Nach dem Frühstück zeigt Laszlo mir, wie man die Schweine füttert. Ich schwebe in einem Zustand zwischen Faszination, Amüsiertheit und einer obligatorischen Portion Großstadt-Ekel, als er mir erklärt, welche Taktiken man in dem knöcheltiefen, stinkenden Schlamm anwenden sollte, um von der Horde hungriger Halbstarker nicht von den Füßen gerissen zu werden, wenn man mit dem Futter kommt. Das Futter wird von großen Eimern in kleine geschaufelt und ich falle beinahe rückwärts um, als er die großen öffnet. Ich möchte in meinem nächsten Leben kein Schwein werden! Karina und Mike werden netterweise kostenlos vom nahegelegenen Seafood-Restaurant mit Küchenabfällen beliefert – eine Delikatesse für die Schweine, und wer Probleme mit Nasenbehaarung hat, braucht nur mal tief einzuatmen, das ätzt garantiert alles weg. Während die Schweine sich gierig ihrem Mahl aus ausgepressten Zitronenschalen, vergammelten Muscheln, Knochen und übriggelassenen Fleischstücken von Säugetieren sowie natürlich zahlreichen schimmligen Krebsscheren, Fischköpfen und Langustenschalen widmen, kontrollieren wir das Wasser (nach dem Regen gestern gibt es da nicht viel zu tun) und spülen die Eimer aus. Es gibt vier Schweinegehege, einmal die jungen Halbstarken (das sind die, die als nächste dran sind), dann eine Sau mit Ferkeln, eine riesige Sau ohne Ohren (die wurden ihr als Ferkel von den Hunden abgefressen, aber sie hat überlebt) und ein noch riesigerer Eber (Mister Friendly). Ich mag Tiere, aber diese riesigen Schweine wirken mit ihren Hauern und ihrer Körpermasse schon respekteinflößend. Lazlo nimmt das alte Abflussrohr, das er bereits benutzt hat, um sich die jungen Schweine vom Hals zu halten, und fängt an, die Seite des riesigen Ebers zu kratzen. Er sagt, er hat das auch bei den kleinen ausprobiert, und sie haben genau gleich reagiert – ich will gerade fragen wie, da geht das riesige Vieh plötzlich in die Knie und legt sich auf die Seite, damit Laszlo besser seinen Bauch erreicht! „I knew you liked that trick“, sagt Laszlo grinsend zu mir und schrubbt dem Vieh noch eine Weile den Bauch. Der Eber genießt sichtlich und ich amüsiere mich (vermutlich auch sichtlich).
Nach der Schweinegeschichte waschen wir noch einen Pferdetrailer, der zum Verkauf steht, und ich putze Karina das Bad. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass in Neuseeland heute Feiertag ist (day of labour), aber hier gehen wirklich viele Menschen ein und aus! Neben Amber und Laszlo (die beiden dänischen workxers von gestern haben uns heute Morgen verlasen) ist da noch Karinas tauber Freund Jerome, der unheimlich witzig ist, unglaublich viel versteht und sich auch unglaublich gut verständlich machen kann – manchmal verstehe ich ihn besser bzw. schneller als Mike, der sich keine Mühe gibt, für uns Ausländer langsamer zu sprechen ;) Man läuft eigentlich immer, wenn man ins Wohnzimmer geht, auf eine neue Überraschung zu. Einmal der Schmied, der wegen eines Abszesses von einer Stute hier war, und einmal der Hausschlächter, der hier ein und aus geht und sich schon mal die jungen Schweinchen angeschaut hat. Jaja, wir füttern die noch ein bisschen mit gammligem Fisch, dann kann er sie haben! (ich werde sie eher nicht essen. Nicht, weil ich sie so sehr liebgewonnen habe, sondern wegen dem Fisch! Bah!) Karina hat einen herrlichen Bananenkuchen gebacken, den alle Gäste serviert bekommen und den ich auch mampfen darf.
 
Ausblick vom Haus aus


Ausblick vom Hügel aus, auf dem die Weiden sind

Zum Mittagessen lerne ich frittieren – gar nicht so schwer, haha. Es gibt Hähnchenschenkel und dazu Reis mit Gemüse, aber weil sich Mike gerade über ein anderes deutsches Mädchen lustig macht, das mal bei ihnen als workxer war und nicht wusste, wie man Hähnchenschenkel abknabbert, belasse ich es bei einem einzigen und versuche möglichst nicht darauf aufmerksam zu machen, dass ich ebenfalls nicht weiß, wie man Hähnchenschenkel isst. Die Reste werden sehr liebevoll entsorgt – alle mit den Tellern raus auf den Balkon, „chup chup chup“ rufen und die Knochen und (im Falle einiger anderer) Reis- und Gemüsereste auf die Horde herangerannter Hunde und Hühner werfen! Hier gibt es insgesamt 5 Hunde, 3 davon sind „Labradormischlinge“ (haha) und zwei sind eingelaufene Schafe (die Gehirne sind ebenfalls eingelaufen, schätze ich). 
Das sind keine Schafe, sondern die dümmsten Hunde, die ich je gesehen habe!

Wir haben übrigens 15 Lämmer, 11 Mutterschafe und 4 Widder. Das weiß ich, weil wir nach dem Essen raus auf die Weiden laufen, um den Ausblick zu genießen und Inventur zu machen. Alle noch da, die Schafe, und die 7 Pferde auch. Die chillen einfach den ganzen Tag da auf ihrer Weide rum und genießen ihr Leben.

Darauf habt ihr doch alle gewartet! Hier, bitte: Schafe!

Nachmittags bekommen wir frei, weil Laszlo Karina so viel Gutes getan hat (ich nicht, aber ich profitiere gerne vom Fleiß anderer!). Wir dürfen das 100-Dollar-Auto schnappen und damit nach Helensville an den Strand klappern. Weil Flut ist, ist kein Mensch da – verstehe ich nicht, warum sollte ich an den Strand, wenn da kein Wasser ist – und wir haben den ganzen Strand für uns. Um ihn zu erreichen, müssen wir allerdings erst durch einen Märchenwald laufen und dann über Dünen klettern, die mit herrlichem Pflanzenzeug bewachsen sind. Es duftet wundervoll nach Salz, dazu mischt sich der Geruch der Pflanzen, die einen duften intensiv nach Honig, die anderen zimtig-nussig. Überhaupt ist die komplette Vegetation hier irre, wie aus einem Fantasietraum entsprungen – man nehme die schönsten Bäume weltweit, die einem so einfallen, und werfe sie in einen Topf. Pinien, Palmen, riesige Mammutbäume, rotblühende herrlich weiße Bäume, komische andere Bäume, deren Namen kein Mensch weiß, und darunter Kräuter, Blüten, Büsche und Farne.

Dünen, Honig-Zimt-Pflanzen, Sand, Bäume, Büsche - alles was das Herz begehrt!


Welcome to Fairytale Forest!



Auch der Strand ist ein Traum. Es ist ziemlich windig, die Wellen schäumen, und überall liegen Muscheln und komische andere Dinge. Wundervolle Muscheln, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, sie sehen aus wie Weinbergschnecken, nur blau. Deshalb hat der schwarze, samtig-weiche Sand wohl auch so einen blauen Schimmer – all die zermahlenen blauen Häuser… Ich finde ein merkwürdiges glibberiges Dings, das blau ist und zuckt, wenn man es mit einer Muschel anstubst. Sieht irgendwie aus wie eine riesige, halbdurchsichtige Schnecke, die jemand aus ihrem Haus gezerrt hat und deren ganzes Gedärm sich nun wie ein Bindfaden abgewickelt hat. Offenbar ist es an Land nicht glücklich, also schaufele ich es auf meine Muschel und werfe es ins Meer. Leider spülen die Wellen so weit aus, dass ich das tiefere Wasser nicht wirklich erreiche, ohne nasse Schuhe zu bekommen, also platscht das Dings auf den nassen Sand und bleibt dort liegen, vollkommen ungerührt von den Wellen, die es eigentlich zurück ins Meer saugen sollten (so war die Theorie in meinem Kopf).

mein widerliches blue-bubble-Tier :)
Wir haben so viel Spaß an diesem wunderbaren Ort, schreien das Meer an und rutschen Dünen runter und setzen uns in  die Zimt-Honig-Duftpflanzen und schwelgen in olfaktorischen Genüssen.....
Wieder daheim angekommen lasse ich mich kurz von Mike auslachen, weil ich drei der blauen Schneckenhäuser mitgebracht habe (because they are only stinky and terribly common around here) und mir von Karina erklären, dass sie diese blauen Glibberdinger „Blue Bubbles“ nennen und die einen stechen wie eine Feuerqualle. Dann hüpfe ich unter die Dusche, um die einmalige Geruchsmischlung GammligerFisch-Schwein-Friteuse-Sand-Schweiß loszuwerden. Und heute Abend werden wir vermutlich noch einen Film schauen oder so… ich denke wir sind bei einer echt netten Familie gelandet und das Land (so far) ist der Hammer! Auch wenn es heute am Strand wieder geregnet hat. Ist doch egal. ;)

1 Kommentar:

  1. Das Land von Lord of the Rings!Dazu passt dann auch der fairytale forest :-).
    Ich bin soo gespannt was du alles in den nächsten Tagen noch so alles erleben wirst und der erste war ja schon sehr vielversprechend :-).
    Especially the beautiful beach..looking forward to a lot of pictures.
    Take care over there!

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