Sonntag, 21. Oktober 2012

Aller Anfang ist schwer?

Los gehts!
Erst mal 12,5 Std nach Singapore fliegen, natürlich wieder mit ätzendem Sitznachbar, dabei hatte ich mir im Voraus schon einige ausgesucht, die ich gerne gehabt hätte. Der erste Kommentar meines reizenden Seat Buddies: „Sie sitzen auf Ihrem Gurt.“ Ach was. Wir werden uns sicherlich amüsieren. Na ja, wenigstens keine epileptischen Anfälle im Schlaf. Und coole Filme auf dem Entertainment-Programm, ich schaue mir „Brave“ (gut!) und den Anfang von „Dark Shadows“ an, den ich ebenfalls überraschend gut finde (wohlwissend, dass das wieder nur mein spezieller Filmgeschmack ist und ich gar nicht erst auf die Idee zu kommen brauche, den Film gewissen Freunden zu präsentieren). Ich hoffe, dass ich im nächsten Flugzeug vielleicht weiterschauen kann. 

Um 9.30 Uhr stelle ich meine Armbanduhr um auf 15.30 Uhr, Ortszeit Singapore. Ankunft 16.40 Uhr, 29°C outside, was ich kaum glauben kann, weil der Himmel grau und suppig aussieht, mit einem gelbgrünen, hexenartigen Stich. Ich kann die angebliche Temperatur aber auch nicht überprüfen, denn ich muss ja im klimatisierten Terminal bleiben und auf Teppichboden zu entspannter chinesisch angehauchter Klimpermusik meine verklumpten Venen lockern. Um 21.20 Ortszeit geht es weiter nach Brisbane. Ich muss unbedingt noch einen Computer mit kostenlosem Internetzugang finden und einen Flug von Auckland nach Brisbane buchen, weil ich echt Schiss habe, dass bei der Einreise in Auckland mein vergangener Botswana-Aufenthalt bemerkt wird (tuberkulosegefährdetes Gebiet und somit Aufenthalt ab 12 Monaten nur mit health certificate, das ich natürlich nicht besitze). Und wenn mir keiner glaubt, dass ich nicht vorhabe, ein Jahr lang in Neuseeland zu bleiben und fröhlich Tuberkulose zu verbreiten, darf ich vielleicht gar nicht erst rein ins geweihte Land.

Singapore ist interessant, bedient aber auf den ersten und einzigen Blick alle Klischees, die ich mir so vorgestellt hatte. Die Menschen sind extrem schnell und extrem leise, schauen grellbunte Castingshows voll fernöstlicher Schönheiten auf youtube in HD an, stehen auf Kitsch, Glitzer und Süßigkeiten, deren Packungen vollgedruckt sind mit Hello Kitty und Barbie, und im Büchershop liegen Bücher in der Auslage mit Titeln wie „How to motivate employees“, „How to lead“ und, zur Krönung, „How to rule“. Alles ist sehr hygienisch, man kann am Touchscreen vor der Toilette die Arbeit der WC-Putzfrau bewerten (während über dem Touchscreen ein Schild hängt, das versichert, dass der Touchscreen alle 10 Minuten desinfiziert wird und man ihn ruhig anfassen könne, dabei kommen doch die Leute sowieso mit gewaschenen Händen aus der Toilette). Ich bewerte meine Putzfrau, ChuMiang, mit einem „good“ (nicht mit „excellent“) und bin fast imselben Moment sicher, dass das sehr unhöflich und aus singaporianischer Sicht bereits eine Beleidigung gewesen sein muss. Komme halt nicht raus aus meiner schwäbischen Haut, wobei der klassische Schwabe an diesem Bildschirm ja einfach vorbeigelaufen wäre („nicht gemotzt ist genug gelobt“ und so…) Ich bin versucht, mein Ticket nach Brisbane zu buchen, überlege es mir aber im letzten Moment anders, als ich gerade imstande bin, an einem öffentlichen Flughafencomputer, in einem öffentlichen Netzwerk, mit dem Rücken zur Menschenmenge meine Mastercard-Daten einzugeben. So verzweifelt bin ich dann doch nicht. Wieso habe ich eigentlich gestern niemanden beauftragt, das Ticket noch schnell für mich zu buchen? Das wäre so einfach gewesen! Dann hätte ich heute (im Notfall) die Ticketbestätigung aus meinem Email-Postfach gefischt und somit der neuseeländischen Einwanderungsbehörde bewiesen, dass ich ihnen nicht länger als 5 Monate zur Last falle (ich wusste sowieso nicht, dass Tuberkulose erst ab 12 Monaten Kontakt ansteckend ist). 

Meinen beißenden Hunger stille ich mit einer Packung „The delicious 6-fruit-mix“, das sind 35g Trockenfrüchte, die ich aus dem Flugzeug mitgenommen habe – ich bin grade gar nicht sicher, ob das nun als Mittag- oder Abendessen läuft, es ist immerhin 19 Uhr – vermutlich werde ich heute „Nacht“ ganz schrecklichen Hunger bekommen und gar nicht schlafen können… 

Von Singapore nach Brisbane sind es sieben Stunden Flug und drei Stunden Zeitumstellung. Die Uhr wandert weiter nach vorn. Ich verliere das Zeitgefühl, versuche immer dann zu schlafen, wenn in der Kabine das Licht gedimmt wird. Meine Sitznachbarin ist äußerst freundlich, sie ist Schottin und lebt in Brisbane und gibt mir viele nützliche Tipps. Und der Fensterplatz hat sich unglaublich gelohnt, der Abflug in Singapore ist unvergesslich. Die Stadt glitzert in tausend Lichtern, und sehr viele Lichter sind unter Bäumen (ich weiß nicht wieso, sind sie im/am Boden?), sodass es durch die Bewegung des Flugzeuges so aussieht, als würde alles permanent glitzern und funkeln. Gerade als ich denke, schöner kann es kaum werden, schwebt das Flugzeug über den Fluss (das Meer?), auf dem Tausende von großen beleuchteten Schiffen gleiten. Es sieht wundervoll aus, fast auch ein bisschen gespenstisch, wie lauter Geisterschiffe, aber unvergesslich schön. Auch die Landung in Brisbane war mit Fensterplatz spektakulär; endlos lange Sandstrände, glitzerndes Wasser und massig Delfine!

In Brisbane angekommen muss plötzlich alles ganz schnell gehen, weil ich per Zufallsprinzip für eine Sprengstoffkontrolle auserwählt, in einen Hinterraum verschleppt und dort eine Ewigkeit kontrolliert werde. Ich muss all meine Sachen auspacken und mich mehrmals abtasten und –piepen lassen. Schließlich wird dann aber festgestellt, dass ich keine Bombe mit mir trage und ich darf weitereilen, da boardet dann auch schon mein Flugzeug nach Auckland. Vom Airport Brisbane habe ich also rein gar nichts gesehen. Mein Sitznachbar ist okay, er lebt mit seiner Frau in der Nähe von Rotorua und gibt mir gleich seine Visitenkarte mit, falls ich mal vorbeikommen und mit ihren Pferden arbeiten will. Die Uhr wandert wieder zwei Stunden. 

Als ich in Auckland lande, ist es 14.20 Uhr und regnet in Strömen. Wie ein Wunder schaffe ich es durch alle Pass- und Visumkontrollen – der freundliche Herr am Schalter hat die afrikanischen Stempel nicht genauer inspiziert.  Yeah. Ich bin offiziell tuberkulosefrei! Jetzt nichts wie auf die Suche nach dem Airport Bus gehen, der mich nach Auckland City bringen soll, wo ich umsteigen muss auf den Bus nach Silverdale, wo Karina mich abholen und nach Helensville holen wird. Bis nach Auckland City geht auch alles gut, dort allerdings finden gerade die Triathlon-Weltmeisterschaften statt und die Innenstadt ist komplett gesperrt – so auch die Straße, wo meine Umsteige-Bushaltestelle ist. Mir bleibt nichts übrig als mich durchzufragen und immer weiterzulaufen und dabei immer nässer zu werden. Ein großer Spaß ist das nicht, mit zwei Riesenrucksäcken durch eine fremde Stadt zu stolpern, soakingly wet zu sein und nicht zu wissen, wo man ist, wohin man soll und ob man den Bus noch kriegen kann. Dabei habe ich aber gleich mal die berüchtigte extreme Hilfsbereitschaft der Kiwis kennen gelernt. Und kann sagen, ja, die existiert wirklich! Man braucht sich nur mit der Karte dumm  irgendwohin zu stellen und sofort kommt jemand und hilft. So schaffe ich es schließlich, triefend und tropfend in meinen Bus zu steigen, der auch zu der Haltestelle fahren wird, bei der ich mich mit Karina treffen will. Als ich den Busfahrer jedoch bitte, mir Bescheid zu geben, wenn er an besagter Haltestelle einfährt, erklärt er mir, dass die Haltestellen überhaupt keiner kennt und die Busfahrer alle nur so fahren, wie die Fahrgäste das wünschen. Er fragt mich, ob ich weiß, wie das Viertel heißt, wo ich hin will – das weiß ich natürlich nicht… er fragt sogar seine Kollegen über Funk, ob sie wüssten, wo sich die Haltestelle befindet. Kein Erfolg. Schließlich findet er tatsächlich die Straße, die auf der Buskarte steht; die Straße ist jedoch ein Highway und somit lang und unübersichtlich… ein älteres Ehepaar, das mit mir im Bus fährt, wird sich als meine Lebensrettung herausstellen. Sie sammeln mich ein, packen mich in ihr Auto und suchen mit mir gemeinsam besagte Haltestelle. Als dort niemand zu finden ist, leihen sie sich von einer anderen Einwohnerin ein Handy und rufen Karina an, vereinbaren mit ihr einen „Übergabetreffpunkt“ und bringen mich dorthin. Wow! Da fällt einem nix mehr ein…

Dann sitze ich also im Auto, das übrigens Mike fährt und in dem noch zwei weitere workxchangers aus Dänemark sitzen. Ich zittere mittlerweile, weil ich klatschnass bin und es draußen auch nicht gerade warm ist. Außerdem checke ich nicht, welche Zeit, und ob ich Hunger habe oder nicht (zwischendurch hatte ich mal kurz entsetzlichen Hunger!)… Mike fährt auf das riesige Privatgrundstück, wo viele Pferde grasen, eine Ziege, die sie jeden Morgen melken, dann gibt es noch kleine Hunde, die dürfen aber nicht ins Haus, und eine fette Katze, die darf ins Haus (aber nicht aufs Sofa). Die Landschaft ist spektakulär, aber ich bin zu geflasht, um alles noch aufzunehmen. Ich darf erst mal heiß duschen. Im Haus wohnen neben Mike und Karina und den beiden Dänen noch ein weiterer helpxer und Amber, Karinas Tochter, und sonst wohl auch noch ein Baby, das aber grade nicht da ist (ich habe nicht nachgefragt, war eh schon Aufnahmestopp in meinem Gehirn). 

Zum Abendessen gibt es eine „Fish’n Chips-Party“, es wird einfach ein riesiges Papier mit einem Haufen voller Fastfood ausgepackt und alle dürfen davon essen. Ich habe nicht wirklich Hunger, lasse mir mein Zimmer zeigen. Dort versuche ich, meine nassen Sachen einigermaßen aufzuhängen (schwer, weil es eine Abstellkammer ist ohne Heizung und das Fenster nicht dicht ist, was heißt, dass es aufgrund des Regens auch echt kalt ist). Jetzt liege ich im Bett, mit 2 Decken, Fleecejacke, Jogginghose und (leider) nassen Haaren, und hoffe, dass ich nicht (wieder) kränker werde. Es stinkt erbärmlich, wegen meiner ganzen nassen Sachen (und ich glaube, auch, weil das Bettzeug seit 100 Jahren nicht gewaschen wurde), und meine Schuhe stehen draußen im Freien (leider; ich hätte sie gern zum Trocknen mit reingenommen). Auch meine Fleecejacke und meine Socken sind nicht richtig trocken, eher klamm-feuchtelig… aber was nicht umbringt, härtet ab und ich hoffe einfach, dass sie unter den 2 Decken über Nacht trocknen… 

Morgen soll ich um 7.30 Uhr antanzen, bin mal gespannt, was da auf mich zukommt. Wenn ich das richtig verstehe, soll ich die zahlreichen Pferde reiten, die auf den Koppeln verstreut sind und seit Monaten nicht mehr geritten wurden. Wir werden sehen! Im Moment wünsche ich mir vor allem, dass alles trocknen wird und ich schlafen kann, obwohl jetzt alles upside-down-inside-out ist hier und ich meine Gedanken kaum sortiert kriege.

2 Kommentare:

  1. So jetzt endlich kann ich auch deinen wunderschönen,traumhaften,mich kaum noch auf meinem Stuhl haltenden Blogeintrag kommentieren :-).
    Erstmal mir gefällt dein Schreibstil :-).Du kannst danach ein Backpacker Buch veröffentlichen.
    Das hört sich alles so aufregend und spannend an und ich beneide dich wirklich im Moment sehr um deine tollen Erfahrungen,die du in den nächsten Monaten machen wirst.Ich bin mal gespannt was du dann von der Landschaft berichtest und hoffe auf tausende von Fotos und Filmen!
    Drück dich vom langweiligen D-Land aus :-)

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  2. Yeah Tina, du bist mein treuester Fan! I'm happy for your comment (mein erster und bisher einziger Blogspot-Kommentar, haha)! Motivier mich nur schön weiter, dann gebe ich mir auch weiter Mühe beim Bloggen *g*
    Drücker zurück ins langweilige D-Land ;)

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