Los gehts!
Erst mal 12,5 Std nach Singapore
fliegen, natürlich wieder mit ätzendem Sitznachbar, dabei hatte ich mir im
Voraus schon einige ausgesucht, die ich gerne gehabt hätte. Der erste Kommentar
meines reizenden Seat Buddies: „Sie sitzen auf Ihrem Gurt.“ Ach was. Wir werden
uns sicherlich amüsieren. Na ja, wenigstens keine epileptischen Anfälle im
Schlaf. Und coole Filme auf dem Entertainment-Programm, ich schaue mir „Brave“ (gut!)
und den Anfang von „Dark Shadows“ an, den ich ebenfalls überraschend gut finde (wohlwissend,
dass das wieder nur mein spezieller Filmgeschmack ist und ich gar nicht erst
auf die Idee zu kommen brauche, den Film gewissen Freunden zu präsentieren).
Ich hoffe, dass ich im nächsten Flugzeug vielleicht weiterschauen kann.
Um 9.30 Uhr stelle ich meine
Armbanduhr um auf 15.30 Uhr, Ortszeit Singapore. Ankunft 16.40 Uhr, 29°C
outside, was ich kaum glauben kann, weil der Himmel grau und suppig aussieht,
mit einem gelbgrünen, hexenartigen Stich. Ich kann die angebliche Temperatur aber
auch nicht überprüfen, denn ich muss ja im klimatisierten Terminal bleiben und
auf Teppichboden zu entspannter chinesisch angehauchter Klimpermusik meine
verklumpten Venen lockern. Um 21.20 Ortszeit geht es weiter nach Brisbane. Ich
muss unbedingt noch einen Computer mit kostenlosem Internetzugang finden und
einen Flug von Auckland nach Brisbane buchen, weil ich echt Schiss habe, dass
bei der Einreise in Auckland mein vergangener Botswana-Aufenthalt bemerkt wird
(tuberkulosegefährdetes Gebiet und somit Aufenthalt ab 12 Monaten nur mit
health certificate, das ich natürlich nicht besitze). Und wenn mir keiner
glaubt, dass ich nicht vorhabe, ein Jahr lang in Neuseeland zu bleiben und
fröhlich Tuberkulose zu verbreiten, darf ich vielleicht gar nicht erst rein ins
geweihte Land.
Singapore ist interessant,
bedient aber auf den ersten und einzigen Blick alle Klischees, die ich mir so
vorgestellt hatte. Die Menschen sind extrem schnell und extrem leise, schauen
grellbunte Castingshows voll fernöstlicher Schönheiten auf youtube in HD an,
stehen auf Kitsch, Glitzer und Süßigkeiten, deren Packungen vollgedruckt sind
mit Hello Kitty und Barbie, und im Büchershop liegen Bücher in der Auslage mit
Titeln wie „How to motivate employees“, „How to lead“ und, zur Krönung, „How to
rule“. Alles ist sehr hygienisch, man kann am Touchscreen vor der Toilette die
Arbeit der WC-Putzfrau bewerten (während über dem Touchscreen ein Schild hängt,
das versichert, dass der Touchscreen alle 10 Minuten desinfiziert wird und man
ihn ruhig anfassen könne, dabei kommen doch die Leute sowieso mit gewaschenen
Händen aus der Toilette). Ich bewerte meine Putzfrau, ChuMiang, mit einem
„good“ (nicht mit „excellent“) und bin fast imselben Moment sicher, dass das
sehr unhöflich und aus singaporianischer Sicht bereits eine Beleidigung gewesen
sein muss. Komme halt nicht raus aus meiner schwäbischen Haut, wobei der
klassische Schwabe an diesem Bildschirm ja einfach vorbeigelaufen wäre („nicht
gemotzt ist genug gelobt“ und so…) Ich bin versucht, mein Ticket nach Brisbane
zu buchen, überlege es mir aber im letzten Moment anders, als ich gerade
imstande bin, an einem öffentlichen Flughafencomputer, in einem öffentlichen
Netzwerk, mit dem Rücken zur Menschenmenge meine Mastercard-Daten einzugeben. So
verzweifelt bin ich dann doch nicht. Wieso habe ich eigentlich gestern
niemanden beauftragt, das Ticket noch schnell für mich zu buchen? Das wäre so
einfach gewesen! Dann hätte ich heute (im Notfall) die Ticketbestätigung aus
meinem Email-Postfach gefischt und somit der neuseeländischen
Einwanderungsbehörde bewiesen, dass ich ihnen nicht länger als 5 Monate zur
Last falle (ich wusste sowieso nicht, dass Tuberkulose erst ab 12 Monaten
Kontakt ansteckend ist).
Meinen beißenden Hunger stille ich mit einer Packung
„The delicious 6-fruit-mix“, das sind 35g Trockenfrüchte, die ich aus dem
Flugzeug mitgenommen habe – ich bin grade gar nicht sicher, ob das nun als
Mittag- oder Abendessen läuft, es ist immerhin 19 Uhr – vermutlich werde ich
heute „Nacht“ ganz schrecklichen Hunger bekommen und gar nicht schlafen können…
Von Singapore nach Brisbane sind
es sieben Stunden Flug und drei Stunden Zeitumstellung. Die Uhr wandert weiter
nach vorn. Ich verliere das Zeitgefühl, versuche immer dann zu schlafen, wenn
in der Kabine das Licht gedimmt wird. Meine Sitznachbarin ist äußerst
freundlich, sie ist Schottin und lebt in Brisbane und gibt mir viele nützliche
Tipps. Und der Fensterplatz hat sich unglaublich gelohnt, der Abflug in
Singapore ist unvergesslich. Die Stadt glitzert in tausend Lichtern, und sehr
viele Lichter sind unter Bäumen (ich weiß nicht wieso, sind sie im/am Boden?),
sodass es durch die Bewegung des Flugzeuges so aussieht, als würde alles
permanent glitzern und funkeln. Gerade als ich denke, schöner kann es kaum
werden, schwebt das Flugzeug über den Fluss (das Meer?), auf dem Tausende von
großen beleuchteten Schiffen gleiten. Es sieht wundervoll aus, fast auch ein
bisschen gespenstisch, wie lauter Geisterschiffe, aber unvergesslich schön.
Auch die Landung in Brisbane war mit Fensterplatz spektakulär; endlos lange
Sandstrände, glitzerndes Wasser und massig Delfine!
In Brisbane angekommen muss
plötzlich alles ganz schnell gehen, weil ich per Zufallsprinzip für eine
Sprengstoffkontrolle auserwählt, in einen Hinterraum verschleppt und dort eine
Ewigkeit kontrolliert werde. Ich muss all meine Sachen auspacken und mich
mehrmals abtasten und –piepen lassen. Schließlich wird dann aber festgestellt,
dass ich keine Bombe mit mir trage und ich darf weitereilen, da boardet dann
auch schon mein Flugzeug nach Auckland. Vom Airport Brisbane habe ich also rein
gar nichts gesehen. Mein Sitznachbar ist okay, er lebt mit seiner Frau in der
Nähe von Rotorua und gibt mir gleich seine Visitenkarte mit, falls ich mal
vorbeikommen und mit ihren Pferden arbeiten will. Die Uhr wandert wieder zwei
Stunden.
Als ich in Auckland lande, ist es 14.20 Uhr und regnet in Strömen. Wie
ein Wunder schaffe ich es durch alle Pass- und Visumkontrollen – der freundliche
Herr am Schalter hat die afrikanischen Stempel nicht genauer inspiziert. Yeah. Ich bin offiziell tuberkulosefrei! Jetzt
nichts wie auf die Suche nach dem Airport Bus gehen, der mich nach Auckland City
bringen soll, wo ich umsteigen muss auf den Bus nach Silverdale, wo Karina mich
abholen und nach Helensville holen wird. Bis nach Auckland City geht auch alles
gut, dort allerdings finden gerade die Triathlon-Weltmeisterschaften statt und
die Innenstadt ist komplett gesperrt – so auch die Straße, wo meine Umsteige-Bushaltestelle
ist. Mir bleibt nichts übrig als mich durchzufragen und immer weiterzulaufen
und dabei immer nässer zu werden. Ein großer Spaß ist das nicht, mit zwei
Riesenrucksäcken durch eine fremde Stadt zu stolpern, soakingly wet zu sein und
nicht zu wissen, wo man ist, wohin man soll und ob man den Bus noch kriegen
kann. Dabei habe ich aber gleich mal die berüchtigte extreme Hilfsbereitschaft
der Kiwis kennen gelernt. Und kann sagen, ja, die existiert wirklich! Man
braucht sich nur mit der Karte dumm irgendwohin
zu stellen und sofort kommt jemand und hilft. So schaffe ich es schließlich,
triefend und tropfend in meinen Bus zu steigen, der auch zu der Haltestelle
fahren wird, bei der ich mich mit Karina treffen will. Als ich den Busfahrer
jedoch bitte, mir Bescheid zu geben, wenn er an besagter Haltestelle einfährt,
erklärt er mir, dass die Haltestellen überhaupt keiner kennt und die Busfahrer
alle nur so fahren, wie die Fahrgäste das wünschen. Er fragt mich, ob ich weiß,
wie das Viertel heißt, wo ich hin will – das weiß ich natürlich nicht… er fragt
sogar seine Kollegen über Funk, ob sie wüssten, wo sich die Haltestelle
befindet. Kein Erfolg. Schließlich findet er tatsächlich die Straße, die auf
der Buskarte steht; die Straße ist jedoch ein Highway und somit lang und
unübersichtlich… ein älteres Ehepaar, das mit mir im Bus fährt, wird sich als
meine Lebensrettung herausstellen. Sie sammeln mich ein, packen mich in ihr
Auto und suchen mit mir gemeinsam besagte Haltestelle. Als dort niemand zu
finden ist, leihen sie sich von einer anderen Einwohnerin ein Handy und rufen
Karina an, vereinbaren mit ihr einen „Übergabetreffpunkt“ und bringen mich
dorthin. Wow! Da fällt einem nix mehr ein…
Dann sitze ich also im Auto, das
übrigens Mike fährt und in dem noch zwei weitere workxchangers aus Dänemark
sitzen. Ich zittere mittlerweile, weil ich klatschnass bin und es draußen auch
nicht gerade warm ist. Außerdem checke ich nicht, welche Zeit, und ob ich Hunger
habe oder nicht (zwischendurch hatte ich mal kurz entsetzlichen Hunger!)… Mike
fährt auf das riesige Privatgrundstück, wo viele Pferde grasen, eine Ziege, die
sie jeden Morgen melken, dann gibt es noch kleine Hunde, die dürfen aber nicht
ins Haus, und eine fette Katze, die darf ins Haus (aber nicht aufs Sofa). Die
Landschaft ist spektakulär, aber ich bin zu geflasht, um alles noch
aufzunehmen. Ich darf erst mal heiß duschen. Im Haus wohnen neben Mike und
Karina und den beiden Dänen noch ein weiterer helpxer und Amber, Karinas
Tochter, und sonst wohl auch noch ein Baby, das aber grade nicht da ist (ich
habe nicht nachgefragt, war eh schon Aufnahmestopp in meinem Gehirn).
Zum
Abendessen gibt es eine „Fish’n Chips-Party“, es wird einfach ein riesiges
Papier mit einem Haufen voller Fastfood ausgepackt und alle dürfen davon essen.
Ich habe nicht wirklich Hunger, lasse mir mein Zimmer zeigen. Dort versuche
ich, meine nassen Sachen einigermaßen aufzuhängen (schwer, weil es eine Abstellkammer
ist ohne Heizung und das Fenster nicht dicht ist, was heißt, dass es aufgrund
des Regens auch echt kalt ist). Jetzt liege ich im Bett, mit 2 Decken,
Fleecejacke, Jogginghose und (leider) nassen Haaren, und hoffe, dass ich nicht (wieder)
kränker werde. Es stinkt erbärmlich, wegen meiner ganzen nassen Sachen (und ich
glaube, auch, weil das Bettzeug seit 100 Jahren nicht gewaschen wurde), und meine
Schuhe stehen draußen im Freien (leider; ich hätte sie gern zum Trocknen mit
reingenommen). Auch meine Fleecejacke und meine Socken sind nicht richtig
trocken, eher klamm-feuchtelig… aber was nicht umbringt, härtet ab und ich
hoffe einfach, dass sie unter den 2 Decken über Nacht trocknen…
Morgen soll ich
um 7.30 Uhr antanzen, bin mal gespannt, was da auf mich zukommt. Wenn ich das
richtig verstehe, soll ich die zahlreichen Pferde reiten, die auf den Koppeln
verstreut sind und seit Monaten nicht mehr geritten wurden. Wir werden sehen!
Im Moment wünsche ich mir vor allem, dass alles trocknen wird und ich schlafen
kann, obwohl jetzt alles upside-down-inside-out ist hier und ich meine Gedanken
kaum sortiert kriege.
So jetzt endlich kann ich auch deinen wunderschönen,traumhaften,mich kaum noch auf meinem Stuhl haltenden Blogeintrag kommentieren :-).
AntwortenLöschenErstmal mir gefällt dein Schreibstil :-).Du kannst danach ein Backpacker Buch veröffentlichen.
Das hört sich alles so aufregend und spannend an und ich beneide dich wirklich im Moment sehr um deine tollen Erfahrungen,die du in den nächsten Monaten machen wirst.Ich bin mal gespannt was du dann von der Landschaft berichtest und hoffe auf tausende von Fotos und Filmen!
Drück dich vom langweiligen D-Land aus :-)
Yeah Tina, du bist mein treuester Fan! I'm happy for your comment (mein erster und bisher einziger Blogspot-Kommentar, haha)! Motivier mich nur schön weiter, dann gebe ich mir auch weiter Mühe beim Bloggen *g*
AntwortenLöschenDrücker zurück ins langweilige D-Land ;)