Karina hat mich von den Schweinen abgezogen und - klassische Rollenverteilung - für die Hausarbeit eingeteilt. Ich hasse Hausarbeit, aber
irgendwie tut es ganz gut, mal das Haus durchzuputzen und alles zu wischen, zu
saugen, zu desinfizieren etc… mir hat Putzen schon immer geholfen, anzukommen
und mich irgendwo wohl und heimisch zu fühlen, und nachdem ich jede Ecke des
Hauses kennengelernt und gereinigt habe, geht es mir erstaunlicherweise
ziemlich prima! Ich habe sogar Fenster geputzt (der verhassteste Job, den es gibt),
aber so schlimm sehen sie gar nicht aus. Es scheint aber auch keine Sonne, dann
sieht man die Streifen nicht.
Aus irgendeinem Grund unterhalten
wir uns darüber, dass ich noch nie ein Küken auf der Hand hatte. Wie auch immer
wir darauf gekommen sind. Kaum eine Stunde später kommt Karina so zu mir in die
Küche, sagt „Take this out of my pocket“ und ich greife beherzt in ihre
Jackentasche – und erschrecke fürchterlich (und sichtlich), als ich in ein
warmes, lebendiges, fedriges Dings mit Füßen und Schnabel grapsche! Hätte ich
das gewusst, wäre ich vorsichtiger gewesen… sie sagt, ich soll es in eine
Wollmütze stecken und dort wärmen und mit der oberen Hand ein bisschen
draufdrücken, das macht sie ruhiger. Weil sie denken, die Mutterhenne sitzt
drauf. Das arme Kleine ist schwach, es kann nicht laufen (im Gegensatz zu all
seinen Geschwistern) und sieht schon sehr zerrupft und krank aus. Und es
schreit natürlich ununterbrochen nach Mama. Nicht wissend, dass Mama – und auch
die anderen Küken – es sofort töten würden. Nun ja. Ich nehme das Ding also
zwischen die Hände und drücke ein bisschen… Das wilde Fiepen lässt nach, aber
ich bezweifle stark, dass das daran liegt, dass es meine zerquetschende Hand
für seine Mama hält. Aber ich tue, wie mir befohlen wurde – ich habe von Küken
ja keine Ahnung. Zum Mittagessen sitzt es auf meinem Schoß, in seiner Mütze,
und jammert nur noch relativ leise vor sich hin. Es gibt Hähnchenschlegel mit
Pfirsichsoße und Reis. Wie dekadent.
Nach dem Mittagessen muss ich das
Küken abgeben, weil ich noch was zu tun habe – als ich zurückkomme, hat Karina
das Ding grade aus seiner Mütze gezerrt. Es ist fast tot, sie demonstriert uns
in ihrer harten Art, wie man schon das Genick überstrecken kann und es fällt
zurück in seine eintretende Leichenstarre. Ich will mir das gar nicht ansehen.
Karina bringt das Ding nach draußen, dreht ihm das Genick um und wirft es in
den Hundezwinger. Ja gut, für mein erstes Mal Küken-auf-der-Hand-halten ganz
ok…
Abends gehen Laszlo und ich noch
spazieren. Wir entscheiden uns für Mikes „mudhole“, auf der anderen Seite der Straße,
lassen uns kurz auslachen, bevor wir losgehen („why do you wanna go there, it’s
only a big hole of mud“) . Er hat Recht, man kommt an den Kaipara River gar nicht
heran, weil alles drumherum so sumpfig ist, dass man versinkt wie in Treibsand.
Als wir gerade auf (aktiven, aber sehr retrohaften) Bahnschienen balancieren,
treffen wir eine offenbar suizidale Ziege, die einsam auf den Gleisen
herumläuft. Als sie uns erblickt, kommt sie so entschlossen auf uns zu, dass
ich erst befürchte, dass sie uns attackieren will. Aber wie alle in Neuseeland
ist sie unheimlich nett und möchte nur gerne ihren Kopf geschrubbert haben. Und
dann am liebsten auch alles andere. Ich habe Spaß mit dieser Ziege! Nachdem ich
sie ausführlich gestreichelt habe, will ich sie aber eigentlich nicht auf den
Schienen zurücklassen… sie scheint nicht schnell genug zu Fuß zu sein, um (wie
wir) blitzschnell in den Treibsand-Schlick neben den Schienen hechten zu
können, um unser Leben zu retten bzw. das langsame Versinken und Ersticken im
Schlamm dem schnellen Überfahrenwerden vom Zug vorzuziehen. Also nehmen wir sie
einfach mit (was einfach ist, weil sie uns folgt wie ein angefütterter
Urlaubshund) und sperren sie auf die nächste Weide ;) Da wird sie dann schon
jemand finden und dorthin bringen, wo sie hingehört.
Auf dem Rückweg landen wir
plötzlich auf einem wunderschönen Privatgrundstück, Holzhaus direkt am Kaipara
River (der ist übrigens ein Salzfluss und fließt von Meer zu Meer!) mit
herrlichem Blumengarten und riesigem Rasen. Als wir es gerade schon fast
durchquert haben und uns daran machen, die letzten 200 Meter die Einfahrt
hinaufzulaufen, kommt plötzlich der Hausbesitzer heraus und latscht über seinen Rasen zielstrebig auf uns zu… von Erfahrungen in Deutschland geprägt, zucke ich schon zusammen und denke, das kann ja nur Ärger geben… Ja denkste: „Hey, are
you guys lost? Can I help you to find the way?“ Ja na klar. Mensch,
hätte man sich ja denken können, dass der nur rauskommt, um uns zu helfen und
uns den Weg zu zeigen. Wir sind in Neuseeland, schon vergessen, Kathi? :D
Karina, die Hausherrin, ist im Übrigen ein
ziemlich ulkiger Charakter (finde ich). Man kann sie sich
am besten vorstellen, wenn man die besten Rollen von Helena Bonham-Carter
zusammenwürfelt und dahinein einen guten Schuss Molly Weasley gibt. Und dann
nie aufhört zu rühren. Aber ich denke, wir kommen klar ;)
Mein Zeitrhythmus ist schon besser geworden, aber gut ist er noch nicht. Abends ab neun bin ich
extrem müde, morgens um sechs hellwach. Dann freue ich mich aber auch aufs
Frühstück, mit selbstgebackenem Brot (also wirklich selbst gebacken! Von mir!
Ha!) und selbstgemolkener (von Mike selbst gemolkener und von mir selbst
pasteurisierter) Ziegenmilch und selbstgesammelten Eiern (ja, ok, von Lazlo
selbst gesammelt). Aufs getoastete frische Brot dann Butter und Bananen- oder
Eierscheiben – fantastisch! Wie Mike schon gesagt hat „You’ll gain weight here, young lady;
everybody did!“ Wir werden sehen… ganz so viel
wie die Familie haue ich mir eigentlich nicht rein (die essen wirklich viel, aber das brauchen sie auch, alle arbeiten hart. Bis auf Amber, die ist nur
schwanger. Die muss dafür für zwei essen).
Kleine Impression aus dem everyday life hier; alle Tiere auf einem Haufen! |
Amber ist übrigens erst 20. Sie
arbeitet in einer Child Daycare Institution ungefähr 20 Minuten von hier,
halbtags. Da habe ich sie auch schon abgeholt. Sie ist die Tochter von Karina (nur Karina!) und hat noch eine jüngere Schwester,
wegen der die ganzen Pferde hier rumstehen, die ist früher mit ihnen auf Turnieren gestartet. Jetzt starte sie immer noch auf Turnieren, aber sie reitet nicht mehr für Karina
und Mike, sondern für einen Profi mit besserem Pferdematerial. Daher wohnt sie
auch nicht mehr hier und daher haben all die Ponys nichts mehr zu tun. Karina
ist mit 20 mit Amber schwanger geworden, irgendwann hat sich ihr damaliger Mann
aber von ihr getrennt; bei Mike ist es ähnlich, außer dass er nicht schwanger geworden ist, aber auch er hat 2 Kinder irgendwo.
Dann haben die beiden sich gefunden und nach 11 Jahren Partnerschaft
beschlossen zu heiraten. Karina wünschte, sie hätte nicht so früh ihre
bodenständige Existenz gegründet und wäre noch ein bisschen herumgereist –
deshalb hat sie Amber mit 19 nach Australien geschickt, um herumzureisen. Sie
kehrte schwanger zurück, ohne irgendeinen Kerl in Sicht. Congratulations. Die
Stimmung in der Familie ist nicht besonders gut, das spürt man schon. Also ich
spüre das. Vielleicht nicht jeder. Denn oberflächlich sind sie sehr freundlich
und fröhlich miteinander. Nur Amber kommt mir manchmal vor wie eine schwangere Pubertierende (was eine entsprechend explosive Mischung ist, I tell you that!)
Bereits um zehn Uhr ist der
Himmel jedoch kristallblau und die Sonne lacht. Herrlicher Tag! Ich bin nur ein
bisschen grummelig, dass ich den Morgen im Haus verbringen muss, und direkt
nach „Feierabend“ und nach einem Salat zu Mittag, den ich mir selbst gemacht
habe (Gott, wie habe ich Salat vermisst! Hier besteht praktisch jede Mahlzeit
aus Fleisch, mal vom Frühstück abgesehen, und ich bin doch so ein Gemüse- und
Salatesser…) klappern Lazlo und ich wieder mit dem alten Auto an den Strand. Wir
bringen Jerome noch zu seinem Pony Club (you remember, Jerome ist der taube Freund von Karina, den ich so cool finde) und dann geht’s los… ich darf sogar eine Strecke fahren, das erste Mal in Neuseeland. Bis auf einen Kreisverkehr jedoch keine komplizierten Verkehrsregeln ;)
blue sky and black sand - not bad, eh? |
Laszlo betet das Meer an... oder so ;) |
Bei blauem Himmel ist der Strand sogar
noch schöner. Und erstaunlicherweise genauso leer wie das letzte Mal. Wir
laufen fast anderthalb Stunden in eine Richtung, ohne eine Menschenseele zu
treffen. Bei Lazlo tendiere ich sehr dazu, tiefsinnige Gespräche zu führen,
vielleicht auch, weil er so „weise“ ist, aber es ist schön, und ruhig, und fast
meditativ… ich sammle ein paar herrliche Muscheln (weiß noch nicht, ob ich die
mitnehmen werde, so viel Platz hab ich ja nicht in meinem Rucksack…) und
genieße mich selbst *g* Auf dem schwarzen Sand ist eine dünne heiße Kruste
angetrocknet, und wenn man barfuß läuft, spürt man, wie man durch diese Kruste
kracht, um dann im warmen, weichen Sand zu versinken… herrlich! Wir legen sogar
einen Sprint ein, weil ich erwähne, dass ich das Joggen vermisse; und
es ist wunderbar, auch wenn meine Lunge nach ein paar hundert Metern gegen das kratzige
Salz protestiert.
Als wir wieder zu Hause ankommen, ist Josef bereits da. Wir haben Josef schon erwartet. Josef kommt nämlich aus Österreich bzw. Norditalien. Er ist 61 und wurde von seinem Sohn als helpxer zum Geburtstag nach Neuseeland geschickt (das muss man sich mal geben!). Er will jetzt bei Karina bis vor Weihnachten bleiben und den Garten umgraben oder so. Josef ist schrecklich nervös, sein Englisch ist grottig (wirklich! Jogi ist nix dagegen!) und er lacht ununterbrochen, weil er kaum was versteht.
Anyway, wir bekommen ein super Abendessen serviert – eigenes Schweinchen mit Kartoffeln, Kürbis und anderem Gemüsezeugs, das ich noch nie gegessen habe und (wie immer bei Gemüse) sehr lecker finde. Als es schon dunkel ist, marschieren wir auf die Schafweide rauf, um die Sterne anzuschauen. Es ist total wolkig, und außer dem Skorpio kann Laszlo mir daher kein Sternzeichen zeigen. Auch nicht das Southern Cross, das ich doch so gerne mal kapiert hätte (in Afrika hat keiner geschafft, mir verständlich zu machen, wie man aus diesem Sternzeichen die Himmelsrichtungen liest). Aber was soll’s, war ja nicht unsere letzte Nacht.
Als wir wieder zu Hause ankommen, ist Josef bereits da. Wir haben Josef schon erwartet. Josef kommt nämlich aus Österreich bzw. Norditalien. Er ist 61 und wurde von seinem Sohn als helpxer zum Geburtstag nach Neuseeland geschickt (das muss man sich mal geben!). Er will jetzt bei Karina bis vor Weihnachten bleiben und den Garten umgraben oder so. Josef ist schrecklich nervös, sein Englisch ist grottig (wirklich! Jogi ist nix dagegen!) und er lacht ununterbrochen, weil er kaum was versteht.
Anyway, wir bekommen ein super Abendessen serviert – eigenes Schweinchen mit Kartoffeln, Kürbis und anderem Gemüsezeugs, das ich noch nie gegessen habe und (wie immer bei Gemüse) sehr lecker finde. Als es schon dunkel ist, marschieren wir auf die Schafweide rauf, um die Sterne anzuschauen. Es ist total wolkig, und außer dem Skorpio kann Laszlo mir daher kein Sternzeichen zeigen. Auch nicht das Southern Cross, das ich doch so gerne mal kapiert hätte (in Afrika hat keiner geschafft, mir verständlich zu machen, wie man aus diesem Sternzeichen die Himmelsrichtungen liest). Aber was soll’s, war ja nicht unsere letzte Nacht.
Fairytale Forest on one side, beach on the other side, amazing smell all around! |
Meine Muschel-Kollektion (und meine Sandkastenhände) |
Am Folgetag genieße ich meine
household duties richtig. Ich bin total entspannt, putze vor mich hin und backe
ein Früchtebrot und ein Lemon-Poppyseed-Brot, das sich als köstlich
herausstellen wird… Vor dem Mittagessen kommen zwei weitere helpxer an, die
jedoch in ihrem Campervan schlafen werden. Zwei Krankenschwestern (20 und 21)
aus Bayern – ächz, ist hier Deutscheninvasion? Zum Glück halten sich alle an
die Englischregel, Deutsch sprechen ist gegenüber den Gastgebern wirklich
unhöflich.
Mittags holen wir vier der elf
Pferde rein und putzen sie ausgiebig. Jerome und ich werden später reiten! Die
Pferde waren über 2 Wochen nur auf der Koppel und sehen auch so aus. Die beiden
Krankenschwestern und ich verbringen zwei Stunden damit, die Matschkruste aus
ihrem Fell zu kratzen. Ich soll ein Pferd reiten, das Karina gern zum Testen
der Reitkünste ihrer helpxer benutzt, weil es wohl recht schlau/frech ist. Ohne
Sattel. Echte Maori-Reitkultur. Man muss erst das richtige „Feeling“ bekommen
und sich seinen Sattel verdienen. Sprich, wenn ich nachher runterfalle, weil
ich noch nie in meinem Leben ohne Sattel geritten bin (außer vielleicht einmal
mit 10 in der Reitstunde), dann darf ich Karinas Ponys nie mehr reiten! Sie
scheint sehr streng zu sein, will keine schlechten Reiter auf ihren Pferden.
But then, why should I be a bad rider?
Jerome hilft mir, mein kleines
braunes Pony fertigzumachen, und schmeißt mich hoch. Dann erklärt er mir, dass
das Pony sehr strong sei und immer buckelt und ich dann die Beine zumachen
soll. Und dass er, als er ihn zum ersten Mal geritten ist, viermal
runtergefallen sei. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es ein Wunder, wie gut
wir uns verständigen können! Ich mag Jerome sehr, er ist total herzlich und ehrlich.
Vielleicht mag ich ihn von der ganzen Familie sogar am meisten. Jerome reitet
ein Scheckpony, mit Sattel. Er erklärt mir, dass sein Pony der Vater von dem
Fohlen ist, das oben auf der Weide steht – und dann reiten wir los! Ohne
Sattel, auf einer steilen, holprig-matschigen Schafweide, am Berg, auf einem
Pony, das 2 Wochen keinen Menschen zu Gesicht bekommen hat und gerne buckelt. Anfangs
bin ich entsprechend gefasst auf alles, aber nachdem wir den Berg ein wenig
hoch- und runtergetrabt sind, habe ich begriffen, was Jerome mit Buckeln meint
(naja, er hat es ja nicht gesagt, nur mit den Händen gezeigt) und entspanne auf meinem kleinen Schaukelpferdchen (ja, es buckelt, aber es ist lustig!). Ich habe Spaß mit diesem Pony, es ist rotzfrech und zieht alle
Register und ich kann mir schon vorstellen, dass ungeübte Reiter da
runterpurzeln. Erstaunlicherweise ist es gar nicht so schlimm ohne Sattel, ich
sitze einfach auf meinem Pferd, bin in meinem Element, trabe durch empört blökende
Schafe, blicke hinaus in die herrliche Hügellandschaft, spüre den Wind um meine
Ohren, diskutiere ein bisschen mit meinem überaus fröhlichen Pony und bin
glücklich. Und neben mir reitet, mit liebenswertem Grinsen und leicht
schielendem Blick, ein tauber Neuseeländer, der mir den emporgereckten Daumen
zeigt und sich seines Lebens freut. Herrlich!
Als wir zurückkommen, weiß ich,
was ich die letzten zwei Wochen vermisst habe. Ich gehöre aufs Pferd! Basta! Laszlo
und Josef applaudieren, als wir wieder die Weide herunterreiten.
Jerome „erzählt“ Karina später,
dass ich gut war und dass das Pony losrannte und
ich einfach ganz lässig drauf gesessen sei (also das habe ich zumindest „verstanden“),
und dann sagt Karina, dass ich morgen mit Sattel reiten darf. Too cool! I’ve made
it through her test! Vielleicht darf ich jetzt mal mit Jerome in den
Märchenwald reiten. Yeah!
I’m happy! :)
Juhuuu..ein neuer Eintrag :-).
AntwortenLöschenDu wirst ja zu einer richtigen Hausfrau.Seeehr gut!
Dieses Früchtebrot hört sich echt lecker an.
Und die neuen Bilder(besonders das Strandbild,gefallen mir total.Ich liebe das Meer!
Und endlich bist du wieder auf dem Rücken der Pferde..so gehörts sichs :-).
Krass..was wollen denn Bayrische Krankenschwestern in NZ?tz..naja solange sie nett sind.
Pfirsichsoße..hört sich interessant an :-).
I love ur blog entries!
Take care.