Sonntag, 19. Februar 2017

News from Paradise


Seit dem letzten Blogeintrag gibt es zumindest eine massive Veränderung zu vermelden: Wir wohnen nicht mehr zu zweit im Outpost-Haus, sondern zu viert! Red und Andrea, die zwei Monate Urlaub auf den Phillippinen gemacht haben, sind zurück in ihrem Zuhause/unserem Outpost-Häuschen. Die beiden sind ursprünglich aus England und von Pete und Estelle angestellt worden, um hier draußen ein Volunteer-Projekt zu starten, damit das Land („die Farm“) irgendwie genutzt und finanziert werden kann. Dazu müssen sie jetzt ordentlich Marketing machen, das Camp und das Programm aufbauen und natürlich „Freiwillige“ finden, die bereit sind, einen Batzen Geld zu zahlen, um hier draußen fünf Wochen am Stück bespaßt zu werden. Irgendetwas muss man mit dem Land hier machen, und ganz so larifari-einfach ist das nicht. Die endlose Weite schreit geradezu nach Wildtieren, aber wenn man Geparde oder Leoparde zur Regulierung des Antilopenbestandes einführen würde, würde schnell klar werden, dass die Weite eben doch nicht endlos ist und an ihren schwach umzäunten Rändern an Nachbar(vieh-)farmen anknüpft…
Red und Andrea wollen auch die Pferde für ihr Volunteerprogramm benutzen, und die Tatsache konfrontiert mich (mal wieder) mit meinem ausgeprägten Beschützerinstinkt für „meine“ liebe- und mühevoll eingerittenen und versorgten Pferde… und wieder mal renne ich gegen dieselbe (harte) Wand in meiner Arbeit mit Pferden… ich will nur einfach nicht, dass ihnen wehgetan wird, was so oft und so leicht in dieser Welt passiert, insbesondere durch Menschen, die nicht so viel von Pferden verstehen, aber glauben, das sei alles ganz einfach und offensichtlich („man zieht rechts, um nach rechts zu reiten, und links, um nach links zu reiten, und an beiden Zügeln, wenn man langsamer reiten will… ach ja, und man kickt, wenn man schneller reiten will… ach so, Sättel müssen passen? …und Pferde brauchen Futter wenn sie arbeiten?“)…. und die Pferde hier sind schon was ganz Besonderes. Erstens sind sie hart wie Krummstahl, um in dieser Halbwüstengegend überleben zu können; zweitens sind die meisten aber auch von ihnen von geradezu lämmchenartigem Gemüt (Nooitgedacht-Pferde) und das macht sie leicht verletzbar. Ich merke schon jetzt beim Training, dass wir in ein sehr sensibles Balancesystem eingreifen, das die Pferde entwickelt haben, um in diesem Terrain zu überleben. Viel mehr als jedes „normale“ Pferd stellen diese Pferde alles, was man ihnen beibringt, in Frage – nicht dass sie harte Geschütze auffahren, aber wenn man ihnen zuhört, dann versteht man ganz genau, warum sie manches, was wir mit ihnen machen, anzweifeln. Ihre Überlebensstrategie ist es, in der Sicherheit ihrer Herde gemeinsam nach Futterstellen zu suchen; in der Hitze des Tages so wenig Energie wie möglich durch Bewegung zu verschwenden; ihre sozialen Hierarchien zu pflegen und Acht aufeinander zu geben; ihren Körper, der letztlich ihr größtes Überlebenskapital ist, so gut wie möglich zu schonen; und am liebsten einfach nur in Frieden, in der Herde, im Schatten, mit Zugriff auf Futter und Wasser zu sein. All das, was für die meisten Pferde in Deutschland selbstverständlich ist, müssen diese Pferde sich hart erarbeiten, und gesundheitlich sind sie auch auf einem ganz anderen (deutlich instabileren) Level.
Meine große Liebe Sirius, von dem ich so viel lerne

Da fragt man sich schon manchmal genau das, was die Pferde einen fragen: „Was machen wir hier eigentlich? Wozu soll das gut sein?“ Ich habe Tage, wo ich die Pferde einfach nur in Ruhe lassen will, bzw. sie füttern, pflegen und mit ihnen Zeit verbringen möchte, aber nicht trainieren und vom Rest der Herde wegreiten, womöglich noch über anstrengenden Boden (Beine und Hufe schonen!) und dabei unvermeidlichen Energieverlust herbeiführen… diese Pferde hier sind wunderbare, weise Seelen, einige von ihnen haben über die letzten Jahre Fohlen verloren (Unterernährung…), und ich bin so gerne in ihrer Gesellschaft und schaue ihrer Herdendynamik, ihrer Kommunikation untereinander zu.

Ich bin gespannt, was aus ihnen werden wird.
Sunset Romance
Manchmal bekommen wir Besuch von Ben, Petes Sohn, ein durch und durch wunderbares Kerlchen ;), der sich zur Zeit um die ganze Farm kümmert, weil Pete und Bens süße Schwester Cheri in alle Himmelsrichtungen Afrikas beruflich ausgeflogen sind. Manchmal bekommen wir auch Besuch von Rudi, der Maus in unserer Futterkammer; einmal beehrte uns eine wunderschöne, jedoch hochgiftige Coral Cape Cobra im Badezimmer. Ich habe sie barfüßig entdeckt und ausgiebig bewundert (close call, that one!), ehe wir sie einfingen und weit weg vom Haus aussetzten. Red und Andrea haben ziemlich Angst vor Schlangen; seit sie wieder da sind, müssen alle Türen geschlossen bleiben, was gelegentlich für einen lieblichen Saunaeffekt sorgt. Ich gebe mir Mühe, keine Angst vor Schlangen zu haben, aber Respekt habe ich schon. Respekt in jeder Hinsicht; für die ganze Beschaffenheit ihrer Natur inklusive ihrer Schönheit und ihrer Eigenschaft, sich bei Gefahr zu verteidigen. In dieser Hinsicht gehen Lizzys und meine mit Andreas und Red’s Philosophie etwas auseinander. Skorpione werden erbarmungslos mit Gewichten erschlagen und die Stille* mit dauerlauter Partymusik aus dem High-Quality-Speaker. (*bzw. ein liebenswürdiger Mix aus: aus dem weichen Rauschen des Windes und der dürren Büsche, dem schrillen Gesang der Wüstengrillen, dem Zwitschern der Vögel, dem Knacken des Daches in der Hitze und gelegentlichem Klappern, wenn der Wind mit irgendetwas spielt.) Gras haben sie zwar (noch) keines, sind aber dabei, sich welches zu besorgen, damit sie sich abends am Lagerfeuer endlich nicht nur besaufen, sondern auch bekiffen können. :D Es ist ein großer Spaß - wir sortieren uns schon aus und ich gebe mir Mühe, nicht so alt und prüde zu sein. Manchmal komme ich mir allerdings schon ziemlich alt vor :D („Just during dinner, would you mind turning down the music a bit?“) Ich habe jetzt auch gelernt, dass meine Art, Englisch zu sprechen, unglaublich altmodisch ist – anscheinend total 1950’s. Ich muss da mal ein ernstes Wort mit den deutschen Schulenglischverlägen sprechen.

Was kann ich euch sonst noch berichten? Es sind nach wie vor paradiesische Zustände hier – aufwachen mit der aufgehenden rotglühenden Sonne, einschlafen unter dem endlosen Sternenhimmel und stets mit Blick auf einige Sternschnuppen; körperlich aktiv sein, joggen, reiten, durch die Gegend laufen/klettern, Bodyweight Training, Pilates/Yoga und die üblichen Aufgaben, die anfallen und sich hier „körperlicher“ gestalten (Elektrizität und Wasser sichern, Dusche „laden“, Wäsche waschen, Ponys füttern etc.)….. ich genieße den Nebeneffekt, ein bisschen fitter zu sein und mich auch so zu fühlen :)
Karamba!!! :D


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