Montag, 27. Februar 2017

German Bratwurst II


Nach meiner ersten, ziemlich kross verbrutzelten Woche habe ich mir keinen Sonnenbrand mehr geholt – was der Bratwurstserie leider kein Ende setzen konnte. Vergangenen Freitag habe ich mir „intelligenter Weise“ beim Popcorn-Poppen das gesamte rauchend heiße Öl aus dem Topf über den Fuß gegossen; bitte fragen Sie nicht, warum. Temporäre Geistesabwesenheit trifft es ganz gut. Jedenfalls hat es einen beträchtlichen Teil meiner Fußoberfläche und meiner Zehen erfolgreich gebraten und meiner Karriere als Wüstenjogger und -aerobicer eine jähe Zwangspause auferlegt.
German Bratwurst II
Seither bin ich meistens schon froh, wenn ich morgens aufwache und das Gefühl habe, zum Gehen fähig zu sein… mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren und mich in Geduld zu üben. Ich kann euch jedoch von Herzen empfehlen, das zu Hause nicht nachzumachen, es sei denn, ihr seid auf der Suche nach einem erzwungenen spirituellen Erlebnis durch Sportentzug. Zum Glück habe ich es bisher einigermaßen geschafft, die Pferde zu arbeiten – oh, und dabei hatte ich ein einzigartiges Erlebnis:

Wir haben ja den Pen, in den wir Pferde, die wir arbeiten, einsperren können (damit wir nicht stunden- bis tagelang nach ihnen suchen müssen). Darin sind zur Zeit vier Pferde; eins davon ist die zweijährige Naledi, die uns zum Halftertraining beehrt – und weil Naledi noch nie getrennt von ihrer Mama Misty war, machte sie ein großes Drama, als Misty mit dem Rest der freien Herde weiterziehen wollte. Das Resultat: Misty blieb beim Pen, während die Herde weiterzog. Wir haben also vier Pferde im Pen und Misty außerhalb des Pens, wo sie natürlich auch etwas Futter abbekommt ;) Als ich eines Morgens alleine am Pen ankomme, um die Pferde zu arbeiten, steht Misty etwa zehn Meter vom Landrover und beobachtet mich. Ich plappere munter mit ihr und mache mich währenddessen fertig zum Reiten, tausche meine Flipflops gegen Stiefeletten aus und (aufgrund der Tatsache, dass ich alleine bin) fluche wild, als ich meinen verbrannten rechten Fuß in die Stiefelette zwänge. Ich erwarte eigentlich, dass mein lautes „aua aua aua“ Misty vertreibt; stattdessen jedoch schaut sie  mich aus ihren großen Augen an und fängt dann an, ihren rechten Vorderfuß mit der Nase zu reiben. Im nächsten Moment kommt sie auf mich zu, bis sie ganz bei mir ist, und legt ihre Nase auf meinen rechten brennenden Fuß! So bleibt sie stehen, die weiße Stute, die die Freiheit hat, überallhin zu gehen – und ich bin ganz schön baff… ich hatte dieses Erlebnis schon mit Hunden und Katzen, aber noch nie mit (wilden) Pferden… als sie fertig ist mit Naseauflegen, bedanke ich mich bei ihr und humple schließlich zum Pen…. Ich sagte ja schon, die Pferde hier sind etwas Besonderes. Durch ihre Wildheit und Freiheit und Selbstständigkeit sind sie gleichzeitig ganz schön weise und ihre Instinkte unglaublich ausgeprägt… nicht zu vergleichen mit der „domestizierten“ Form von Pferd, die im Stall/Offenstall zivilisiert mit Menschen in einer Symbiose lebt und sich keine Gedanken um Futter, Wasser und Schatten machen muss…
2yrs old Naledi wäscht unsere Wäsche :D
Ich bin ziemlich dankbar, Pferde auf diese Art zu erleben. Das prägt mich auf jeden Fall für meinen zukünftigen Umgang mit Pferden. Man entwickelt eine ganz andere Dankbarkeit in der Beziehung mit ihnen, und ein feines Gespür für ihre natürlichen Verhaltensmuster und soziale Dynamik. Und man hinterfragt auch (oder ich zumindest), was wir überhaupt von diesen feinen, spirituellen Wesen wollen, wenn wir auf ihrem Rücken rumhoppeln, sie zu Turnieren karren, ihre Mähnen verziehen und Hufe polieren, ihnen sündhaft teure Supplements füttern, farblich passende Bandagen und Schabracken verpassen und von ihnen verlangen, sich auf eine bestimmte Art und Weise für uns zu verhalten (was auch immer wir letztlich mit unseren Pferden anstellen)… ich bin so happy hier mit der wilden Herde, wissend, dass sie gut auf sich selbst aufpassen können und dass selbst ein Halftertraining mit einer zweijährigen „Wilden“ nicht authentischer sein könnte; sich ganz ohne Zwang und Bestechung auf diese Wesen einzulassen und sich (mit direktem Feedback) selbst ständig zu hinterfragen, ob das eigene Verhalten ihres Vertrauens und ihrer Kollaboration würdig ist… wonderful humbling experience.

Sonntag, 19. Februar 2017

News from Paradise


Seit dem letzten Blogeintrag gibt es zumindest eine massive Veränderung zu vermelden: Wir wohnen nicht mehr zu zweit im Outpost-Haus, sondern zu viert! Red und Andrea, die zwei Monate Urlaub auf den Phillippinen gemacht haben, sind zurück in ihrem Zuhause/unserem Outpost-Häuschen. Die beiden sind ursprünglich aus England und von Pete und Estelle angestellt worden, um hier draußen ein Volunteer-Projekt zu starten, damit das Land („die Farm“) irgendwie genutzt und finanziert werden kann. Dazu müssen sie jetzt ordentlich Marketing machen, das Camp und das Programm aufbauen und natürlich „Freiwillige“ finden, die bereit sind, einen Batzen Geld zu zahlen, um hier draußen fünf Wochen am Stück bespaßt zu werden. Irgendetwas muss man mit dem Land hier machen, und ganz so larifari-einfach ist das nicht. Die endlose Weite schreit geradezu nach Wildtieren, aber wenn man Geparde oder Leoparde zur Regulierung des Antilopenbestandes einführen würde, würde schnell klar werden, dass die Weite eben doch nicht endlos ist und an ihren schwach umzäunten Rändern an Nachbar(vieh-)farmen anknüpft…
Red und Andrea wollen auch die Pferde für ihr Volunteerprogramm benutzen, und die Tatsache konfrontiert mich (mal wieder) mit meinem ausgeprägten Beschützerinstinkt für „meine“ liebe- und mühevoll eingerittenen und versorgten Pferde… und wieder mal renne ich gegen dieselbe (harte) Wand in meiner Arbeit mit Pferden… ich will nur einfach nicht, dass ihnen wehgetan wird, was so oft und so leicht in dieser Welt passiert, insbesondere durch Menschen, die nicht so viel von Pferden verstehen, aber glauben, das sei alles ganz einfach und offensichtlich („man zieht rechts, um nach rechts zu reiten, und links, um nach links zu reiten, und an beiden Zügeln, wenn man langsamer reiten will… ach ja, und man kickt, wenn man schneller reiten will… ach so, Sättel müssen passen? …und Pferde brauchen Futter wenn sie arbeiten?“)…. und die Pferde hier sind schon was ganz Besonderes. Erstens sind sie hart wie Krummstahl, um in dieser Halbwüstengegend überleben zu können; zweitens sind die meisten aber auch von ihnen von geradezu lämmchenartigem Gemüt (Nooitgedacht-Pferde) und das macht sie leicht verletzbar. Ich merke schon jetzt beim Training, dass wir in ein sehr sensibles Balancesystem eingreifen, das die Pferde entwickelt haben, um in diesem Terrain zu überleben. Viel mehr als jedes „normale“ Pferd stellen diese Pferde alles, was man ihnen beibringt, in Frage – nicht dass sie harte Geschütze auffahren, aber wenn man ihnen zuhört, dann versteht man ganz genau, warum sie manches, was wir mit ihnen machen, anzweifeln. Ihre Überlebensstrategie ist es, in der Sicherheit ihrer Herde gemeinsam nach Futterstellen zu suchen; in der Hitze des Tages so wenig Energie wie möglich durch Bewegung zu verschwenden; ihre sozialen Hierarchien zu pflegen und Acht aufeinander zu geben; ihren Körper, der letztlich ihr größtes Überlebenskapital ist, so gut wie möglich zu schonen; und am liebsten einfach nur in Frieden, in der Herde, im Schatten, mit Zugriff auf Futter und Wasser zu sein. All das, was für die meisten Pferde in Deutschland selbstverständlich ist, müssen diese Pferde sich hart erarbeiten, und gesundheitlich sind sie auch auf einem ganz anderen (deutlich instabileren) Level.
Meine große Liebe Sirius, von dem ich so viel lerne

Da fragt man sich schon manchmal genau das, was die Pferde einen fragen: „Was machen wir hier eigentlich? Wozu soll das gut sein?“ Ich habe Tage, wo ich die Pferde einfach nur in Ruhe lassen will, bzw. sie füttern, pflegen und mit ihnen Zeit verbringen möchte, aber nicht trainieren und vom Rest der Herde wegreiten, womöglich noch über anstrengenden Boden (Beine und Hufe schonen!) und dabei unvermeidlichen Energieverlust herbeiführen… diese Pferde hier sind wunderbare, weise Seelen, einige von ihnen haben über die letzten Jahre Fohlen verloren (Unterernährung…), und ich bin so gerne in ihrer Gesellschaft und schaue ihrer Herdendynamik, ihrer Kommunikation untereinander zu.

Ich bin gespannt, was aus ihnen werden wird.
Sunset Romance
Manchmal bekommen wir Besuch von Ben, Petes Sohn, ein durch und durch wunderbares Kerlchen ;), der sich zur Zeit um die ganze Farm kümmert, weil Pete und Bens süße Schwester Cheri in alle Himmelsrichtungen Afrikas beruflich ausgeflogen sind. Manchmal bekommen wir auch Besuch von Rudi, der Maus in unserer Futterkammer; einmal beehrte uns eine wunderschöne, jedoch hochgiftige Coral Cape Cobra im Badezimmer. Ich habe sie barfüßig entdeckt und ausgiebig bewundert (close call, that one!), ehe wir sie einfingen und weit weg vom Haus aussetzten. Red und Andrea haben ziemlich Angst vor Schlangen; seit sie wieder da sind, müssen alle Türen geschlossen bleiben, was gelegentlich für einen lieblichen Saunaeffekt sorgt. Ich gebe mir Mühe, keine Angst vor Schlangen zu haben, aber Respekt habe ich schon. Respekt in jeder Hinsicht; für die ganze Beschaffenheit ihrer Natur inklusive ihrer Schönheit und ihrer Eigenschaft, sich bei Gefahr zu verteidigen. In dieser Hinsicht gehen Lizzys und meine mit Andreas und Red’s Philosophie etwas auseinander. Skorpione werden erbarmungslos mit Gewichten erschlagen und die Stille* mit dauerlauter Partymusik aus dem High-Quality-Speaker. (*bzw. ein liebenswürdiger Mix aus: aus dem weichen Rauschen des Windes und der dürren Büsche, dem schrillen Gesang der Wüstengrillen, dem Zwitschern der Vögel, dem Knacken des Daches in der Hitze und gelegentlichem Klappern, wenn der Wind mit irgendetwas spielt.) Gras haben sie zwar (noch) keines, sind aber dabei, sich welches zu besorgen, damit sie sich abends am Lagerfeuer endlich nicht nur besaufen, sondern auch bekiffen können. :D Es ist ein großer Spaß - wir sortieren uns schon aus und ich gebe mir Mühe, nicht so alt und prüde zu sein. Manchmal komme ich mir allerdings schon ziemlich alt vor :D („Just during dinner, would you mind turning down the music a bit?“) Ich habe jetzt auch gelernt, dass meine Art, Englisch zu sprechen, unglaublich altmodisch ist – anscheinend total 1950’s. Ich muss da mal ein ernstes Wort mit den deutschen Schulenglischverlägen sprechen.

Was kann ich euch sonst noch berichten? Es sind nach wie vor paradiesische Zustände hier – aufwachen mit der aufgehenden rotglühenden Sonne, einschlafen unter dem endlosen Sternenhimmel und stets mit Blick auf einige Sternschnuppen; körperlich aktiv sein, joggen, reiten, durch die Gegend laufen/klettern, Bodyweight Training, Pilates/Yoga und die üblichen Aufgaben, die anfallen und sich hier „körperlicher“ gestalten (Elektrizität und Wasser sichern, Dusche „laden“, Wäsche waschen, Ponys füttern etc.)….. ich genieße den Nebeneffekt, ein bisschen fitter zu sein und mich auch so zu fühlen :)
Karamba!!! :D


Donnerstag, 16. Februar 2017

Wild Life


Hi guys,


Wir haben seit einer Weile kein Internet mehr auf unserem kleinen Outpost… ich sitze also grade in der “Bibliothek”, die ungefähr eine Fahrstunde entfernt in einem kleinen “Dorf” namens Warmbad freies Internet anbietet. Die fünf (!) einheimischen Mitarbeiterinnen sind ganz aufgeregt, weil jemand tatsächlich ihre Bibliothek besucht, und ich habe soeben ein Evaluation Formular ausgefüllt mit Grund meines Besuches (äh… free internet? :D) und einem Kommentar zur Auswertung des Services („great!“).
Ihr seht, ich nehme große Strapazen auf mich, um euch up to date zu halten!
Genießen Sie den (nicht mehr brand-)neuen Blogeintrag, wir wünschen viel Vergnügen!
* * *
Lizzy heute so: „We must look pretty cool. Like, riding horses, exercising, cooking over the fire…” (Wir haben kein Gas mehr. Wir haben also gar keine andere Wahl als auf dem Feuer zu kochen – und ehrlich gesagt habe ich riesigen Spaß daran, auch wenn es ewig dauert, aber boy, ihr glaubt gar nicht wie sehr man die Resultate genießt!!!)
This babe can work out and cook over the fire at the same time ;)
Allmählich fühle ich mich „settled“, angekommen hier. Und ich genieße es sehr! Going for sundowners in the most beautiful scenery, durch die unerforschte, harte Landschaft reiten mit Backpacks voll Wasser und Snacks, Pause machen mit gechillten Pferden...
Sirius, ehemaliger Leithengst, my best buddy :)
....beim Joggen/Functional Training/Aerobic schwitzen, auf dem Feuer kochen, Bodenarbeit mit (Halb-)Wildpferden machen, Cowboyhüte tragen, barfuß im Schatten des einzigen Baumes chillen, Bullenpeitsche knallen üben, im Regen tanzen (das war leider ein einmaliges fünf-Minuten-Vergnügen, aber trotzdem!), kalten Kaffee trinken, unter den Sternen schlafen… man findet so seinen eigenen Rhythmus, der manchmal aufgrund der Hitze sehr langsam ist… J

Einer unserer „typischen“ Tagesabläufe sieht in etwa so aus:

  • Aufwachen unterm Sternenhimmel, Feuer anmachen, Wasserkessel aufsetzen
  • Bettrolle zusammenpacken, Tee/Kaffee trinken und den Sonnenaufgang bestaunen
  • Joggen/Yoga/Bodyweight Training
  • Duschen, Frühstück im Freien
  • Sättel/Trensen/Putzzeug/Wasser/Snacks packen, in den Landy hüpfen, zum Schuppen fahren und Luzerne packen, zu den Pferden fahren und Luzerne füttern/Wasser auffüllen, zum Solarpanel fahren und es drehen (falls nicht schon abends geschehen)
turning the solar panel

  • Arbeit mit den Pferden (je nachdem…)
  • Zurück zum Haus fahren, Mittagessen machen & essen
  • Zwei bis drei Stunden groggy auf dem Steinboden liegen und schwitzen wie in der Sauna; zwischendurch kurz aufstehen, auf den Landy hüpfen, Solarpanel drehen und Wasser für die Pferde checken/auffüllen
  • Aufstehen und einen riesigen, körperumrissförmigen Wasserfleck hinterlassen (trotz Kleidung, sogar durch die Jeans…)
  • Kaffee/Tee machen und trinken, lesen/lernen/schreiben
  • Stutenherde füttern/striegeln/schauen ob alle gesund und okay sind - wenn sie ans Haus kommen (was sie sehr gerne tun), dafür sorgen, dass sie die Veranda nicht zerstören...
Beim Versuch, den Pferden die Bedeutung unseres neuen Schildes beizubringen ("Keine Pferde mehr auf der Veranda!")

    Lizzy bei der "Fellpflege" mit Njote
Wenn es endlich abkühlt: Landy schnappen und auf die andere Seite des Zaunes fahren, die „Jungs“ suchen – auf Berge klettern, um sie evtl. besser zu finden, viel laufen, viel rufen…. – bei Erfolg füttern, putzen, Body Inspection, reiten/longieren... bei Misserfolg (Nicht-Auffinden der Jungs) mehr Laufen, Klettern, und Orientierung (immerhin kennt keiner wirklich das Gelände), Namensgebung von markanten Felsen, Bergen und das Erbauen kleiner Schreine/"Wegsteine"; manchmal auch nur einfach sein und genießen.





kleine Sunset-Meditation :)
  • zurückfahren, duschen
  • Abendessen kochen
  • Zu den Pferden fahren, füttern, Solarpanel drehen, Wasser checken, zurückfahren
  • essen, am Feuer sitzen, Sterne anschauen…..
  • …unter den Sternen schlafen gehen J


Freitag, 3. Februar 2017

Horse Invasion

Pferdeinvasion auf unserem kleinen Outpost! ;)
Die Stutenherde, die theoretisch rund 40km hinaus in die Wildnis ziehen kann und die man schon manchmal tagelang nicht zu Gesicht bekommt, hat uns nun schon zweimal am Haus besucht! Big fun! Und natürlich gibt's bei uns auch was zu essen.

Besuch auf der Veranda
kleine süße Terroristin...
...und das bezieht sich nicht nur auf Flip Flops :D
Black Beauty
ein paar Stretchingübungen (Pferdeyoga!)...

Lizzy bei der Wasserschlacht mit happy Ponys

Die Kleine schaut lieber mal aus einigem Sicherheitsabstand zu...

Mittwoch, 1. Februar 2017

Proper Brokeback Mountain Adventures


Wir haben gestern doch die beiden Jungs „gefangen“ und „eingesperrt“ – infolgedessen brechen wir heute recht früh zu einem Erkundungsritt mit ihnen auf! Bevor wir aufbrechen können, müssen wir allerdings die Stutenherde verscheuchen, in deren Gebiet die Paddocks sind, in denen wir die Wallache über Nacht gelassen haben… und das stellt sich als sehr schwierig heraus! Die beiden Wallache packen das volle (vor allem in Sirius` Fall noch nicht lange abgelegte) Hengstprogramm aus und rasen wie wild durch ihren Paddock und die Stuten sehen gar nicht ein, warum sie nicht hüftschwingend um den Paddock herumschwadronieren können.
schneller Blick aus dem Landy auf die aufgeregte Stutenherde
Als wir die Stuten mit Fohlen endlich einige hundert Meter weg haben, hauen wir so schnell wie möglich auf den empörten Wallachen in die entgegengesetzte Richtung ab. Sirius protestiert steigend – immerhin hat ER diese Stuten noch vor einem Jahr gedeckt! Die meisten der Fohlen sind seine! Dafür kommen wir eigentlich ganz glimpflich davon.

Mit vier Litern Wasser im Rucksack, Äpfeln und Nüssen reiten wir also nach kurzer Herausforderung los. Lizzy weiß ungefähr, welche Ecke erkundet werden soll. Nach etwa einer Stunde stoßen wir auf den ersten alten Drahtzaun – davon gibt es hier noch viele, es war ja immerhin mal eine richtige „Farm“, so vor Zeiten der Apartheit – und reiten an ihm entlang, bis wir eine Stelle finden, wo er niedergetrampelt ist und man drübersteigen kann. Wir steigen ab, um die Pferde rüber zu führen. Lizzys Schimmel marschiert mutig voran; Sirius ist die Sache nicht geheuer. Ich rechne damit, dass er mir erst mal nicht folgen wird und laufe voran über den Zaun. Im nächsten Moment werde ich der Länge nach auf den Boden geschleudert, schrubbe über den Sand und spüre ein 600kg-Pferd über mich hinwegtrampeln und mir gegen den Kopf treten! Jesus! Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet!
der Übeltäter - Drahtzaun auf dem Boden
Lizzy ist im nächsten Moment bei mir und kümmert sich äußerst süß um mich. „See, he ran over you, see?“ Was die Schadensanalyse angeht, die man nach dem ersten Schrecken ja so macht, erinnere mich an viel Sand in der Hose und im Mund, Kopfschmerzen, einige brennende Hautstellen und feuchter warmer Flüssigkeit, die über mein Gesicht lief – aber kein major damage. Während Lizzy schließlich Sirius einfängt, mache ich mit Chimbote eine „Pause“ mit Trinken. Meine schöne Reitjeans ist am Knie zerrissen! Argh! Ich habe mir extra eine Jeans gekauft, damit sie nicht wie meine anderen Reithosen im Busch an den Dornen zerreißt!!!

Wie als Entschädigung taucht genau dort, wo ich pausiere, eine Schlange auf… (ich mag Schlangen!)- eine süße kleine, eine, die sich so verhält, wie man es von Schlangen erwartet: Bei Bodenerschütterung sucht sie das Weite :) Lizzy arbeitet noch ein bisschen mit Sirius und dem Zaun, dann reiten wir schließlich weiter. Ich weiß, dass in diesem Unfall hohes Gehirnerschütterungspotential liegt, und beobachte mein „Wohlbefinden“ aufmerksam. Was den Rest angeht, bin ich wundersamer Weise mit Hautabschürfungen, blauen Flecken und einem geschwollenen dicken Knie davongekommen!

DANKE SCHUTZENGEL!!!

Während wir reiten, erzähle ich Lizzy unter anderem von Japan und dass ich deren Shinto-Religion so schön finde: Sie glauben, dass Götter/Geister in besonders beeindruckenden Plätzen in der Natur wohnen, und bauen daher überall Schreine, wo die Natur besonders eindrucksvoll ist. Wir beschließen, auch einen zu machen und finden schließlich in einem kleinen (natürlich restlos ausgetrockneten) Flussbett zwei tolle Felsen, von denen einer eine interessante Gravierung hat. An diesem besonderen Ort werden also die „Grundsteine“ für den Schrein gelegt, wir opfern ein paar unserer Snacks und ein klitzekleines bisschen Wasser (in Ermangelung von Sake), klatschen zweimal (die Pferde so: „Waaah!“) und nehmen uns vor, zurückzukommen und weiterzubauen.
Chimbote inspecting the Shrine
Das Problem bei der Landschaftserkundung zu Pferde (und hier auf der Farm) ist, dass man in verdammt lange Sackgassen laufen kann (namentlich Canyons und Flussbetten). Man hofft die ganze Zeit, dass man am Ende wieder irgendwo herauskommt oder sich doch irgendwo am Ufer/Rand noch einmal eine Art begehbarer Pfad auftut, und dann steht man plötzlich vor einem (ausgetrockneten) Wasserfall… und es sind nur Felsen, Felsen und mehr Felsen. Keine Chance auf Weiterkommen. Also müssen wir umdrehen.

Die letzten zwei Stunden des Rittes bzw. Wanderung (der Untergrund ist so schlecht und felsig, dass wir die Pferde endlos lange Strecken führen müssen) sind tough. Wegen der Flussbettsackgasse geraten wir in die unbarmherzige Mittagshitze, und wir haben all unser Wasser über den Schrein gegossen :D (nein Spaß, natürlich nicht, aber wir haben selbst einiges getrunken und auch die Pferde minimalgetränkt)… die Sonne ist sowieso aggressiv, von Anfang bis Ende, aber nun kommt noch kochende Hitze dazu. Trotz langer Ärmel, Shemagh um den Hals, Hut, Sonnenbrille und Handschuhen findet die Sonne immer noch eine Schwachstelle an mir: Meine Ohren! Und zwar nicht von oben, sondern von der Seite! Ich erfinde also einen sicherlich ultramodern aussehenden Turban, der sowohl meine Ohren als auch meinen Nacken abdeckt und drücke meinen Hut wieder obendrauf. Dabei fühle ich mich zugegebenermaßen verdammt outback. (ÜBERHAUPT NICHT gleichzusetzen mit „cool“, übrigens!) So sehe ich sicher auch aus.  Also outback, nicht cool. An dieser Stelle muss ich auch die Kratzer erwähnen, die ich mir beim Zertrampeltwerden im Gesicht zugezogen habe – sie vervollkommnen den Brokeback Mountain Look.
Sirius schleicht mir auch noch müde hinterher :D
Spaß beiseite, wir sagen uns die ganze Zeit „We`re gonna be fine!“, und wir wissen auch beide, dass es stimmt – es ist nur wirklich verdammt hart. Wenn wir nur Wasser übrig hätten, wäre ALLES gut… Nur nicht an Wasser denken. Immer nur an den nächsten Schritt. Meine Lippen und das Innere meines Mundes/Rachens fühlt sich genauso ausgetrocknet an wie die uns umgebende Landschaft. Immer nur den nächsten Schritt. Wie gerne würde ich mich irgendwo hinsetzen und einfach nur da sitzen bleiben. Aber dann kommen wir nie zum Wasser. So sehr ich Sirius schonen will (der nicht einmal schwitzt), ich muss mich in den Sattel setzen und ein wenig tragen lassen… und er scheint sich daran nicht weiter zu stören. Mein Respekt für diese Pferde ist enorm! Zu sehen, wie sehr sie daran gewöhnt sind, in dieser unwirtlichen Landschaft umherzuziehen, tagein tagaus über spitze Steine, um Futter und Wasser zu finden (wo, um Himmels Willen?), ohne einen Hauch von Schatten aufgrund Ermangelung von Bäumen… tough. Einfach nur unglaublich tough.
Suchbild :) ...man fühlt sich schnell ziemlich klein in dieser Landschaft...
Wir hätten von Anfang an auf Sirius hören sollen. Er hat beide Male, als wir in Sackgassen/unbegehbares Gelände gelaufen sind, deutlich gezeigt, dass das keine gute Idee ist. Und als wir uns kurz trennten – Lizzy ritt ihren Wallach bewusst in die eine Richtung, ich ließ Sirius einfach laufen – da fand er sofort die Öffnung im Zaun, die wir gesucht hatten! Mit dieser Erinnerung im Kopf schlage ich vor, dass wir ihn einfach machen lassen – er kennt die Zäune, er weiß, wo sie offen sind (und das kann manchmal Kilometer dauern bis man diese Öffnung findet!), und er kennt Pfade zwischen den harten Felsen, die relativ weich und für Pferde einfacher begehbar sind. UND er kennt die Richtung nach Hause. Ich lasse ihn also laufen.

Er schlägt sofort die Richtung Heimat ein, und Lizzy zögert zunächst, weil sie das Gelände etwas kennt und weiß, dass uns und das Haus noch drei, vier sehr felsige kleinere „Schluchten“ trennen. Sie würde sich sicherer fühlen, einen Bogen außenherum zu reiten… Wir wollen beide nicht wieder in eine Sackgasse laufen und umkehren müssen, dafür sind wir zu fertig. Am Ende entscheiden wir uns dafür, Sirius zu vertrauen.

Die nächste und letzte Stunde verbringe ich tief beeindruckt und dankbar. Ich bin noch nie in meinem Leben so geritten. Eigentlich hat das mit Reiten nichts zu tun – ich sitze wirklich nur im Sattel eines absolut souveränen, beeindruckenden Tieres in seinem Element. Der Wallach navigiert seinen Weg durch unwegsames Gelände, manchmal in engem Zickzack, manchmal geradeaus, er kennt jeden Stein, jeden Busch, er nimmt jede Stelle mit, wo zwei dürre Grasbüschel wachsen (die ich ihn natürlich fressen lasse!), und er weiß, wie man die trockenen, felsigen Flussbetten runter und wieder rauf kommt (ich lasse ihn hierbei, bis auf einmal, sein eigenes Tempo wählen, das Trab und Galopp beinhaltet). Am Ende kommen wir auf herrlich weichen Sandwegen heraus und die beiden Wallache fallen fröhlich in Galopp (Sirius nicht ohne ein paar Bocksprünge rauszuhauen). Ich muss ihn ganz sanft ein bisschen bremsen, weil es mir sonst zu Harakiri wird (ich weiß ja den Weg nicht und manchmal schlägt er überraschend eine andere Richtung ein)…
Sirius, der Gute
Der Galopp ist herrlich! Nach so vielen Stunden Schritt/Führen ein Genuss!

Kurz darauf kommen wir am Haus an… wo wir natürlich eine fette Wasserparty feiern. Die Pferde saufen Eimer leer, Lizzy taucht ihren Kopf filmreif ins Wasserfass der Pferde, und ich schwöre, ich habe noch nie in meinem Leben so gutes Wasser getrunken :D

Wir haben etwas mehr als 20km zurückgelegt, und davon alles außer den letzten Galopp im Schritt bzw. zu Fuß. Not bad. Nobody can say we are not working! Aber mal ehrlich, stellt euch die Leute (vor langer Zeit) vor, die wirklich so lebten, die neues Gelände wie das hier erforschten, Baumaterial und Lebensnotwendigkeiten transportieren mussten, Familien füttern, dumme Kriege führen, Einheimische missionieren, Häuser bauen etc. etc.! Wir Menschen sind einen ganz schön langen Weg gegangen.

Natürlich müssen am selben Tag noch die Wallache versorgt und gefüttert werden, ein fett schweres Rad (Futtertrog) auf den Landy gehievt, die Stuten gefüttert, das Solarpanel gedreht und Essen für uns zubereitet werden…

So wie es bislang aussieht, sind die Tage hier intensiv, lang, und schwanken zwischen absoluten Extremen: Harter körperlicher Belastung und extrem romantischen Momenten, wo einen die Schönheit der Wildnis regelrecht erschlägt oder man sooo dankbar für das ist, was man hat. Wasser. Essen. Gesellschaft. Gesundheit. Eine kühle Brise…..

German Bratwurst


Ich sitze auf der Terrasse im Schatten mit dem, glaube ich, schlimmsten Sonnenbrand meines Lebens. Zum Glück betrifft er nur eine Seite des Nackens, ein Ohr und meine beiden Unterarme, aber aaargh! Ich will nie wieder in die Sonne!

Ich habe die Nacht draußen verbracht, und ein etwa rattengroßes Etwas huschte die ganze Zeit an meinem Kopfkissen vorbei – ich konnte die kleinen Füße auf dem Steinboden hören :D In der Nacht kühlte es dann so runter, dass ich von leerem Bettbezug auf Schlafsack umstieg… und ich habe mich erkältet. Mein Hals tat bei jedem Mal Schlucken irrsinnig weh. Wahrscheinlich die Klimaanlage im Flieger und/oder in Petes Auto auf dem Weg zur Farm. Zudem musste ich ein paar Moskitos erledigen – aber abgesehen davon habe ich gut geschlafen! ;)

Mit der aufgehenden Sonne gehen Lizzy und ich eine Runde joggen/spazieren… ich bin körperlich nicht ganz fit, außerdem noch nicht vollständig über die Reisestrapazen hinweg, aber es geht erstaunlich gut dafür, dass wir die meiste Zeit in tiefem Sand joggen. Wenn auch gemütlich. Wir versuchen vielleicht einen Blick auf die Herde zu erhaschen und einen pferdetauglichen Weg ins Flussbett hinunter zu finden – dessen wilde und raue Schönheit mich flasht – und legen dabei grade mal sieben gemütliche Kilometer zurück. Sollte für die Ponys also machbar sein.

Nach dem Joggen machen wir noch ein bisschen anderes Sportzeug, frühstücken und hüpfen dann in den Landy, um die Herde zu suchen (beim Joggen haben wir sie nicht gesehen). Wir finden sie erfreulich schnell und schnappen uns zwei der Wallache (relative Neu-Wallache) für einen Testritt. Ich spüre schon beim Losreiten, dass mein Nacken nicht ausreichend geschützt ist – Hammer, ist die Sonne aggro! Obwohl Lizzy mich irgendwann auf die Idee bringt, meine Haare aufzumachen, um wenigstens ein bisschen Schutz zu haben, verbrutzelt mir die rechte Nackenseite wie eine Bratwurst. Eish. Zum Glück waren wenigstens die Schultern bedeckt!

Die Ponys sind unheimlich süß, aber ziemlich grün. Von Hilfengebung verstehen sie nicht besonders viel, aber irgendwie ist es auch toll, gar nicht so viele Hilfen zu geben – nur wenn es wirklich nötig ist – und sich einfach mal von einem einheimischen Halbwildpferd sein Revier zeigen zu lassen. Ich fühle mich wie ein Tourist, der die Ehre hat, von einem Kenner durch das steinige, sandige Terrain getragen zu werden – es ist toll ihn einfach seinen Weg suchen zu lassen und nur grob die Richtung vorzugeben. Wir machen eine kurze Pause bei ein paar Felsen (surprise!) mit Wasser und Nüssen; in dieser Landschaft gibt es tatsächlich KEINEN Schatten. KEINE Bäume, keine Felsvorsprünge, nichts. Wenn man da draußen unterwegs ist, so wie die Pferde den ganzen Tag, hat man tatsächlich keine andere Wahl als in der Sonne zu ruhen.


Nach dem Ritt sperren wir die beiden Wallache in den Paddock, damit wir morgen wieder mit ihnen arbeiten können, ohne sie stundenlang suchen zu müssen, bringen ihnen Luzerne, bringen das Sattelzeug zum Haus zurück, drehen das Solarpanel fürs Wasser und holen den Landy dort ab, wo wir die Pferde gefunden haben. Klingt alles easy, ist aber mit einer Menge Laufen und körperlichem Einsatz verbunden – wenn ich hier „fertig“ bin, wird mein Körper aus Stahl sein! ;) Und ich gehe nieeee wieder ohne Shemagh und Ohrenschutz (ich hatte meinen Cowboyhut auf, aber er hat mein Ohr trotzdem nicht ausreichend beschützt!) aus dem Haus!

Den Spätnachmittag und Abend verbringen wir mit Lernen und Feuermachen/Kochen – aus Energiespargründen koche ich Kichererbsen auf dem Feuer (die müssen doch so lange kochen) und fühle mich großartig dabei. Macht voll Spaß, wie so ne Höhlenfrau Feuer zu machen und dafür zu sorgen, dass die Glut gut wird und das Feuer dann aufzuteilen und die Kochstelle zu bauen und den Kessel zu versorgen… da kommen irgendwelche Urzeitinstinkte durch… es sind ganz einfache Dinge, aber es ist vergleichsweise viel Arbeit für ein Abendessen – und genau deshalb ist es so schön. Für so etwas Zeit und Raum zu haben, und dann nach stundenlanger Arbeit unter dem unglaublichen Sternenhimmel am Feuer zu sitzen und gemeinsam zu essen; ich kann mir kaum was Schöneres vorstellen.

Die Nächte hier sind schlichtweg unglaublich. Wenn das Feuer nur noch aus Glut besteht und nicht mehr knackt, setzt eine unfassbare Stille ein. Es ist so still, dass man das Gefühl hat, es drückt einem auf die Ohren. Die Art von Stille, die Dichter „laute Stille“ nennen würden. Kombiniert mit der unfassbaren Weite des Himmels und der Halbwüste. Dazu kommt, dass es tagsüber heiß ist und es sooo schön ist, wenn es nachts etwas runterkühlt und ein sanfter Wind einsetzt. Ich liebe die Nächte. Schade eigentlich, dass wir nachts schlafen ;)