Wir haben gestern doch die beiden Jungs „gefangen“ und
„eingesperrt“ – infolgedessen brechen wir heute recht früh zu einem
Erkundungsritt mit ihnen auf! Bevor wir aufbrechen können, müssen wir
allerdings die Stutenherde verscheuchen, in deren Gebiet die Paddocks sind, in
denen wir die Wallache über Nacht gelassen haben… und das stellt sich als sehr
schwierig heraus! Die beiden Wallache packen das volle (vor allem in Sirius`
Fall noch nicht lange abgelegte) Hengstprogramm aus und rasen wie wild durch
ihren Paddock und die Stuten sehen gar nicht ein, warum sie nicht
hüftschwingend um den Paddock herumschwadronieren können.
|
schneller Blick aus dem Landy auf die aufgeregte Stutenherde |
Als wir die Stuten
mit Fohlen endlich einige hundert Meter weg haben, hauen wir so schnell wie
möglich auf den empörten Wallachen in die entgegengesetzte Richtung ab. Sirius
protestiert steigend – immerhin hat ER diese Stuten noch vor einem Jahr
gedeckt! Die meisten der Fohlen sind seine! Dafür kommen wir eigentlich ganz
glimpflich davon.
Mit vier Litern Wasser im Rucksack, Äpfeln und Nüssen reiten
wir also nach kurzer Herausforderung los. Lizzy weiß ungefähr, welche Ecke
erkundet werden soll. Nach etwa einer Stunde stoßen wir auf den ersten alten
Drahtzaun – davon gibt es hier noch viele, es war ja immerhin mal eine richtige
„Farm“, so vor Zeiten der Apartheit – und reiten an ihm entlang, bis wir eine
Stelle finden, wo er niedergetrampelt ist und man drübersteigen kann. Wir
steigen ab, um die Pferde rüber zu führen. Lizzys Schimmel marschiert mutig
voran; Sirius ist die Sache nicht geheuer. Ich rechne damit, dass er mir erst
mal nicht folgen wird und laufe voran über den Zaun. Im nächsten Moment werde
ich der Länge nach auf den Boden geschleudert, schrubbe über den Sand und spüre
ein 600kg-Pferd über mich hinwegtrampeln und mir gegen den Kopf treten! Jesus!
Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet!
|
der Übeltäter - Drahtzaun auf dem Boden |
Lizzy ist im nächsten Moment bei mir
und kümmert sich äußerst süß um mich. „See, he ran over you, see?“ Was die
Schadensanalyse angeht, die man nach dem ersten Schrecken ja so macht, erinnere
mich an viel Sand in der Hose und im Mund, Kopfschmerzen, einige brennende
Hautstellen und feuchter warmer Flüssigkeit, die über mein Gesicht lief – aber
kein major damage. Während Lizzy schließlich Sirius einfängt, mache ich mit
Chimbote eine „Pause“ mit Trinken. Meine schöne Reitjeans ist am Knie
zerrissen! Argh! Ich habe mir extra eine Jeans gekauft, damit sie nicht wie
meine anderen Reithosen im Busch an den Dornen zerreißt!!!
Wie als Entschädigung taucht genau dort, wo ich pausiere, eine Schlange auf… (ich mag Schlangen!)- eine
süße kleine, eine, die sich so verhält, wie man es von Schlangen erwartet: Bei
Bodenerschütterung sucht sie das Weite :) Lizzy arbeitet noch ein bisschen mit
Sirius und dem Zaun, dann reiten wir schließlich weiter. Ich weiß, dass in
diesem Unfall hohes Gehirnerschütterungspotential liegt, und beobachte mein
„Wohlbefinden“ aufmerksam. Was den Rest angeht, bin ich wundersamer Weise mit
Hautabschürfungen, blauen Flecken und einem geschwollenen dicken Knie
davongekommen!
DANKE SCHUTZENGEL!!!
Während wir reiten, erzähle ich Lizzy unter anderem von
Japan und dass ich deren Shinto-Religion so schön finde: Sie glauben, dass
Götter/Geister in besonders beeindruckenden Plätzen in der Natur wohnen, und
bauen daher überall Schreine, wo die Natur besonders eindrucksvoll ist. Wir
beschließen, auch einen zu machen und finden schließlich in einem kleinen
(natürlich restlos ausgetrockneten) Flussbett zwei tolle Felsen, von denen
einer eine interessante Gravierung hat. An diesem besonderen Ort werden also
die „Grundsteine“ für den Schrein gelegt, wir opfern ein paar unserer Snacks
und ein klitzekleines bisschen Wasser (in Ermangelung von Sake), klatschen
zweimal (die Pferde so: „Waaah!“) und nehmen uns vor, zurückzukommen und
weiterzubauen.
|
Chimbote inspecting the Shrine |
Das Problem bei der Landschaftserkundung zu Pferde (und hier
auf der Farm) ist, dass man in verdammt lange Sackgassen laufen kann
(namentlich Canyons und Flussbetten). Man hofft die ganze Zeit, dass man am
Ende wieder irgendwo herauskommt oder sich doch irgendwo am Ufer/Rand noch
einmal eine Art begehbarer Pfad auftut, und dann steht man plötzlich vor einem
(ausgetrockneten) Wasserfall… und es sind nur Felsen, Felsen und mehr Felsen.
Keine Chance auf Weiterkommen. Also müssen wir umdrehen.
Die letzten zwei Stunden des Rittes bzw. Wanderung (der
Untergrund ist so schlecht und felsig, dass wir die Pferde endlos lange
Strecken führen müssen) sind tough. Wegen der Flussbettsackgasse geraten wir in
die unbarmherzige Mittagshitze, und wir haben all unser Wasser über den Schrein
gegossen :D (nein Spaß, natürlich nicht, aber wir haben selbst einiges
getrunken und auch die Pferde minimalgetränkt)… die Sonne ist sowieso
aggressiv, von Anfang bis Ende, aber nun kommt noch kochende Hitze dazu. Trotz
langer Ärmel, Shemagh um den Hals, Hut, Sonnenbrille und Handschuhen findet die
Sonne immer noch eine Schwachstelle an mir: Meine Ohren! Und zwar nicht von
oben, sondern von der Seite! Ich erfinde also einen sicherlich ultramodern
aussehenden Turban, der sowohl meine Ohren als auch meinen Nacken abdeckt und
drücke meinen Hut wieder obendrauf. Dabei fühle ich mich zugegebenermaßen
verdammt outback. (ÜBERHAUPT NICHT gleichzusetzen mit „cool“, übrigens!) So
sehe ich sicher auch aus. Also outback,
nicht cool. An dieser Stelle muss ich auch die Kratzer erwähnen, die ich mir beim
Zertrampeltwerden im Gesicht zugezogen habe – sie vervollkommnen den Brokeback
Mountain Look.
|
Sirius schleicht mir auch noch müde hinterher :D |
Spaß beiseite, wir sagen uns die ganze Zeit „We`re gonna be
fine!“, und wir wissen auch beide, dass es stimmt – es ist nur wirklich
verdammt hart. Wenn wir nur Wasser übrig hätten, wäre ALLES gut… Nur nicht an
Wasser denken. Immer nur an den nächsten Schritt. Meine Lippen und das Innere
meines Mundes/Rachens fühlt sich genauso ausgetrocknet an wie die uns umgebende
Landschaft. Immer nur den nächsten Schritt. Wie gerne würde ich mich irgendwo
hinsetzen und einfach nur da sitzen bleiben. Aber dann kommen wir nie zum
Wasser. So sehr ich Sirius schonen will (der nicht einmal schwitzt), ich muss
mich in den Sattel setzen und ein wenig tragen lassen… und er scheint sich
daran nicht weiter zu stören. Mein Respekt für diese Pferde ist enorm! Zu
sehen, wie sehr sie daran gewöhnt sind, in dieser unwirtlichen Landschaft
umherzuziehen, tagein tagaus über spitze Steine, um Futter und Wasser zu finden
(wo, um Himmels Willen?), ohne einen Hauch von Schatten aufgrund Ermangelung
von Bäumen… tough. Einfach nur unglaublich tough.
|
Suchbild :) ...man fühlt sich schnell ziemlich klein in dieser Landschaft... |
Wir hätten von Anfang an auf Sirius hören sollen. Er hat
beide Male, als wir in Sackgassen/unbegehbares Gelände gelaufen sind, deutlich
gezeigt, dass das keine gute Idee ist. Und als wir uns kurz trennten – Lizzy
ritt ihren Wallach bewusst in die eine Richtung, ich ließ Sirius einfach laufen
– da fand er sofort die Öffnung im Zaun, die wir gesucht hatten! Mit dieser
Erinnerung im Kopf schlage ich vor, dass wir ihn einfach machen lassen – er
kennt die Zäune, er weiß, wo sie offen sind (und das kann manchmal Kilometer
dauern bis man diese Öffnung findet!), und er kennt Pfade zwischen den harten
Felsen, die relativ weich und für Pferde einfacher begehbar sind. UND er kennt
die Richtung nach Hause. Ich lasse ihn also laufen.
Er schlägt sofort die Richtung Heimat ein, und Lizzy zögert
zunächst, weil sie das Gelände etwas kennt und weiß, dass uns und das Haus noch
drei, vier sehr felsige kleinere „Schluchten“ trennen. Sie würde sich sicherer
fühlen, einen Bogen außenherum zu reiten… Wir wollen beide nicht wieder in eine
Sackgasse laufen und umkehren müssen, dafür sind wir zu fertig. Am Ende
entscheiden wir uns dafür, Sirius zu vertrauen.
Die nächste und letzte Stunde verbringe ich tief beeindruckt
und dankbar. Ich bin noch nie in meinem Leben so geritten. Eigentlich hat das
mit Reiten nichts zu tun – ich sitze wirklich nur im Sattel eines absolut
souveränen, beeindruckenden Tieres in seinem Element. Der Wallach navigiert
seinen Weg durch unwegsames Gelände, manchmal in engem Zickzack, manchmal
geradeaus, er kennt jeden Stein, jeden Busch, er nimmt jede Stelle mit, wo zwei
dürre Grasbüschel wachsen (die ich ihn natürlich fressen lasse!), und er weiß,
wie man die trockenen, felsigen Flussbetten runter und wieder rauf kommt (ich
lasse ihn hierbei, bis auf einmal, sein eigenes Tempo wählen, das Trab und
Galopp beinhaltet). Am Ende kommen wir auf herrlich weichen Sandwegen heraus
und die beiden Wallache fallen fröhlich in Galopp (Sirius nicht ohne ein paar
Bocksprünge rauszuhauen). Ich muss ihn ganz sanft ein bisschen bremsen, weil es
mir sonst zu Harakiri wird (ich weiß ja den Weg nicht und manchmal schlägt er
überraschend eine andere Richtung ein)…
|
Sirius, der Gute |
Der Galopp ist herrlich! Nach so vielen Stunden
Schritt/Führen ein Genuss!
Kurz darauf kommen wir am Haus an… wo wir natürlich eine
fette Wasserparty feiern. Die Pferde saufen Eimer leer, Lizzy taucht ihren Kopf
filmreif ins Wasserfass der Pferde, und ich schwöre, ich habe noch nie in
meinem Leben so gutes Wasser getrunken :D
Wir haben etwas mehr als 20km zurückgelegt, und davon alles
außer den letzten Galopp im Schritt bzw. zu Fuß. Not bad. Nobody can say we are
not working! Aber mal ehrlich, stellt euch die Leute (vor langer Zeit) vor, die
wirklich so lebten, die neues Gelände wie das hier erforschten, Baumaterial und
Lebensnotwendigkeiten transportieren mussten, Familien füttern, dumme Kriege
führen, Einheimische missionieren, Häuser bauen etc. etc.! Wir Menschen sind
einen ganz schön langen Weg gegangen.
Natürlich müssen am selben Tag noch die Wallache versorgt
und gefüttert werden, ein fett schweres Rad (Futtertrog) auf den Landy gehievt,
die Stuten gefüttert, das Solarpanel gedreht und Essen für uns zubereitet
werden…
So wie es bislang aussieht, sind die Tage hier intensiv,
lang, und schwanken zwischen absoluten Extremen: Harter körperlicher Belastung
und extrem romantischen Momenten, wo einen die Schönheit der Wildnis regelrecht
erschlägt oder man sooo dankbar für das ist, was man hat. Wasser. Essen.
Gesellschaft. Gesundheit. Eine kühle Brise…..