Montag, 29. Oktober 2012

Riding, Rainforests... and sick again!



Zum Frühstück teste ich heute mal Maispopmüsli, an dem ich mich sehr erfreue, weil es poppt und knistert wie verrückt, wenn man Ziegenmilch reinschüttet (es liegt aber vermutlich nicht an der Ziegenmilch). Dann muss ich die beiden gestern angekommenen bayrischen Krankenschwestern schulen, weil Karina dafür keinen Nerv hat ;) Ich drücke ihnen meine ganzen household duties aufs Auge – ich darf, offiziell! Als sie dann ausreichend trainiert sind und stöhnend fragen, ob ich das alles alleine an einem Morgen geschafft hätte, wünsche ich ihnen viel Spaß und gehe nach DRAUSSEN! Ich darf nämlich heute draußen mit Lazlo und Josef arbeiten, jawohl! Wir legen ein Beet für Süßkartoffeln an, was harte Knochenarbeit ist, aber tausendmal befriedigender als blöde House Cleaning Duties (abgesehen vom Brotbacken, das macht auch großen Spaß!). Ich darf Brokkoli, Mais und Erdbeeren setzen und am Schluss noch ein paar Süßkartoffeln (es sind erst anderthalb Reihen fertig, aber da müssen natürlich sofort Sprösslinge rein!). Die Sprösslinge zu setzen ist besonders lustig, weil die Süßkartoffeln nicht wie normale Kartoffeln gesetzt werden, sondern sie müssen mit der Mitte ihres Stiels etwa eine Fingerlänge tief in einen Erdwall gedrückt werden, sodass die vermeintlichen „Wurzeln“ und die Blätter zu beiden Seiten rausschauen. Sie müssen auch unbedingt so gepflanzt werden, dass sie nach Osten schauen – zur Sonne… und fertig sind sie wohl erst im März oder April. Ich weiß gar nicht genau, wie Süßkartoffeln überhaupt schmecken…
Jerome hat Fotos gemacht, vielleicht bekomme ich eins und lade das noch hoch.
Nach der Gartenaktion sind alle ziemlich relaxt und happy. Auch Amber ist zur Zeit viel entspannter (vorgestern hat es richtig gekracht zwischen ihr, Mike und Karina und seither ist sie ziemlich nett). After lunch the Bavarian girls head off to the beach, aber den kenne ich ja nun schon. Karina empfiehlt uns ein privates Reservat, wo man wunderschöne Wasserfälle anschauen kann, also stopfen wir Jerome, Josef, Lazlo, die beiden dummen eingelaufenen Schafhunde und meine Wenigkeit in das kleine Klapperauto und düsen los. Karina hat Jerome erklärt, wohin er fahren muss, und da er sich am besten auskennt, sitzen wir viel zu lange still, ehe wir registrieren, dass er statt 20 km bereits 70 gefahren ist. Er gibt dann auch recht schnell zu, dass er eigentlich nicht weiß, wo wir sind. Macht nix, Jerome fährt einfach die nächste Hofeinfahrt hoch und klingelt an der Haustür, um nach dem Weg zu fragen. Ja na klar, ist selbstverständlich, würde ich auch machen, wenn ich taubstumm wäre! Haha. Ganz schön selbstbewusst!

Von der dritten Hofbesitzerin bekommen wir endlich Auskunft und finden die Wasserfälle. So leicht macht man aus zehn Minuten Fahrtzeit eine Dreiviertelstunde! Aber Jerome hatte Spaß beim Fahren, und es sind ja nur unsere Dollars, die fürs Benzin draufgegangen sind...
Jerome mit einem der blöden weißen Plüschis
Anyway, die Fahrt lohnt sich. Was von außen aussieht wie ein relativ normaler neuseeländischer Wald, ist innendrin schon fast Dschungel. Wir klettern über rutschige Steine durch Tausende von Farnen, Büschen, Palmengewächsen, Moosen, ja sogar Lianen, und ich fühle mich wie im Regenwald. Vielleicht ist das sogar ein Regenwald. Das Einzige, was fehlt, sind Tiere. Nicht mal Fliegen trifft man hier. So sehr die Vegetation vor Leben blüht, so sehr fehlt irgendwas, das flattert, quakt oder rennt.
Wir kommen an einem kleinen Wasserfall vorbei und später an einem großen. Die dummen weißen eingelaufenen Schafe kommen mit dem Gelände nicht zurecht, wir müssen sie ständig irgendwo hoch- oder runterwerfen. Ich verstehe nicht, wie man sich so ein Tier zulegen kann! Ich würde gerne die Ziege nehmen. Die finde ich cool. Aber nicht diese Plüschhunde…

Laszlo und Kathi beim Erstellen eines herrlichen Touristenfotos: Mit Winken!

Palmenherz
Wunderschöner Ort...
Tarzan spielen! Macht übelst Spaß!

Nach unserer Waterfall Experience gehen Jerome und ich noch reiten. Ich darf heute mit Sattel, reite dasselbe braune Pony, und es ist wie umgewechselt! Nur noch ganz wenige kleine Frechheiten, ansonsten äußerst brav und fröhlich! Ich galoppiere über die hüglige, löchrige Schafweide, Jerome jubelt, dann wagen wir noch ein kleines Sprüngchen über eine Wasserrille und hinein in einen Sumpf (mein Pony macht das gut!). Meine Wangen glühen, als wir zurück zum Hof reiten, und ich bin happy und erschöpft. So soll das sein!

Unsere Reitponys. Das linke ist meins! 
Zu Abend esse ich fast gar nichts, weil mir das ständige Fleischessen zum Hals raushängt. Vielleicht sollte ich Vegetarier werden! Es gibt Chicken Pie, eigentlich sehr lecker, aber ich esse praktisch nur den Blätterteig und das Gemüse. Keine Hühner mehr bitte…

Am nächsten Tag „muss“ ich mit Mike zu Karinas Schwester Ellie fahren. Sie hat zwar selber zwei Sklaven, aber sie braucht mehr! Mit den helpxern wird hier gehandelt wie mit Leibeigenen, sehr witzig. Sie werden ständig an irgendwelche Familienmitglieder ausgeliehen, wenn Hilfe benötigt wird. Karinas Schwester sieht man ihren Maori-Ursprung total an (Karina nicht so sehr). Mike und sie beschimpfen sich die ganze Zeit („we love to swear at each other, you know?“) und sie redet extrem laut und schroff, und sogar ihre Kinder beschimpfen Mike, als sie ihn sehen („You stink!“ „YOU stink, I’m gonna feed you to my pigs!“ „I’m gonna feed you to a horse!“ “Horses are vegetarians!” “You are a banana head!” <- I loooove that one! Calling Mike Banana Head from now on). Mike ist sowieso einfach unglaublich lustig, er stichelt die ganze Zeit rum, in wahnsinnig schnellem Englisch, aber heute habe ich zum ersten Mal das Gefühl, ihn einigermaßen zu verstehen. Ich kann ihm zumindest im Groben folgen und manchmal sogar kontern! Da macht er große Augen ;)

Wir bauen einen riesigen Zaun, müssen dafür Pfosten in bereits gebuddelte Löcher stecken, justieren und dann zementieren. Ich sehe aus wie ein Schwein, aber immerhin kann ich Mike behilflich sein, im Gegensatz zu Ellies eigenen Sklaven, die Mikes Englisch überhaupt nicht verstehen und auch sonst ein wenig unbeholfen sind. Sie kommen aus Deutschland (ach was! Mal wat janz Neues!) und sind 18 und 20, verhalten sich aber wie 15jährige. Als ich frage, was sie nachmittags so machen, wissen sie keine Antwort darauf. „Najaaaah, you know, it is not so interesting here…“ „Wow cool, so what are you doing in New Zealand anyway?” Verstehe ich nicht. Wenn sie noch Pampers brauchen, müssen sie halt bei Mami bleiben.

Ellie serviert uns Brötchen und Schinken und Corned Beef (bah!) und gekochte Eier und Salat und allsowas zu Mittag, und eigentlich ist alles sehr lecker (bis auf das Beef-Zeugs, das probiere ich gar nicht erst!), aber als wir zu Hause ankommen, geht es mir nicht besonders gut. Mein Magen fühlt sich an wie eine altersschwache Waschmaschine und ich brauche erst mal eine Pause. Karina und Amber fahren gegen Nachmittag mit dem Baby an die Bay of Islands, da werden sie zwei Tage bleiben.

Laszlo und ich machen einen großen Spaziergang hinunter zum Kaipara River. Das Problem hier ist, dass es (für deutsche Verhältnisse unvorstellbar!) überhaupt keine Wege für Fußgänger/Fahrradfahrer gibt, sondern nur Straßen und eben die Grundstücke der Farmer. Wenn man also spazieren gehen möchte, was die Farmer hier sowieso nicht verstehen („Why should I go for a walk?“), muss man entweder über Weiden und somit über Privatproperties laufen oder auf der Straße oder in der Wildnis, die sich am Kaipara extrem schlammig gestaltet. Es ist also ein bisschen abenteuerlich, weil unter den riesigen Grasbüscheln oft sumpfige Stellen sind oder angetrocknete Löcher, in die die Kühe getreten sind, während der Boden weich war. Rund um den Kaipara wachsen knochig-knorrige Bäume, die vom Salz eine weißliche Kruste haben und die offenbar robust genug sind, mehrmals täglich geflutet zu werden (denn, wie gesagt, der Kaipara führt von Meer zu Meer, sprich, er macht auch Ebbe und Flut mit). Inmitten der knorrigen Bäume finden wir ein Baumversteck, das Fischer oder Vogelbeobachter dort gebaut haben müssen, und wir klettern hoch und sitzen in den Kronen der knochigen Bäume und genießen die Stille. Auch wenn das sicherlich keine Vorzeigeattraktion Neuseelands ist, hat dieses Matschloch Charakter.

Abends kommen Mikes Sohn und dessen Freundin zum Essen und Mike hat sich mit dem Kochen selbst übertroffen. Es gibt Hackfleisch-Nudel-Gemüse-Auflauf mit Kartoffelbrei und Käse überbacken (also alles in einer Form!), leicht scharf und superlecker. Aber natürlich wieder tonnenschwer, sodass ich nicht besonders viel essen kann. Die Freundin von Mikes Sohn hat professionelle Schokoladentrüffelpralinen gemacht (delikat!), die es zum Nachtisch gibt. Dann schauen wir Mike und seiner Freundin zu, wie sie mit Mikes Quad über die Pferdeweiden brezeln. Mikes Sohn ist Soundingenieur, spielt 8 Instrumente und hat einen IQ von 165 (das erzählt Mike jedem, der das hören oder auch nicht hören will). Seine Freundin kann vor allem schnell und emotional blabbeln und sich ausgiebig anmalen und stylen (ich erfreue mich an ihrem Versuch, in ihren Pfennigabsätzen durch knöcheltiefen Schweinemist zu waten, weil ihr Freund ihr die Babyküken zeigen will).

Am Sonntagmorgen holen wir Mikes Freund Graham ab, der von Autos viel versteht, und Ellies deutschen dicken Sklaven Max, der sich auch einen Campervan kaufen möchte, und los geht es in Mikes riesigem Toyota nach Auckland auf den Car Market! Auckland ist (meiner Meinung nach) eine ziemlich charakterlose Stadt, und dieser Eindruck von mir liegt sicher nicht (nur) daran, dass unsere erste Begegnung so unspaßig (nass?) war. Ich bin froh, dass ich den Car Market nicht selbst suchen muss, und dann auch noch im Linksverkehr… Wir kommen so gegen halb neun an. Natürlich ist die ganze Szene stark backpackerdominiert, und man muss offenbar schnell sein, wenn man was Gutes erwischen will. Graham und Mike empfehlen mir einen dunkelgrünen Toyota Lucida, Baujahr 1993, 270.000 km, der auf 2400 NZD runtergehandelt werden kann und den Mike mir zu einem Campervan umbauen würde, wenn ich das möchte. Ja na klar! Wir machen eine Probefahrt, testen alle Features, das Auto sieht sauber aus und fährt gut, hört sich auch gut an und sieht rundum und von unten gut aus. Also entscheide ich mich, es durchchecken zu lassen. 140 NZD werden mal eben kurz von meiner Mastercard abgezogen (vermutlich sogar ein paar Prozent mehr, weil ja die Volksbank auch was davon haben will) und Mechaniker „Mark“ macht sich ans Durchchecken meines vielleicht zukünftigen Autos. Nach einer halben Stunde dann der Schlag in die Fresse: Das Auto ist Schrott (nein, stimmt nicht, aber es hat zu viele issues) und die Reparaturkosten für den nächsten WOF (das ist der neuseeländische TÜV) schätzt er auf rund 3000 NZD. Er würde uns abraten, das Auto zu kaufen… kacka! Frustriert fahren wir nach Hause (Max hatte sich auch für einen Van entschieden, sein Budget ist etwas höher bei etwa 4500 NZD, aber er kriegt den Hintern nicht hoch und als er endlich den Verkäufer ansprechen will, ist der Van schon verkauft). Auf halber Strecke zwischen Auckland und Helensville ruft Max plötzlich, wir sollten anhalten… er rennt in den Garten, der zufällig am Straßenrand ist, und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Na prima… dann liegt es also doch an Ellies Essen, vielleicht in Kombination mit deutschen Mägen, denn Max hat ja gestern auch Corned Beef, Brötchen, Schinken und Eier gegessen… als Max noch so im Gras liegt und von Würgekrämpfen durchgeschüttelt wird, kommt der Hausbesitzer angerannt. Ich natürlich gleich: „Sorry! We are sorry!“, aber der Typ will nur die mit Wasser gefüllte Colaflasche loswerden, die er offenbar in aller Eile aufgefüllt hat, als er den kotzenden Touristen in seinem Vorgarten erblickt hat. Er gibt Max was zu trinken und fragt, ob er uns sonst irgendwie helfen kann. Jaha, ich raffe es ja so langsam, wir sind in Neuseeland…

Auf der Weiterfahrt erzähle ich Graham und Mike, wie die Deutschen vermutlich reagieren würden, wenn jemand einfach so in ihren Vorgarten kotzt, und sie finden die deutsche Mentalität äußerst amüsant. Wir liefern Graham auf seiner Farm ab (er fragt, ob ich mitkommen und seine Pferde sehen und reiten will, und das würde ich sogar gerne tun, wenn nicht Lazlos Geburtstag wäre). Dann liefern wir den leichenblassen Max bei Ellie ab. Und dann geht’s nach Hause. Ich verbringe den Mittag mit Emailschreiben (so langsam muss ich mir ja mal Gedanken machen, wo ich Ende der Woche hin will), schlafe eine halbe Stunde auf der Wiese und hole mir eine gesunde Gesichtsfarbe, obwohl die Sonne gar nicht so richtig geschienen hat (krass oder? In Deutschland wäre da gar nix passiert. Die neuseeländische Sonne scheint ganz schön stark zu sein). Dann füttere ich die Katzen und Hunde, kümmere mich um die Wäsche und gehe dann Lazlo in seinem Trailer besuchen, weil wir ja noch seinen Geburtstag feiern müssen! Es gibt sogar ein Feuerwerk (Zufall. Oder Fügung. Irgendjemand unten in Helensville hat wohl auch Geburtstag). Leider geht es mir trotz Geburtstagsparty immer schlechter, und irgendwann stürze ich aus dem Truck und kotze auf die Ponyweide… Danke Max! Danke Ellie! Wer auch immer Schuld daran ist – Danke! 

Mir geht es zunehmend miserabel, und ich entschuldige mich tausendmal bei Lazlo, aber der scheint das gar nicht schlimm zu finden und ist auf eine sehr beeindruckende Weise für mich da. Inzwischen regnet es draußen, und jedes Mal, wenn ich wieder vor seinen Trailer stürze, um mich zu übergeben, bringt er mir meine Schuhe, ein Taschentuch und einen Becher voll Wasser. Ich sag ja, er ist ein sehr beeindruckender Mensch!
Irgendwann mitten in der Nacht entschließe ich mich dann, in mein Bett zu wanken, und er begleitet mich hinüber zum Haus (die Hunde schlagen mittlerweile gar nicht mehr an, die sind das jetzt gewöhnt!). Die Nacht wird ziemlich elend, ich muss noch mehrmals auf die Toilette rennen und habe Fieber und schreckliche Gliederschmerzen. 

Den folgenden Morgen erlebe ich wie im Delirium, ich sollte eigentlich putzen und das Haus auf Vordermann bringen, aber ich kriege gar nichts zustande. Mein Körper fühlt sich an wie von einem Zug überfahren, und Appetit habe ich auch keinen. Ich trinke nur eine halbe Tasse heißes Wasser und gammle mit den beiden Katzen in meinem Bett herum. Dann raffe ich mich auf zum Staubsaugen (Jerome hat die Lage schon erkannt und mir liebenswerter Weise einiges an Arbeit abgenommen!) und überlege, ob ich ein Brot backen soll, entscheide mich dann aber dagegen, weil ich niemanden vergiften will. Ist ja irgendwie nichts Neues, dass ich reisekrank werde… aber ich hatte gehofft, dass das nur in Afrika passiert. Anyway, es ist wie es ist, jetzt mache ich eben eine kleine Diät (schadet nicht, nach all dem, was wir hier fressen!) und dann sollte es auch wieder besser sein. 

Den Mittag verbringen wir alle mit Gammeln. Mike ist auf Arbeit, Karina ist mit Amber an der Bay of Islands, das heißt wir helpxer und Jerome haben sturmfrei! Wir verbringen einen herrlich witzigen Nachmittag, zeigen uns gegenseitig Zeug auf Facebook und ich muss mich kaum bewegen, was gut ist, weil mein Rücken entsetzlich wehtut (Gliederschmerzen, denke ich, in Kombination mit einer sehr rattigen Matratze). Jetzt wissen alle hier, wie meine Mama und meine Schwester und Steffi Scholz aussehen, hihi :) Ich brauche nachmittags nur die fünf Hunde und zwei Katzen zu füttern und die Wäsche abzuhängen und dann kommt Katharina aus Deutschland (Saarland) an, die ist 18 und als Jerome sie abliefert, bin ich schockiert, wie jung sie wirkt! War ich mit 18 auch so? ;) Ich zeige ihr alles und freue mich auf den nächsten Tag, wenn ich meine household duties mit ihr teilen kann...

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Household duties, beaches and horses...



Karina hat mich von den Schweinen abgezogen und - klassische Rollenverteilung - für die Hausarbeit eingeteilt. Ich hasse Hausarbeit, aber irgendwie tut es ganz gut, mal das Haus durchzuputzen und alles zu wischen, zu saugen, zu desinfizieren etc… mir hat Putzen schon immer geholfen, anzukommen und mich irgendwo wohl und heimisch zu fühlen, und nachdem ich jede Ecke des Hauses kennengelernt und gereinigt habe, geht es mir erstaunlicherweise ziemlich prima! Ich habe sogar Fenster geputzt (der verhassteste Job, den es gibt), aber so schlimm sehen sie gar nicht aus. Es scheint aber auch keine Sonne, dann sieht man die Streifen nicht.

Aus irgendeinem Grund unterhalten wir uns darüber, dass ich noch nie ein Küken auf der Hand hatte. Wie auch immer wir darauf gekommen sind. Kaum eine Stunde später kommt Karina so zu mir in die Küche, sagt „Take this out of my pocket“ und ich greife beherzt in ihre Jackentasche – und erschrecke fürchterlich (und sichtlich), als ich in ein warmes, lebendiges, fedriges Dings mit Füßen und Schnabel grapsche! Hätte ich das gewusst, wäre ich vorsichtiger gewesen… sie sagt, ich soll es in eine Wollmütze stecken und dort wärmen und mit der oberen Hand ein bisschen draufdrücken, das macht sie ruhiger. Weil sie denken, die Mutterhenne sitzt drauf. Das arme Kleine ist schwach, es kann nicht laufen (im Gegensatz zu all seinen Geschwistern) und sieht schon sehr zerrupft und krank aus. Und es schreit natürlich ununterbrochen nach Mama. Nicht wissend, dass Mama – und auch die anderen Küken – es sofort töten würden. Nun ja. Ich nehme das Ding also zwischen die Hände und drücke ein bisschen… Das wilde Fiepen lässt nach, aber ich bezweifle stark, dass das daran liegt, dass es meine zerquetschende Hand für seine Mama hält. Aber ich tue, wie mir befohlen wurde – ich habe von Küken ja keine Ahnung. Zum Mittagessen sitzt es auf meinem Schoß, in seiner Mütze, und jammert nur noch relativ leise vor sich hin. Es gibt Hähnchenschlegel mit Pfirsichsoße und Reis. Wie dekadent.
Nach dem Mittagessen muss ich das Küken abgeben, weil ich noch was zu tun habe – als ich zurückkomme, hat Karina das Ding grade aus seiner Mütze gezerrt. Es ist fast tot, sie demonstriert uns in ihrer harten Art, wie man schon das Genick überstrecken kann und es fällt zurück in seine eintretende Leichenstarre. Ich will mir das gar nicht ansehen. Karina bringt das Ding nach draußen, dreht ihm das Genick um und wirft es in den Hundezwinger. Ja gut, für mein erstes Mal Küken-auf-der-Hand-halten ganz ok…

Abends gehen Laszlo und ich noch spazieren. Wir entscheiden uns für Mikes „mudhole“, auf der anderen Seite der Straße, lassen uns kurz auslachen, bevor wir losgehen („why do you wanna go there, it’s only a big hole of mud“) . Er hat Recht, man kommt an den Kaipara River gar nicht heran, weil alles drumherum so sumpfig ist, dass man versinkt wie in Treibsand. Als wir gerade auf (aktiven, aber sehr retrohaften) Bahnschienen balancieren, treffen wir eine offenbar suizidale Ziege, die einsam auf den Gleisen herumläuft. Als sie uns erblickt, kommt sie so entschlossen auf uns zu, dass ich erst befürchte, dass sie uns attackieren will. Aber wie alle in Neuseeland ist sie unheimlich nett und möchte nur gerne ihren Kopf geschrubbert haben. Und dann am liebsten auch alles andere. Ich habe Spaß mit dieser Ziege! Nachdem ich sie ausführlich gestreichelt habe, will ich sie aber eigentlich nicht auf den Schienen zurücklassen… sie scheint nicht schnell genug zu Fuß zu sein, um (wie wir) blitzschnell in den Treibsand-Schlick neben den Schienen hechten zu können, um unser Leben zu retten bzw. das langsame Versinken und Ersticken im Schlamm dem schnellen Überfahrenwerden vom Zug vorzuziehen. Also nehmen wir sie einfach mit (was einfach ist, weil sie uns folgt wie ein angefütterter Urlaubshund) und sperren sie auf die nächste Weide ;) Da wird sie dann schon jemand finden und dorthin bringen, wo sie hingehört.
Auf dem Rückweg landen wir plötzlich auf einem wunderschönen Privatgrundstück, Holzhaus direkt am Kaipara River (der ist übrigens ein Salzfluss und fließt von Meer zu Meer!) mit herrlichem Blumengarten und riesigem Rasen. Als wir es gerade schon fast durchquert haben und uns daran machen, die letzten 200 Meter die Einfahrt hinaufzulaufen, kommt plötzlich der Hausbesitzer heraus und latscht über seinen Rasen zielstrebig auf uns zu… von Erfahrungen in Deutschland geprägt, zucke ich schon zusammen und denke, das kann ja nur Ärger geben… Ja denkste: „Hey, are you guys lost? Can I help you to find the way?“ Ja na klar. Mensch, hätte man sich ja denken können, dass der nur rauskommt, um uns zu helfen und uns den Weg zu zeigen. Wir sind in Neuseeland, schon vergessen, Kathi? :D

Karina, die Hausherrin, ist im Übrigen ein ziemlich ulkiger Charakter (finde ich). Man kann sie sich am besten vorstellen, wenn man die besten Rollen von Helena Bonham-Carter zusammenwürfelt und dahinein einen guten Schuss Molly Weasley gibt. Und dann nie aufhört zu rühren. Aber ich denke, wir kommen klar ;)

Mein Zeitrhythmus ist schon besser geworden, aber gut ist er noch nicht. Abends ab neun bin ich extrem müde, morgens um sechs hellwach. Dann freue ich mich aber auch aufs Frühstück, mit selbstgebackenem Brot (also wirklich selbst gebacken! Von mir! Ha!) und selbstgemolkener (von Mike selbst gemolkener und von mir selbst pasteurisierter) Ziegenmilch und selbstgesammelten Eiern (ja, ok, von Lazlo selbst gesammelt). Aufs getoastete frische Brot dann Butter und Bananen- oder Eierscheiben – fantastisch! Wie Mike schon gesagt hat „You’ll gain weight here, young lady; everybody did!“ Wir werden sehen… ganz so viel wie die Familie haue ich mir eigentlich nicht rein (die essen wirklich viel, aber das brauchen sie auch, alle arbeiten hart. Bis auf Amber, die ist nur schwanger. Die muss dafür für zwei essen). 

Kleine Impression aus dem everyday life hier; alle Tiere auf einem Haufen!
Amber ist übrigens erst 20. Sie arbeitet in einer Child Daycare Institution ungefähr 20 Minuten von hier, halbtags. Da habe ich sie auch schon abgeholt. Sie ist die Tochter von Karina (nur Karina!) und hat noch eine jüngere Schwester, wegen der die ganzen Pferde hier rumstehen, die ist früher mit ihnen auf Turnieren gestartet. Jetzt starte sie immer noch auf Turnieren, aber sie reitet nicht mehr für Karina und Mike, sondern für einen Profi mit besserem Pferdematerial. Daher wohnt sie auch nicht mehr hier und daher haben all die Ponys nichts mehr zu tun. Karina ist mit 20 mit Amber schwanger geworden, irgendwann hat sich ihr damaliger Mann aber von ihr getrennt; bei Mike ist es ähnlich, außer dass er nicht schwanger geworden ist, aber auch er hat 2 Kinder irgendwo. Dann haben die beiden sich gefunden und nach 11 Jahren Partnerschaft beschlossen zu heiraten. Karina wünschte, sie hätte nicht so früh ihre bodenständige Existenz gegründet und wäre noch ein bisschen herumgereist – deshalb hat sie Amber mit 19 nach Australien geschickt, um herumzureisen. Sie kehrte schwanger zurück, ohne irgendeinen Kerl in Sicht. Congratulations. Die Stimmung in der Familie ist nicht besonders gut, das spürt man schon. Also ich spüre das. Vielleicht nicht jeder. Denn oberflächlich sind sie sehr freundlich und fröhlich miteinander. Nur Amber kommt mir manchmal vor wie eine schwangere Pubertierende (was eine entsprechend explosive Mischung ist, I tell you that!)

Am nächsten Tag wache ich um sechs auf wie gehabt und friere sofort. Meine praktische Pfeifen-Thermometer-Kombination zeigt 9°C hier im Zimmer. Draußen ist es vermutlich noch kälter, aber sieht so aus, als würde es ein sonnigerer Tag werden als die Tage davor.
Bereits um zehn Uhr ist der Himmel jedoch kristallblau und die Sonne lacht. Herrlicher Tag! Ich bin nur ein bisschen grummelig, dass ich den Morgen im Haus verbringen muss, und direkt nach „Feierabend“ und nach einem Salat zu Mittag, den ich mir selbst gemacht habe (Gott, wie habe ich Salat vermisst! Hier besteht praktisch jede Mahlzeit aus Fleisch, mal vom Frühstück abgesehen, und ich bin doch so ein Gemüse- und Salatesser…) klappern Lazlo und ich wieder mit dem alten Auto an den Strand. Wir bringen Jerome noch zu seinem Pony Club (you remember, Jerome ist der taube Freund von Karina, den ich so cool finde) und dann geht’s los… ich darf sogar eine Strecke fahren, das erste Mal in Neuseeland. Bis auf einen Kreisverkehr jedoch keine komplizierten Verkehrsregeln ;)
blue sky and black sand - not bad, eh?

Laszlo betet das Meer an... oder so ;)
Bei blauem Himmel ist der Strand sogar noch schöner. Und erstaunlicherweise genauso leer wie das letzte Mal. Wir laufen fast anderthalb Stunden in eine Richtung, ohne eine Menschenseele zu treffen. Bei Lazlo tendiere ich sehr dazu, tiefsinnige Gespräche zu führen, vielleicht auch, weil er so „weise“ ist, aber es ist schön, und ruhig, und fast meditativ… ich sammle ein paar herrliche Muscheln (weiß noch nicht, ob ich die mitnehmen werde, so viel Platz hab ich ja nicht in meinem Rucksack…) und genieße mich selbst *g* Auf dem schwarzen Sand ist eine dünne heiße Kruste angetrocknet, und wenn man barfuß läuft, spürt man, wie man durch diese Kruste kracht, um dann im warmen, weichen Sand zu versinken… herrlich! Wir legen sogar einen Sprint ein, weil ich erwähne, dass ich das Joggen vermisse; und es ist wunderbar, auch wenn meine Lunge nach ein paar hundert Metern gegen das kratzige Salz protestiert. 

Als wir wieder zu Hause ankommen, ist Josef bereits da. Wir haben Josef schon erwartet. Josef kommt nämlich aus Österreich bzw. Norditalien. Er ist 61 und wurde von seinem Sohn als helpxer zum Geburtstag nach Neuseeland geschickt (das muss man sich mal geben!). Er will jetzt bei Karina bis vor Weihnachten bleiben und den Garten umgraben oder so. Josef ist schrecklich nervös, sein Englisch ist grottig (wirklich! Jogi ist nix dagegen!) und er lacht ununterbrochen, weil er kaum was versteht. 

Anyway, wir bekommen ein super Abendessen serviert – eigenes Schweinchen mit Kartoffeln, Kürbis und anderem Gemüsezeugs, das ich noch nie gegessen habe und (wie immer bei Gemüse) sehr lecker finde. Als es schon dunkel ist, marschieren wir auf die Schafweide rauf, um die Sterne anzuschauen. Es ist total wolkig, und außer dem Skorpio kann Laszlo mir daher kein Sternzeichen zeigen. Auch nicht das Southern Cross, das ich doch so gerne mal kapiert hätte (in Afrika hat keiner geschafft, mir verständlich zu machen, wie man aus diesem Sternzeichen die Himmelsrichtungen liest). Aber was soll’s, war ja nicht unsere letzte Nacht.




Fairytale Forest on one side, beach on the other side, amazing smell all around!
Meine Muschel-Kollektion (und meine Sandkastenhände)

Am Folgetag genieße ich meine household duties richtig. Ich bin total entspannt, putze vor mich hin und backe ein Früchtebrot und ein Lemon-Poppyseed-Brot, das sich als köstlich herausstellen wird… Vor dem Mittagessen kommen zwei weitere helpxer an, die jedoch in ihrem Campervan schlafen werden. Zwei Krankenschwestern (20 und 21) aus Bayern – ächz, ist hier Deutscheninvasion? Zum Glück halten sich alle an die Englischregel, Deutsch sprechen ist gegenüber den Gastgebern wirklich unhöflich. 

Mittags holen wir vier der elf Pferde rein und putzen sie ausgiebig. Jerome und ich werden später reiten! Die Pferde waren über 2 Wochen nur auf der Koppel und sehen auch so aus. Die beiden Krankenschwestern und ich verbringen zwei Stunden damit, die Matschkruste aus ihrem Fell zu kratzen. Ich soll ein Pferd reiten, das Karina gern zum Testen der Reitkünste ihrer helpxer benutzt, weil es wohl recht schlau/frech ist. Ohne Sattel. Echte Maori-Reitkultur. Man muss erst das richtige „Feeling“ bekommen und sich seinen Sattel verdienen. Sprich, wenn ich nachher runterfalle, weil ich noch nie in meinem Leben ohne Sattel geritten bin (außer vielleicht einmal mit 10 in der Reitstunde), dann darf ich Karinas Ponys nie mehr reiten! Sie scheint sehr streng zu sein, will keine schlechten Reiter auf ihren Pferden. But then, why should I be a bad rider?
Jerome hilft mir, mein kleines braunes Pony fertigzumachen, und schmeißt mich hoch. Dann erklärt er mir, dass das Pony sehr strong sei und immer buckelt und ich dann die Beine zumachen soll. Und dass er, als er ihn zum ersten Mal geritten ist, viermal runtergefallen sei. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es ein Wunder, wie gut wir uns verständigen können! Ich mag Jerome sehr, er ist total herzlich und ehrlich. Vielleicht mag ich ihn von der ganzen Familie sogar am meisten. Jerome reitet ein Scheckpony, mit Sattel. Er erklärt mir, dass sein Pony der Vater von dem Fohlen ist, das oben auf der Weide steht – und dann reiten wir los! Ohne Sattel, auf einer steilen, holprig-matschigen Schafweide, am Berg, auf einem Pony, das 2 Wochen keinen Menschen zu Gesicht bekommen hat und gerne buckelt. Anfangs bin ich entsprechend gefasst auf alles, aber nachdem wir den Berg ein wenig hoch- und runtergetrabt sind, habe ich begriffen, was Jerome mit Buckeln meint (naja, er hat es ja nicht gesagt, nur mit den Händen gezeigt) und entspanne auf meinem kleinen Schaukelpferdchen (ja, es buckelt, aber es ist lustig!). Ich habe Spaß mit diesem Pony, es ist rotzfrech und zieht alle Register und ich kann mir schon vorstellen, dass ungeübte Reiter da runterpurzeln. Erstaunlicherweise ist es gar nicht so schlimm ohne Sattel, ich sitze einfach auf meinem Pferd, bin in meinem Element, trabe durch empört blökende Schafe, blicke hinaus in die herrliche Hügellandschaft, spüre den Wind um meine Ohren, diskutiere ein bisschen mit meinem überaus fröhlichen Pony und bin glücklich. Und neben mir reitet, mit liebenswertem Grinsen und leicht schielendem Blick, ein tauber Neuseeländer, der mir den emporgereckten Daumen zeigt und sich seines Lebens freut. Herrlich!
Als wir zurückkommen, weiß ich, was ich die letzten zwei Wochen vermisst habe. Ich gehöre aufs Pferd! Basta! Laszlo und Josef applaudieren, als wir wieder die Weide herunterreiten.
Jerome „erzählt“ Karina später, dass ich gut war und dass das Pony losrannte und ich einfach ganz lässig drauf gesessen sei (also das habe ich zumindest „verstanden“), und dann sagt Karina, dass ich morgen mit Sattel reiten darf. Too cool! I’ve made it through her test! Vielleicht darf ich jetzt mal mit Jerome in den Märchenwald reiten. Yeah!
I’m happy! :)

Montag, 22. Oktober 2012

Sau-schön hier *g*



Eine seltsame Nacht, mit wirren Träumen und noch wirrerer Orientierungslosigkeit beim Aufwachen. Um drei Uhr Ortszeit ist mein Körper felsenfest davon überzeugt, dass die Schlafenszeit jetzt beendet ist; ich weiß aber, dass ich weiterschlafen muss, um morgen nicht in ein Loch zu fallen, und kämpfe (gefühlte) Stunden um den Schlaf. Als dann um halb sieben mein Handywecker klingelt, reißt er mich aus dem Tiefschlaf. Alles noch ein bisschen durcheinander!
Vor dem Frühstück helfe ich Mike, die Ziege zu melken, das heißt ich sehe ihm dabei zu und reiche ihm sein „Werkzeug“. Ziegen mögen keine fremden Hände an ihren Eutern (verständlich, finde ich!), daher wird es für mich wohl eher schwer, das Ziegenmelken zu lernen. Dafür lerne ich aber, wie man die Milch pasteurisiert und zum Einfrieren abpackt. Sie ist ursprünglich für das Baby gedacht (der Sohn von Karinas Tochter, der sehr krank war und daher Ziegenmilch empfohlen bekommen hat), aber Goatsie gibt täglich ca. 5 Liter Milch; davon können die Familie und sämtliche helpxer ernährt werden. Schmeckt eigentlich ganz gut, nicht so fettig wie Kuhmilch, und voller Proteine!
Zum Frühstück gibt es selbstgebackenes Früchtebrot, getoastet und mit Butter drauf. Laszlo stellt mir einen australischen Brotaufstrich vor, den ich überhaupt nicht identifizieren kann. Selbst nach dem Lesen der Packungsaufschrift verstehe ich nicht, was das sein soll. Nach einem einzigen Bissen dreht es mir den Magen um und ich verzichte dankend.

Nach dem Frühstück zeigt Laszlo mir, wie man die Schweine füttert. Ich schwebe in einem Zustand zwischen Faszination, Amüsiertheit und einer obligatorischen Portion Großstadt-Ekel, als er mir erklärt, welche Taktiken man in dem knöcheltiefen, stinkenden Schlamm anwenden sollte, um von der Horde hungriger Halbstarker nicht von den Füßen gerissen zu werden, wenn man mit dem Futter kommt. Das Futter wird von großen Eimern in kleine geschaufelt und ich falle beinahe rückwärts um, als er die großen öffnet. Ich möchte in meinem nächsten Leben kein Schwein werden! Karina und Mike werden netterweise kostenlos vom nahegelegenen Seafood-Restaurant mit Küchenabfällen beliefert – eine Delikatesse für die Schweine, und wer Probleme mit Nasenbehaarung hat, braucht nur mal tief einzuatmen, das ätzt garantiert alles weg. Während die Schweine sich gierig ihrem Mahl aus ausgepressten Zitronenschalen, vergammelten Muscheln, Knochen und übriggelassenen Fleischstücken von Säugetieren sowie natürlich zahlreichen schimmligen Krebsscheren, Fischköpfen und Langustenschalen widmen, kontrollieren wir das Wasser (nach dem Regen gestern gibt es da nicht viel zu tun) und spülen die Eimer aus. Es gibt vier Schweinegehege, einmal die jungen Halbstarken (das sind die, die als nächste dran sind), dann eine Sau mit Ferkeln, eine riesige Sau ohne Ohren (die wurden ihr als Ferkel von den Hunden abgefressen, aber sie hat überlebt) und ein noch riesigerer Eber (Mister Friendly). Ich mag Tiere, aber diese riesigen Schweine wirken mit ihren Hauern und ihrer Körpermasse schon respekteinflößend. Lazlo nimmt das alte Abflussrohr, das er bereits benutzt hat, um sich die jungen Schweine vom Hals zu halten, und fängt an, die Seite des riesigen Ebers zu kratzen. Er sagt, er hat das auch bei den kleinen ausprobiert, und sie haben genau gleich reagiert – ich will gerade fragen wie, da geht das riesige Vieh plötzlich in die Knie und legt sich auf die Seite, damit Laszlo besser seinen Bauch erreicht! „I knew you liked that trick“, sagt Laszlo grinsend zu mir und schrubbt dem Vieh noch eine Weile den Bauch. Der Eber genießt sichtlich und ich amüsiere mich (vermutlich auch sichtlich).
Nach der Schweinegeschichte waschen wir noch einen Pferdetrailer, der zum Verkauf steht, und ich putze Karina das Bad. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass in Neuseeland heute Feiertag ist (day of labour), aber hier gehen wirklich viele Menschen ein und aus! Neben Amber und Laszlo (die beiden dänischen workxers von gestern haben uns heute Morgen verlasen) ist da noch Karinas tauber Freund Jerome, der unheimlich witzig ist, unglaublich viel versteht und sich auch unglaublich gut verständlich machen kann – manchmal verstehe ich ihn besser bzw. schneller als Mike, der sich keine Mühe gibt, für uns Ausländer langsamer zu sprechen ;) Man läuft eigentlich immer, wenn man ins Wohnzimmer geht, auf eine neue Überraschung zu. Einmal der Schmied, der wegen eines Abszesses von einer Stute hier war, und einmal der Hausschlächter, der hier ein und aus geht und sich schon mal die jungen Schweinchen angeschaut hat. Jaja, wir füttern die noch ein bisschen mit gammligem Fisch, dann kann er sie haben! (ich werde sie eher nicht essen. Nicht, weil ich sie so sehr liebgewonnen habe, sondern wegen dem Fisch! Bah!) Karina hat einen herrlichen Bananenkuchen gebacken, den alle Gäste serviert bekommen und den ich auch mampfen darf.
 
Ausblick vom Haus aus


Ausblick vom Hügel aus, auf dem die Weiden sind

Zum Mittagessen lerne ich frittieren – gar nicht so schwer, haha. Es gibt Hähnchenschenkel und dazu Reis mit Gemüse, aber weil sich Mike gerade über ein anderes deutsches Mädchen lustig macht, das mal bei ihnen als workxer war und nicht wusste, wie man Hähnchenschenkel abknabbert, belasse ich es bei einem einzigen und versuche möglichst nicht darauf aufmerksam zu machen, dass ich ebenfalls nicht weiß, wie man Hähnchenschenkel isst. Die Reste werden sehr liebevoll entsorgt – alle mit den Tellern raus auf den Balkon, „chup chup chup“ rufen und die Knochen und (im Falle einiger anderer) Reis- und Gemüsereste auf die Horde herangerannter Hunde und Hühner werfen! Hier gibt es insgesamt 5 Hunde, 3 davon sind „Labradormischlinge“ (haha) und zwei sind eingelaufene Schafe (die Gehirne sind ebenfalls eingelaufen, schätze ich). 
Das sind keine Schafe, sondern die dümmsten Hunde, die ich je gesehen habe!

Wir haben übrigens 15 Lämmer, 11 Mutterschafe und 4 Widder. Das weiß ich, weil wir nach dem Essen raus auf die Weiden laufen, um den Ausblick zu genießen und Inventur zu machen. Alle noch da, die Schafe, und die 7 Pferde auch. Die chillen einfach den ganzen Tag da auf ihrer Weide rum und genießen ihr Leben.

Darauf habt ihr doch alle gewartet! Hier, bitte: Schafe!

Nachmittags bekommen wir frei, weil Laszlo Karina so viel Gutes getan hat (ich nicht, aber ich profitiere gerne vom Fleiß anderer!). Wir dürfen das 100-Dollar-Auto schnappen und damit nach Helensville an den Strand klappern. Weil Flut ist, ist kein Mensch da – verstehe ich nicht, warum sollte ich an den Strand, wenn da kein Wasser ist – und wir haben den ganzen Strand für uns. Um ihn zu erreichen, müssen wir allerdings erst durch einen Märchenwald laufen und dann über Dünen klettern, die mit herrlichem Pflanzenzeug bewachsen sind. Es duftet wundervoll nach Salz, dazu mischt sich der Geruch der Pflanzen, die einen duften intensiv nach Honig, die anderen zimtig-nussig. Überhaupt ist die komplette Vegetation hier irre, wie aus einem Fantasietraum entsprungen – man nehme die schönsten Bäume weltweit, die einem so einfallen, und werfe sie in einen Topf. Pinien, Palmen, riesige Mammutbäume, rotblühende herrlich weiße Bäume, komische andere Bäume, deren Namen kein Mensch weiß, und darunter Kräuter, Blüten, Büsche und Farne.

Dünen, Honig-Zimt-Pflanzen, Sand, Bäume, Büsche - alles was das Herz begehrt!


Welcome to Fairytale Forest!



Auch der Strand ist ein Traum. Es ist ziemlich windig, die Wellen schäumen, und überall liegen Muscheln und komische andere Dinge. Wundervolle Muscheln, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, sie sehen aus wie Weinbergschnecken, nur blau. Deshalb hat der schwarze, samtig-weiche Sand wohl auch so einen blauen Schimmer – all die zermahlenen blauen Häuser… Ich finde ein merkwürdiges glibberiges Dings, das blau ist und zuckt, wenn man es mit einer Muschel anstubst. Sieht irgendwie aus wie eine riesige, halbdurchsichtige Schnecke, die jemand aus ihrem Haus gezerrt hat und deren ganzes Gedärm sich nun wie ein Bindfaden abgewickelt hat. Offenbar ist es an Land nicht glücklich, also schaufele ich es auf meine Muschel und werfe es ins Meer. Leider spülen die Wellen so weit aus, dass ich das tiefere Wasser nicht wirklich erreiche, ohne nasse Schuhe zu bekommen, also platscht das Dings auf den nassen Sand und bleibt dort liegen, vollkommen ungerührt von den Wellen, die es eigentlich zurück ins Meer saugen sollten (so war die Theorie in meinem Kopf).

mein widerliches blue-bubble-Tier :)
Wir haben so viel Spaß an diesem wunderbaren Ort, schreien das Meer an und rutschen Dünen runter und setzen uns in  die Zimt-Honig-Duftpflanzen und schwelgen in olfaktorischen Genüssen.....
Wieder daheim angekommen lasse ich mich kurz von Mike auslachen, weil ich drei der blauen Schneckenhäuser mitgebracht habe (because they are only stinky and terribly common around here) und mir von Karina erklären, dass sie diese blauen Glibberdinger „Blue Bubbles“ nennen und die einen stechen wie eine Feuerqualle. Dann hüpfe ich unter die Dusche, um die einmalige Geruchsmischlung GammligerFisch-Schwein-Friteuse-Sand-Schweiß loszuwerden. Und heute Abend werden wir vermutlich noch einen Film schauen oder so… ich denke wir sind bei einer echt netten Familie gelandet und das Land (so far) ist der Hammer! Auch wenn es heute am Strand wieder geregnet hat. Ist doch egal. ;)