Dies ist die Fortsetzung meiner Mission, den weißen/hellen
Felsen in der Bergkette auf der anderen Seite des Tales hinterm Catwalk zu
erreichen. Mein erster Versuch endete damit, dass ich mich tierisch verlief und
den Felsen im Dunkeln nicht mehr sehen konnte. Diesmal war ich besser
vorbereitet: Wasser, Streichhölzer, Taschenlampe, Ersatzbatterien, ein T-Shirt
zum Schlafen, 2 Handtücher und ein Deckenüberzug (ich plante, irgendwo draußen
zu übernachten), Trockenfrüchte, Nüsse, ein Apfel, Totoro und natürlich die
Acrylfarben und Pinsel, mit denen ich den Felsen meiner kürzlich verstorbenen
Oma widmen wollte. Ich startete rechtzeitig, damit ich genug Zeit hatte, den
Felsen bei Tageslicht zu finden und zu bemalen, UND ich behalf mich moderner
Technik und zeichnete mit meinem Handy meine Route auf, damit ich im Notfall
den Track zurückverfolgen und das Auto wieder finden konnte. Das Auto, das ich
mitnahm, war diesmal nicht der Landy; den hatte Ben kurzfristig ausgeliehen und
uns den uralten Isuzu dagelassen, der rund 700.000km auf dem Buckel hat und
somit schwer ideellen Wert besitzt. Was er nicht besitzt, ist Allradantrieb,
und so war ich relativ erleichtert, als ich nach ausgefuchsten fahrtechnischen
Bemühungen sicher den Catwalk erreichte. Dank eines spontanen Impulses kurbelte
ich die Fenster hoch, ehe ich losmarschierte… es sah ein bisschen nach Regen
aus und es war extrem drückend heiß und schwül. Wir hatten bisher zweimal einen
kurzen Regeneinbruch gehabt, der uns stets erfreut hat. Fünf Minuten warmes
Getröpfel, und das war’s – mehr ist in der Halbwüste selten drin… Entgegen
aller deutschen Instinkte habe ich mich daher stets dazu hinreißen lassen, in
den kurzen Schauern in Top und kurzer Hose zu tanzen, um anschließend in der
warmen Sonne wieder schnell zu trocknen und weiter zu schwitzen. ;)
ein "motiviert und abenteuerlustig"-Selfie ;) Kann losgehen! |
Und so marschierte ich schwitzend los, im Sport-Bra und
kurzer Sporthose, meinem Ziel entgegen… über die verschiedensten Steine, durch
Flussbetten… das kannte ich ja alles schon. Aber diesmal war ich pünktlich. Ich
wusste, ich würde „meinen Felsen“ vor Sonnenuntergang erreichen… womit ich
nicht gerechnet hatte, war der größte Regeneinbruch ever. Nie zuvor hatten wir
solchen Regen und auch nie wieder danach. Ich war noch etwa zwanzig Minuten von
meinem Ziel entfernt, als der Himmel einfach seine Schleusen öffnete – und ich
merkte schnell, dass es keiner dieser kurzen, herrlich erfrischenden
Regenschauer war…
properly drenched! |
Nach einigen Minuten völligen Durchnässtseins bemühte ich
mich um ein wenig Schutz für meinen Rucksack… was in einer Steinwüste ohne
Schatten nicht so einfach ist, denn wo kein Schatten ist, ist auch kein
Regenschutz… schließlich schob ich meinen Rucksack unter einen Busch und
wartete… und wartete… die Landschaft um mich herum wurde immer grauer und
nebliger, und ich realisierte, dass meine Fünf-Minuten-Erwartung möglicherweise
enttäuscht werden würde… letztlich kletterte ich ohne Rucksack weiter, und es
war nun wirklich ein Kletteranstieg, bei dem ich aufgrund des Regens alle Viere
benötigte. Als ich in die Nähe des Felsens geriet, merkte ich schon, dass die
Atmosphäre sich veränderte… um zum Felsen zu gelangen, musste ich durch einige
schwarze Felsenmauern pilgern, die sich wie die Wälle einer Festung über mir im
Regen auftürmten… und ich gestehe, ich hatte großen Respekt. Ich merkte
instinktiv, dass dieser Ort etwas Besonderes war, oder vielleicht hatte ich ihn
zu etwas Besonderem gemacht, mit meinem Anliegen, ihn zu Omas Felsen zu machen.
Ehe ich durch die erste Mauer kletterte, kehrte ich um und holte meinen
Rucksack; der Regen war etwas schwächer geworden und der Himmel sah eher so
aus, als würde es später weitergehen. Nach der ersten Mauer traf ich auf einen
riesigen Felsen, der rund und massiv vor mir saß wie ein Wächter; und weil mich
die Wanderung und das Wetter ehrfürchtig gemacht hatten, fragte ich ihn um
Erlaubnis, zu Omas Felsen weiter zu pilgern ;) Im Halbnieselregen kletterte ich
über die darauffolgenden schwarzen Mauern und erblickte „Omas Felsen“ endlich
aus der Nähe: Es war ein riesiger Fels, etwa vier oder fünf Meter breit und
sechs hoch, und talwärts lehnte eine weitere riesige Felsplatte gegen ihn wie
ein halbes Spitzdach. Der Fels, der gegen ihn lehnte, war derjenige, den man
von der anderen Seite der Täler so gut sehen konnte, weil er heller war als der
Rest. Beide Felsen zusammen bildeten eine Art Zelt, und dankbar nahm ich deren
Deckung entgegen und „verkroch“ mich im Felsenhaus. Es war ziemlich geräumig
und vollgestopft mit Antilopenkacke – klar, wenn ich eine Antilope wäre, würde
ich auch den einzigen schattigen Ort aufsuchen, den es weit und breit gibt!
Heute Nachmittag war es aber ein Regenzelt statt Sonnenschutz… ich machte es
mir gemütlich, was das Auspacken meiner „Schlafsachen“ beinhaltete, die ich
dankbar nutzte um mich ein wenig trockenzulegen und aufzuwärmen. Ich wickelte
ein Handtuch um mich herum und liebte es heiß und innig – ich glaube, während
meiner gesamten Zeit in Namibia war dies das einzige Mal, dass mir tatsächlich
fröstelte…
sitting next to "Margret's Rock" - ein prima Windschutz während der kurzen Regenpause |
Es ist vollbracht! |
Währenddessen
ebbte der Regen etwas ab, und ich überlegte, ob ich meinen Plan, irgendwo zu
übernachten, doch noch umsetzen sollte… ich erkundete die Umgebung und fand
(überraschenderweise) ziemlich viel Feuerholz, da in jeden Baum, der es jemals
gewagt hatte, auf diesem Felsenberg zu wachsen, der Blitz eingeschlagen hatte…
also trug ich Holz für ein Feuer zusammen, klatschnasses Holz, und meine
Hoffnung war zugegebenermaßen nicht riesig – aber sie starb erst, als ich meine
Packung Streichhölzer aus dem Rucksack fischte und die klatschnassen Hölzchen
aus den Resten der aufgeweichten Schachtel schälte. In diesem Moment setzte
auch der heftige Regen wieder ein, diesmal jedoch begleitet von lautem Donner
und Blitzen. Ich beschloss, besser doch nach Hause zu schwimmen und packte
meine Sachen zusammen… in mein Handtuch gewickelt machte ich mich an den
Abstieg, der sich extrem rutschig gestaltete und daher mehr Zeit benötigte als
das Hochklettern. Ich hatte nur keine Lust, mir ernsthaft wehzutun und dann
hier im Regen herumzuliegen… dazu kam die Tatsache, dass ich mich tatsächlich
in einem aktiven Gewitter befand und alles hier oben, das 1m Größe überstieg, schwarzverkohlt
und vom Blitz zerschossen war (ich bin 1,76m)… Glücklicherweise schaffte ich
den Abstieg durch die schwarzen Mauern und steilen Felsen, ehe es so dunkel
wurde, dass ich meine Taschenlampe auspacken musste. Selbst die Flussbetten
gestalteten sich auf dem Rückw
eg als Herausforderung – alles war glitschig und
spiegelglatt geworden, und zweimal schlitterte ich tatsächlich auf den Felsen
herum. Außer Schürfwunden passierte zum Glück nichts. Nach einer Weile Laufen
im Dunkeln und immer wieder „Relocation“, um sicherzugehen, dass ich in die
richtige Richtung lief, sah ich Scheinwerfer weit draußen im Dunkeln. Ich
wusste, dass das nur Red und Andrea sein konnten, die sich um mich sorgten… ich
wusste aber auch, dass sie nicht so blöd sein würden, nach mir zu suchen.
Hoffnungsloses Unterfangen. Hier draußen muss man einfach ein bisschen
Vertrauen haben, wenn jemand zu spät kommt (auch mehrere Stunden)… Das Motto
„she’ll be okay“ trifft es ganz gut. Andrea erzählte mir später, dass sie die
Scheinwerfer zur Seite geleuchtet hatten, um mir Orientierung zu geben, und das
hat auch funktioniert. Der Sturm bzw. das Gewitter habe von unserem Haus aus
schrecklich ausgesehen, und die ganze Bergkette auf der anderen Seite (auf der
ich herumkletterte) war plötzlich verschwunden…
Ich verlief mich ein bisschen gegen Ende, und ich
marschierte in ein Flussbett, aus dem ich nicht mehr herauskonnte, weil es von
hohen, glatten, nassen Felsen umrahmt war – aber am Ende des Flussbettes entdeckte
ich etwas im Dunkeln, was ich in dieser Wüste nie erwartet hätte: Kleine
Wasserfälle! Sie versickerten zwar im Sand des Flussbettes, aber ich konnte
trotzdem meinen Augen kaum glauben… weil ich nicht das ganze Flussbett
zurücklaufen wollte, kletterte ich schließlich einen der kleinen Wasserfälle
hoch, kam dann aber auch nicht weiter… lange Rede, kurzer Sinn: Ich war nass,
müde, meine Schürfwunden bluteten, meine Schuhe plätscherten und mir wurde
tatsächlich langsam richtig kalt… dazu kam, dass man viel Zeit zum Denken und
Empfinden hat, wenn man so alleine im Dunkeln und im Regen vor sich hin
marschiert. Jeder Busch, jeder Grashalm klingt anders bei Regen und Wind, und
interessanterweise kamen sogar einige (irrationale) Ängste zum Vorschein –
nicht etwa realistische wie Angst vor Schlangenbissen, Skorpionen,
Blitzeinschlägen oder Stürzen mit Knöchelverletzung, sondern ziemlich
phantasiereiche, übersinnliche Ängste, die ich mit lautem Singen beantwortete
:D Als ich nach langem Herumirren tatsächlich das Auto fand, erschrak ich
beinahe vor seinen hellen, „optisch ungewöhnlichen“ Umrissen ;)
Die Frontscheibe des kleinen Isuzu war total beschlagen und
der Regen knallte von außen dagegen – ich bin sicher, sowas haben die
Scheibenwischer des kleinen Wüstenbrummers noch nicht oft gesehen! Mir war ein
bisschen bange, ihn durch den völlig nassen Sand nach Hause zu fahren, so ganz
ohne 4x4 und ohne irgendetwas zu sehen (die Reichweite der Scheinwerfer im
Regen betrug etwa einen halben Meter!)… ich tuckerte also im Schneckentempo
durch den Sand und streckte verzweifelt meinen (sowieso klatschnassen) Kopf aus
dem Fenster, um zumindest drei Meter Sicht zu haben :D Es war trotzdem haarig
und auf dem letzten Stück, das ziemlich felsig ist, verlor ich die Straße. Wenn
es trocken ist, kann man die Straße auf den Felsen einigermaßen sehen, und
Licht hilft auch dabei – aber bei Regen und im Dunkeln ohne Sicht hatte ich
keine Chance. Ich fuhr den armen Isuzu über einige ziemlich große Felsen und
fuhr ihn dann fest. Keine Chance weiterzukommen. Da ich nichts sah, konnte ich
nicht rückwärts wieder zurückfahren, ohne zu riskieren, gegen einen größeren
Felsen zu fahren und dem Auto womöglich ernsthaft zu schaden… also packte ich
seufzend meine Sachen zusammen, stieg aus, tätschelte die Motorhaube des armen
alten Isuzu und wanderte das letzte Stück zu Fuß zum Haus… ich würde ihn morgen
bei Tageslicht aus dem Schlamassel befreien, in das ich ihn gefahren hatte. Um
noch eins draufzusetzen, war das letzte Stück zum Haus ein anderer Boden, der
durch den Regen zu Schlamm aufgeweicht war – ich sank mit meinen Turnschuhen
knöcheltief ein!
Spätabends erreichte ich also endlich das Haus… klatschnass
tropfend, blutend und voller Schlamm. ;) Nein, ich übertreibe :D Ich wurde
herzlich und mit Umarmungen empfangen ;) Die Dusche war auch ziemlich schön,
obwohl sie – natürlich – eiskalt war. Wenn es warm ist, ist das Duschwasser
heiß – heute nicht! Sauber wurde ich trotzdem. Und ich habe meine Mission
erfüllt: Der Fels auf der anderen Seite ist nun offiziell „Margret’s Rock“… und
interessanterweise träumte ich die darauffolgende Nacht von meiner Oma –
inklusive Beerdigung.
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