Samstag, 8. Juli 2017

Let's go Marine!


Wildlife taking over Basecamp

Ich sitze in meiner gemütlichen kleinen Hütte und schreibe – gefühlt – ein Buch über Wale, begleitet vom aussichtslosen Kampf gegen unfassbar schnelle Mosquitos und Tigris, die zahme Afrikanische Wildkatze, die beschlossen hat, dass sie während meiner Studien auf meinem Laptop-Keyboard liegen MUSS! (Scheint ein universeller Instinkt von zahmen Katzen zu sein!) Draußen schuhut die Afrikanische Waldeule ihr ziemlich lustiges Lied, begleitet vom (immer noch wunderschönen) Hoop-hoop einer Hyäne. Jetzt weiß ich, dass man Hyänen ungefähr im Umkreis von 4km hört, was bedeutet, dass diese eine -tadaaa!- höchstens 4km vom Basiscamp entfernt ist. Die Grillen zirpen fleißig, die Kröte, die im verwaisten Swimmingpool lebt, quakt fröhlich ihre Nachtsinfonie und hin und wieder heult ein Buschbaby auf. (Buschbabys heißen Buschbabys, weil ihr Ruf klingt wie ein weinendes Baby).
Warum machen Katzen das überall auf der Welt?

African Wild Cat vs Vervet Monkey :)
Das Basiscamp befindet sich zur Zeit in einer Ausnahmesituation, die ich ausnahmslos genieße: Die meisten der 1- und 3-Jahres-Studenten haben Semesterferien und sind nicht hier, und der Großteil unseres Kurz-Kurses ist wieder im Big-5-Camp (wo wir schon mal waren), um ihre Prüfungen abzulegen. Nur vier Studenten unseres Kurzkurses, einer davon ich, sind noch im Basiscamp, weil wir den kombinierten Terrestrial- und Marine-Guiding-Kurs absolvieren und deshalb noch nicht geprüft werden... Während unsere (Ex-)Kollegen also bereits ihre praktischen Prüfungen fahren/laufen, lernen wir noch kurz alles über die Ozeane um Südafrika! ;)


Marine Crash Course!

unsere kleine Marine-Gruppe

Basiscamp ist so herrlich, wenn es leer ist. Erstens ist es friedlich und man hat das Gefühl von Privatsphäre und konzentrierter Arbeitsatmosphäre. Zweitens kommen aufgrund der fehlenden Schülermassen so viel mehr Tiere ins Camp oder ums Camp. Der Leopard, der hier auf dem Gelände wohnt, ist gestern Nacht mitten durch die Hütten spaziert (wir haben natürlich wieder nur die Spuren gefunden), heute beim Joggen haben wir einen riesigen Martial Eagle getroffen, vorgestern African Eagle Owl, und es fliegen Massen von subtropischen Vögeln herum, die offenbar keine Lust auf den Trubel haben, wenn alle Schüler hier sind.

Nyala bull

Zusätzlich zu Nyala, Impala, Vogelstrauß und Zebra sehe ich zur Zeit regelmäßig Red und Blue Duiker, wenn ich jogge; gestern ist eine riesige Familienherde von Zebras durchs Camp spaziert, und der Impala-Harem hat herausgefunden, dass es am sichersten ist, nachts zwischen den Hütten und der Wäscheleine zu schlafen, weil der Leopard sich nicht so recht in die Nähe der Menschen traut. Wenn man also nachts zur Toilette spaziert, leuchten einem zwanzig schläfrige Impala-Augen entgegen :)
breeding herd in camp!

Mein letzter Blogeintrag ist schon wieder so lange her…

Was ist seither passiert?

Ausflug nach Sodwana


Wir hatten ein freies Wochenende und sind geschlossen nach Sodwana gefahren, wo wir super spontan eine Bleibe über Nacht in einem Tauchcenter gefunden haben… wir wollten unbedingt tauchen, allerdings müssen Nichttaucher erst einige Skills absolvieren, bevor sie ins offene Meer dürfen. Zum Glück haben wir unter den Kursteilnehmern eine Tauchlehrerin, die sich bereit erklärte, spätabends und früh morgens mit uns in den eisigen Pool des Tauchcenters zu steigen, um uns die Basics des Tauchens zu erklären. Es war eiskalt und dunkel, sodass wir einen Jeep in Richtung des Pools parken mussten, der uns mit seinem Fernlicht zumindest ein wenig Erleuchtung verschaffte ;)

Anfänger-Skills im dunkeln, kalten Pool :D

Bisschen komisch, im Dunkeln rückwärts ins eiskalte Wasser zu plumpsen… aber: Wir durften am nächsten Tag einen richtigen Tauchgang machen! Wir fuhren mit dem Speedboot über eine ziemlich raue See nach draußen, was unfassbar Spaß machte – wir mussten uns alle seeehr gut festhalten… dann wurden wir (nicht ganz professionell, wie wir später erfuhren) ins Wasser gelassen – alle gleichzeitig und mit wenig Abstand, sodass wir uns gegenseitig die Masken vom Gesicht rissen und aufeinander landeten etc. – anyway, wir hatten einen fantastischen Tauchgang, einige von uns zum allerersten Mal, entlang der Korallenriffe um Sodwana, wo sich all die brillant-bunten Korallenriff-Fischarten tummeln. Ich bin so fasziniert von der Welt da unten, dass ich gar nicht erst versuchen werde Worte zu finden.




Eine kleine Herausforderung war es für uns alle, als wir buddy-für-buddy-team wieder auftauchten und mithilfe der BCD‘s auf der rauen See trieben, uns dann ins Boot hievten und anschließend warteten, bis alle versammelt waren und wir zurückfahren konnten. Ich war glaube ich noch nie seekrank in meinem Leben, aber in diesem Moment habe ich mich deutlich komisch gefühlt… ich erfuhr später, dass die Leute auf dem Boot eine Schildkröte gesehen hatten – fünf Minuten bevor ich auftauchte! Lauren, mein „Roomie“, war zu dieser Zeit schon auf dem Boot, aber sie sah die Schildkröte auch nicht, weil sie sich gerade herzhaft ins Meer übergab. :D Ich kann es ihr nicht verdenken…

Trotz all den aufgewirbelten Mägen schafften wir es sicher zurück zum Strand, und währen die fortgeschrittenen Taucher gleich zu einem zweiten Tauchgang aufbrachen, blieben wir Anfänger am Strand und fielen in der milden Spätherbstsonne im Sand ins Koma. ;)
Sodwana Bay

Kosi Bay Practical

Dann letzte Woche hatten wir unser erstes Marine Practical – wir fuhren 5 Tage nach Kosi Bay, um das ozeanische Ökosystem live zu erleben.

Kosi Bay Lodge
Alles, was wir im Terrestrial Guiding übers Land gelernt haben (Tiere, Pflanzen, Topographie, Felsen, Böden, Wetter, Astronomie etc.), lernen wir jetzt über das Meer und seine Umgebung: Pflanzen, Tiere und ihr Zusammenspiel in den Ökosystemen in der subtidal province (da, wo Flut und Ebbe das Meer bewegen), in den Korallenriffen, am Strand, den Felsküsten, den Dünen und den Küstenwäldern. Wir identifizierten die verschiedenen Mangrove Species (sorry, ich kenne inzwischen zu viele englische Wörter, die ich nicht ins Deutsche übersetzen kann… ich tu mir schwer hier!), das ist eine meer-abhängige Baumart, die die vielleicht coolste Baumspezies ist, von der ich jemals gehört habe. Sie hat krasse Adaptionen entwickelt, um mit dem hohen Salzgehalt und dem ständigen Ebbe-Flut-Wechsel klarzukommen, und hat dabei einen immens hohen ökologischen Wert: Abgesehen von dem Lebensraum, den sie für zahlreiche Spezies bietet, beschützt sie Küsten vor Erosion und Unwetterwellen und absorbiert enorme Mengen an CO2, sprich hilft uns Menschen dabei, nicht in das Grab der Klimaerwärmung zu fallen, das wir uns selbst geschaufelt haben. Save the mangroves!
Wurzeln von Red Mangrove - während der Flut bleiben sie über Wasser

Walker's Owl Moth... Riesenraupe!
Wir identifizierten alle möglichen anderen Küstenpflanzen und -bäume (Wilde Dattelpalme, Lalapalme, Raffia-Palme (die riesigsten Blätter, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe – unfassbar, unfassbar gigantische Palmen!), Legripper („Bein-Aufschlitzer“?), Wild Custard Apple (äääh… „Wilder Vanillesoßen-Apfelbaum“? Hahahaha :D not too sure…), Sour Fig (Saure Feige, denke ich), die auf den Dünen wächst und sehr gut gegen Quallen- und Bluebottleverbrennungen helfen soll und so weiter… wir identifizierten Krabben, Seevögel, Nilpferdspuren, Schmetterlinge, Libellen, riesige Raupen, gestrandete Quallen und ihre kleinen Hitchhiker-Bewohner, und natürlich gingen wir schnorcheln…

Cosi Bay liegt direkt am Cosi Estuary, also da, wo der Fluss ins Meer mündet und sich das Salz- mit dem Süßwasser vermischt - mit dem Resultat, dass in dem niedrigen, ruhigen Wasser im „See“ des Estuaries viele Korallenfischspezies aus dem Meer ihre Jungen aufziehen, weil es da geschützter ist (von den mächtigen Wellen und Raubfischen). Wir konnten also während des Schnorchelns die kleinen farbenfrohen Babyfische sehen (u.a. Butterfly Fish, Angelfish, Damselfish, Moorish Idol – das ist der alte Fisch von Findet Nemo, der im Aquarium lebt – psychedelische Wrasses, Boxys und jede Menge Muränen, ausgewachsene und Babys.)
Morish Idol (Findet-Nemo-Fisch)

Viele Fische sehen komplett anders aus, wenn sie Babys sind, und ändern ihre Farbe mit dem Erwachsenwerden, was uns entsprechend herausforderte, als wir versuchten sie zu identifizieren. Wir sahen auch eine Menge Lion- und Scorpionfish (beide giftig) und sogar den hochgiftigen Steinfisch, der als gefährlichster Fisch der Welt gilt und aufgrund seiner phänomenalen Tarnung kaum sichtbar ist. Wenn man barfuß auf ihn drauftritt, lebt man unter Umständen nicht mehr lange… aber wir werden ja alle zu ethischen und verantwortungsbewussten Guides erzogen und lernen als allererstes, dass man im Estuary nie auf dem Boden stehen sollte.
baby stonefish
juvenile lionfish
Da das Einsatzgebiet eines Marine Guides auch Kajakfahren umfasst, machten wir am zweiten Tag eine Kajaktour zu den traditionellen Fischfallen der Zulu-Einwohner, die komplett von Hand aus bestimmten Baumsorten gebaut werden. Ein einheimischer Zulu-Guide ließ uns seine Fischfalle erkunden (es war Ebbe, wir konnten also durch seine Fischfalle waten) und erklärte uns, welche Baumsorten er verwendet, welche Fischsorten er fängt, wie genau die Falle funktioniert und welche traditionellen Werte dahinterstehen. Wenn man das so hört und durch die wartungsintensiven Fallen watet, kann man sich nur schwer vorstellen, dass zum selben Zweck industrielle Riesenkutter durch die Meere brummen und innerhalb von Minuten Tonnen von hilflosem Fisch und Beifang aus dem Ozean zerren…

FOTOS VOM KAJAKFAHREN FOLGEN.

Einen Tag unseres Cosi Bay Aufenthalts widmeten wir dem alten Küstenwald/-sumpf rund um Cosi, wo die ganze Landschaft stellenweise noch sehr unberührt ist und man seltene Bäume und relativ intakte Ökosysteme findet. Wir wollten vor allem die Raffia-Palms sehen, gigantische Palmen mit gigantischen Blättern, deren Energie und unfassbare Schönheit man nur verstehen kann, wenn man direkt in diesem Palmenwald steht. Die ganze Vegetation ist subtropisch, sprich üppig grün, voller Farne, Lianen, Kletterpflanzen und Palmen, bewohnt von Schmetterlingen, Libellen, Vögeln (u.a. Palm Nut Vultures, die wir sogar zu Gesicht bekamen!), und Nilpferden, auf die wir ein wenig aufpassen mussten (gerate niemals zwischen ein Nilpferd und „sein“ Wasser!). Zum Glück wissen wir ja jetzt alle, wie man Spuren liest und so drehten wir ein-, zweimal aus Sicherheitsgründen um, als die Nilpferdspuren zu frisch wurden. Wir marschierten auf dicht bewachsenen und überwucherten Nilpferdpfaden (auf denen sicher seit Jahren kein menschliches Wesen mehr gelaufen ist) und kämpften alle tapfer, um den Kletterpflanzen auszuweichen (remember: jemand hat eine dieser Pflanzenspezies „legripper“ = „Beinaufschlitzer“ getauft). Es fühlte sich an wie ein 100% authentischer Chuck-Norris-Hindernislauf!

subtropical palm forest... amazing.
 Um der Sache die Krone aufzusetzen, mussten wir auf einem Holzfloß der Einheimischen einen Fluss überqueren - mit nur einem Seil, an dem man sich entlangzieht, und einem Holzpflock, den man stocherkahnartig zum Anlegen verwendet. Das Floß trug nur zwei Personen, und das An- und Ablegen stellte sich als schwierig heraus, weil das Floß nicht ganz bis zum Ufer kam und vorher strandete. Wir konnten aber nicht einfach die Schuhe ausziehen und durchs Wasser waten, weil im Wasser gefährliche Krankheitserreger nisteten (zwei einheimische Lalapalm-Sammlerinnen hatten uns gewarnt: „Do not go into the water! Worms! Worms!“ – und wenn sogar Einheimische das sagen, empfiehlt es sich, darauf zu hören!). Wir mussten also vom wackligen Floß Richtung rutschiges Ufer springen… als wir später am Ufer des Sees unser mitgebrachtes Mittagessen verschlangen, waren wir uns alle einig, dass das eine der coolsten Wanderungen war, die wir alle jemals gemacht haben.
Flussüberquerung per Floß
Hm, das war unser Cosi Bay Practical in short. Jetzt sind wir wie gesagt wieder im Base Camp für lectures – wir lernen alles über die Bewohner des Ozeans, inklusive Weichtiere, Muscheln, Schwämme, Korallen, Anemonen, Seesterne, Seespinnen, Krebse etc. – ihr könnt euch nicht vorstellen, was in diesen Ozeanen los ist! Das ist ne komplett andere Welt… die jeden einigermaßen normalen Menschen vollkommen von den Socken hauen muss. Allein das Repertoire an Überlebensstrategien innerhalb eines Korallenriffs ist so verrückt, das kann sich gar keiner alleine ausdenken! Fische wechseln je nach Situation ihre Farbe oder ihr Geschlecht, leben in den faszinierendsten Symbiosen mit anderen Spezies, sind giftig, wunderprächtig farbenfroh oder super gut getarnt, und so weiter und so fort…



Nächste Woche geht es aufs nächste Practical nach Sodwana, wo wir ja schon einmal (außer-kurs-mäßig) tauchen waren. Ich freu mich schon sehr! Allerdings werde ich mir vorher eine Strategie gegen Seekrankheit ausdenken, damit ich mich in aller Ruhe den Schildkröten widmen kann :)

So.

Herzlichen Glückwunsch an den ausdauernden Leser, der es bis hierher geschafft hat! Ich hoffe, es war einigermaßen unterhaltsam und ihr seid jetzt wieder up to date in terms of „what is kat doing out there“.

Happy hugs from Kwa-Zulu-Natal.

Sonntag, 18. Juni 2017

Diary of a bush student ;)

Ein Monat Buschschule verging wie im Flug! Krass… und plötzlich sehe ich mich mit der überwältigenden Aufgabe konfrontiert, diesen Monat in einem Blogeintrag zusammenzufassen! Noch dazu fühle ich mich, was Deutsch angeht, völlig eingerostet – meine steifen Finger kraxeln ziemlich ungelenk über diese Tastatur… anyway. Ich werde es versuchen.

Also. Wir sind in einem Buschcamp etwas außerhalb von Hluhluwe stationiert – recht nahe an der Zivilisation, verglichen mit Namibia – und es ist einfach nur üppig grün. Unsere kleine Hütte steht unter Mangobäumen, und manchmal wache ich nachts mit heftigem Herzklopfen auf, wenn einer der Vervet Monkeys einen Mangokern auf unser Wellblechdach fallen lässt. (BOOOOMMMMMM!)

don't ever leave your door open.... you can count on these guys to come in and throw a party
Die Buschschule ist wie eine Art Universität, und manche Studenten hier machen den Dreijahreskurs, es ist also wirklich wie ein Bachelorstudium. Auch vom Umfang her ist es definitiv mit Studieren vergleichbar (es kommt natürlich immer darauf an, wie sehr man in die Tiefe gehen möchte). Die ersten zwei Wochen hatten wir basic lectures (Säugetiere, Vögel, Ethologie, Ökologie, Taxonomie), haben einen Wildernis-Erste-Hilfe-Kurs absolviert und die darauffolgende Prüfung bestanden (neben dem typischen Erste-Hilfe-Repertoire von Verletzungen, Wiederbelebungen und Seitenlagen wurden wir mit Fotos und Videos von Leichen konfrontiert, die von Löwen, Krokodilen, Haien und Nilpferden zerfleischt worden waren; außerdem verschmorte Kabeldiebe (viele Einheimische „verdienen“ -für ihre Verhältnisse- eine Menge Geld mit Kabeldiebstahl, aber manchmal endet es leider tödlich), und grausige Fotos und Videos von verschiedensten Wildtierattacken und Schlangenbissen. Jetzt wissen wir wenigstens ganz genau, wie welches Schlangengift wirkt und was mit deinem Gesicht passiert, wenn eine Hyäne einen Großteil davon abbeißt.

smiling Rudi

Nachdem wir also alle zertifizierte Wildnis-Ersthelfer geworden waren, machten wir eine zweiwöchige Exkursion in ein Big5-Game-Reserve, wo wir in einem ziemlich wunderschönen Camp am Fluss lebten. Sehr basic, kein Strom, Trinkwasser und Holz fürs Feuer mussten wir sammeln, Dusch- und Geschirrspülwasser kam direkt aus dem Fluss (und sah meistens aus wie Kaffee – schön mit Nilpferdkacke gespickt! Meine Haare haben sich sehr gefreut, als wir wieder im Basiscamp waren und mit „normalerem“ Wasser duschten) und wir mussten jeweils eine Stunde Nachtwache halten, weil das Camp natürlich nicht umzäunt war und jeder (Elefanten, Löwen, Leoparden, Büffel und Geparden) frei zwischen den Zelten herumspazieren konnte. Generell macht das eigentlich nichts aus; ein Löwe muss schon sehr, sehr verzweifelt sein, um den Versuch zu starten, ein Zelt zu öffnen. Tricky ist es nur, wenn jemand nachts auf die Toilette muss, insbesondere mit Büffeln, Löwen und Elefanten, die bei plötzlichen und unbeabsichtigten Konfrontationen oft keinen Spaß verstehen. Wir veranstalteten sogar ein Sleepout, bei dem wir praktisch nichts hatten als unsere Schlafsäcke, Taschenlampen und ein Lagerfeuer und dann eine Nacht komplett in der Wildnis übernachteten. Mit Doppelnachtwachen, weil es da draußen lebensgefährlich ist, wenn die Nachtwache einschläft.

cheetah/Gepard
Leider konnte ich das Sleepout und die letzte Woche nicht so richtig genießen, weil mich (wie so viele vor mir) das berüchtigte Tickbite Fever niedergebügelt hat. In der Gegend nördlich von Durban gibt es unendlich viele Zecken, und viele von ihnen übertragen Tickbite Fever. Die Zecken sind anders als die Zecken, die wir von Deutschland kennen – sie beißen sich nicht fest und saugen sich dann voll, sondern beißen einfach nur, und das genügt, um einen Menschen zu infizieren. Selbst die Stelle, wo das Viech mich gebissen hat, hat sich ziemlich entzündet. Symptome von Tickbite Fever sind Kopfschmerzen, allgemeine körperliche Schwäche, Schwindel, geschwollene Lymphknoten (insbesondere in der Leiste), starke Muskelschmerzen und, wie der Name verrät, Fieber (ggf. mit Schüttelfrost).

our three "bosses" on sleepout
Während also alle ums Campfeuer standen/saßen und den Sternenhimmel, das Brüllen der Löwen und den Eintopf im Poikie genossen, lag ich auf meinem Lager und fühlte mich elend ;) Nicht der beste Sleepout meines Lebens. Zum Glück habe ich das oft genug in Namibia gemacht und bin diesbezüglich vermutlich etwas verwöhnt; das einzige, was ich dort nicht hatte, war das immer näher kommende Brüllen des Löwen. Dafür Stille, ohrenbetäubende Stille, und einen noch unendlicheren Sternenhimmel.
In unserer ersten Woche im Reserve (als es mir noch gut ging) machten wir einen Tracking-Kurs bei Colin Patrick, der eine Legende auf seinem Gebiet ist – und wir begriffen alle sehr schnell wieso. Im Bezug auf Spurenlesen macht ihm keiner was vor und er und sein Kollege sind u.a. sehr gefragt im Anti-Poaching-Business, gleichzeitig ist er aber ein sehr bescheidener, sympathischer Mann und ein sehr guter Mentor! Natürlich brachte er uns viel über Spuren bei, aber auch über die innere Einstellung eines guten Trackers – man muss ganz viel auf seine Instinkte hören, und das ist etwas, was wir in unserem Leben automatisch verlernen. Wir haben diesen kleinen Funken von Instinkt, aber wir hören nicht auf ihn, sondern analysieren, hinterfragen und überdenken – und irgendwann nehmen wir den Funken gar nicht mehr wahr. Innerhalb dieser Woche habe ich so viel über mich gelernt, insbesondere auch, dass mein Instinkt ziemlich gut ist, ich ihn aber fast grundsätzlich hinterfrage und dann eine zweite – meist falsche – Entscheidung treffe.

hooves of a buffalo kill - well at least it helps understanding tracks...
Gegen Ende des Kurses absolvierten wir eine 1,5tägige Tracker-Prüfung. Colin, sein Kollege und unsere Campmanager fuhren uns in den offenen Game-Viewing-Vehicles durchs Reservat, und wenn Colin coole Spuren fand, hielten wir an und er kreierte eine Art „Crime Scene“, wo er die Spuren umrandete und nummerierte und uns dann immer zu zweit hereinrief. Wir mussten die Spuren (insgesamt knapp 60, manche gaben mehr und manche weniger Punkte, je nach Schwierigkeitsgrad) inspizieren und deuten… und aus dem Durchschnitt der richtigen Antworten wurde dann das Prüfungsergebnis berechnet. Nur damit ihr eine Idee bekommt: Wir „lasen“ Spuren (Fußspuren, Kot oder Reviermarkierungen) von Buschbock, Duiker, Impala, Nyala, Kudu, Büffel, Giraffe, Löwe, Gepard, Leopard, Elefant, Nilpferd, Weißes Rhinozeros, Ameisenbär, Maus, Frosch, Schildkröte, Krokodil, Ameisenlöwe, Nacktschnecke, Termiten, Stachelschwein, White-tailed Mongoose, Genet, Schakal, Braune Hyäne, Gefleckte Hyäne, - this is too weird writing all these names in German! Would someone be so kind and google „White-tailed mongoose please? I don’t even know the translation! – und verschiedene Vögel, deren Namen ich nicht übersetzen kann (Guineafowl, Marabu Stork, Egyptian Geese, Thick-Knee, Plover, Courser, Dove)…..
In der zweiten Woche machten wir hauptsächlich Game Drives und lernten alles Mögliche über Vögel (vor allem Identifikation – ich hab so meine Schwierigkeiten mit Vögeln! Sie sind klein, meistens weit weg und fliegen immer dann davon, wenn ich sie anschaue! Wir lernen auch Vogelstimmen, damit wir die Vögel nur anhand ihres Rufs identifizieren können). Außerdem studierten wir Bäume (ich mag Bäume mehr als Vögel, sie bleiben wenigstens still stehen, während man versucht sie zu identifizieren), und jede Menge medizinisches/traditionelles Wissen über die einzelnen Bäume, z.B. welche Bäume sich als Zahnbürste eignen, welche Tees man aus welchen Blättern und Rinden brauen muss um so ziemlich alles zu heilen, die Potenz/Fruchtbarkeit zu steigern, einem „Freund“ einen zweistündigen Schluckauf zu bescheren oder sich einfach mal wieder ordentlich zu übergeben. ;)
Ryan Tippet teaching us about the sausage tree (kigelia africana)
Wir lernten Gräser zu identifizieren und die Qualität / den Status eines biologischen Lebensraumes aus der Anzahl und Art der vorhandenen Gräser abzulesen (was ich unheimlich spannend finde!).

Nach zwei Wochen Wildnis kehrten wir ins Basiscamp zurück und hatten ein paar mehr Lectures (hauptsächlich Reptilien – Frösche, Kröten, Geckos, Chamäleons, Warane, Krokodile, Alligatoren und natürlich Schlangen!) und einen Schlangen-Handling-Kurs, in dem wir die Gelegenheit hatten, eine ziemlich friedliche Puffnatter, eine nicht ganz so friedliche Cape Cobra und eine eher gereizte Forest Cobra sicher und schlangengerecht einzufangen.


African boomslang - killing you slowly...

professional snake handling :D of a  Forest Cobra

Wir hatten auch ein paar erste Prüfungen, auf die es zu lernen galt; da bleibt entsprechend wenig Zeit für irgendwas anderes. Ich versuche regelmäßig zu joggen und gelegentlich Functional Training / Yoga zu machen, aber ich habe so viel Fitness verloren, seit ich Namibia verlassen habe :(. Traurig, aber wahr.
I’m proud! Ich habe es tatsächlich geschafft euch so eine Art Überblick zu verschaffen. Falls jemand Fragen/Kommentare hat: Ich freue mich SEHR, persönlich von euch zu hören – und hoffe ihr versteht jetzt, warum es so lange dauert, bis ich antworte! :)
P.s.: Ich beneide euch um das tolle Sommerwetter in Deutschland. Hier in Kwa-Zulu-Natal ist jetzt Winter, d.h. kühle 15-20°C (wenigstens scheint normalerweise die Sonne), aber ich vermisse die Wärme! Ich glaube ich funktioniere bei Temperaturen von 25-35°C am besten :)

Dicker Drücker und herzliche Grüße von eurer Buschstudentin ;)

Dienstag, 2. Mai 2017

Busch-Schul-Start


Ich sitze bzw. hänge auf meinem Bett in meiner kleinen Studentenhütte, die ich mit Lauren teile, trinke Silbertee (heißes Wasser mit Milch und Zimt) und bin eigentlich unglaublich müde, fühle mich aber verpflichtet, zumindest einen kurzen Blogeintrag zu schreiben.

Nachdem ich Namibia pünktlich zum letzten Tag meines Visums verlassen habe, flog ich von Upington (mein Lieblingsflughafen auf der ganzen Welt!) ;) nach Johannesburg und wurde dort von Lizzys Freund Dewald abgeholt, der mich bei seinen Eltern in Lyttleton für zwei Nächte hostete. Dafür verdient er eine Ehrennadel, ich glaube so liebevoll wurde ich selten gehostet! :D Lizzy hat ihm eine Liste geschickt „how to take care of Kat“ und er wusste sogar, wie ich abends meinen Silbertee trinke! Auf meinem Bett empfing mich eine Gitarre, auf meinem Nachttisch eine Packung Lindor… muss ich noch mehr erklären? ;) Wir hatten eine tolle, wenn auch kurze Zeit zusammen, während der wir unter anderem indisch geschmaust, Draft Beer verkostet, meine notwendigsten Einkäufe erledigt*, schöne Gespräche geführt, exzellent geschmaust, gejoggt und ein Reservat „um die Ecke“ besucht haben, in dem ich meine ersten Weißen Rhinozerosse ever gesehen habe! Wie immer bei solchen Gelegenheiten musste ich meine Tränchen zurückhalten – hab mir schon so lange gewünscht, ein Rhino in der Wildnis zu sehen! (*notwendigste Einkäufe außer Flipflops! In Johannesburg ist jetzt Herbst/Winter und ich brauchte dringend Flipflops, die ich allerdings nirgendwo fand. Handschuhe und Mützen schon….) Außerdem erhielt ich ein Exklusiv-Gitarrenkonzert von Dewald (krass guter Gitarrist!) und einen Customs-Pickup-Service, den ich sogar benötigte. Ungeplant, natürlich… ich habe mir Caminggeschirr gekauft, ein Set aus Messer, Gabel und Löffel, alles stumpf und ineinander gefaltet, und ich Dummie habe es in mein Handgepäck gesteckt… sodass es mir bei den Customs in Johannesburg gleich wieder abgenommen wurde. Zum Glück hatte Dewald gewartet – jetzt passt er auf meine Gabel und mein Messer auf :D Den Löffel durfte ich behalten. Ha ha. Ich glaube, am allermeisten macht mich beim Reisen glücklich, wenn ich tolle Menschen treffe :)
Kat's first white rhinos in the wild thanks to Dewie :)

Nach zwei tollen Tagen mit Dewald flog ich also von Johannesburg nach Durban, wo das Wetter zum Glück wieder weniger winterlich war (obwohl es auch gen Herbst/Winter geht, aber hier ist es allgemein so warm, dass man auch im Winter noch Flipflops tragen kann. Also kaufte ich mir ein Paar am Flughafen!)

Ich wurde von einem rotköpfigen, vollkommen in khakifarbener Buschuniform angezogenen Afrikaaner mit erdbeerblondem Bart und Funktionsstiefeln abgeholt – stereotypischer geht sozusagen gar nicht :D (Zur Erklärung für die, die es nicht wussten: Ich mache ab jetzt einen Field Guide Course und hoffe, ihn mit der FGASA Level 1 Qualifikation abschließen zu können).

Der Transfer von Durban Airport zum Basecamp war der ungemütlichste meines ganzen Lebens, eingequetscht hinter dem Fahrersitz mit schmerzenden Knien und gegen Ende vollkommen gefühlslosem Hintern. Wir kamen im Dunklen im Camp an und fuhren NICHT mit kleinen Booten über den See Richtung hell erleuchtetes Schloss, aber sonst kommt die ganze Sache Harry Potters erstem Jahr in Hogwarts sehr nahe! Ich komme mir vor wie Neville in einem Haufen von Hermines – alle um mich herum sind so schlau und wissen so viel, und es gibt so wahnsinnig viel zu lernen (und ich weiß davon so gut wie nichts). Am Abend unserer Ankunft nahmen Lauren und mich ein paar Studenten aus einem höheren Semester auf einen Skorpionspaziergang durchs Camp (wenn man mit UV-Licht auf einen Skorpion scheint, leuchtet er neongrün auf) und wir fanden ziemlich viele der kleinen Kerlchen! Den giftigsten davon durfte ich sogar auf der Hand halten! (Uroplectes formosa) Er ist neurotoxisch, d.h. wenn er einen sticht, schwillt der Stich an und es wird einem schwindelig und wenn man empfindlich ist, bekommt man ein wenig Atemprobleme oder fällt in Ohnmacht. Ist aber anscheinend nicht wirklich gefährlich. Er hat mir nichts getan, aber darauf haben wir es ja auch nicht angelegt.

An unserem ersten gemeinsamen Tag gingen wir auf eine Exkursion nach St. Lucia, einer touristischen Anglerstadt mit Hippos, die nachts auf den Straßen des Dorfes herumlaufen (dafür ist St. Lucia berühmt). Wir machten eine Bootstour im iSimangaliso Wetland Park (World Heritage Site), wo wir Massen von Hippos sahen, mindestens 10 riesige Krokodile und eine Menge seltener Vogelspezies (deren Namen ich in nicht einmal drei Monaten souverän auswendig können muss! In Englisch und Latein! Kreisch!).

hippo pod
sparring young bulls

Anschließend machten wir noch eine Tour zu Fuß durch den anliegenden Regenwald. Hier in Kwa-Zulu-Natal ist alles unfassbar grün, üppig und feucht. Die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass die Bücher in meinem Regal sich innerhalb von 2 Tagen gewellt haben und Handtücher den Tag über nicht trocknen (stellt euch vor, was mit meinen Haaren passiert!!! Bisher habe ich noch keinen Schlachtplan erstellt, was ich mit ihnen machen soll – Katastrophe!). Dementsprechend gibt es unglaublich viele Vögel, Insekten, Schlangen, Skorpione, Säugetiere, Zecken (!) und Mossies.

face to face with a stunning wolf spider

An unserem zweiten Tag gab es eine Baum-Tour vor dem Frühstück und anschließend hielt ein Zulu uns einen Vortrag über höfliches Benehmen in Zulukultur – wir gingen eine Zulu-Heilerin (Spirituelle), eine Sangoma, besuchen und mussten uns entsprechend verhalten. Bevor man das Grundstück betritt, muss man seinen Respekt zeigen (auf Zulu: „Sikhulekile ekhaya“) und auf Einlasserlaubnis warten; wenn man die Hütte der Heilerin betritt, Schuhe ausziehen, zweimal klatschen und mit „tsogosa“ und einer Verbeugung Respekt zollen. Erinnert mich sehr an die japanische Kultur (zweimal klatschen, verbeugen, Schuhe aus…), was ulkig ist, weil sich beide Kulturen mit ziemlicher Sicherheit unabhängig voneinander entwickelt haben. Dann zeigten uns die Sangoma und ihre Schülerin ein Ritual, bei der die Schülerin einen Trank aus verschiedenen Bäumen einnahm und dann ihren Körper verließ, um mit den Ahnen/Geistern in Verbindung zu treten. Alles unter Gesang und Trommeln, viel Gestik, Tanz und krassem Körpereinsatz. Natürlich musste ich die ganze Zeit extemst meine Tränen zurückhalten – hätte ich die „Show“ nicht gefilmt, sondern die ganze Zeit direkt zugeschaut, hätte ich es nicht geschafft. Eigentlich würde ich gerne erfahren, was passiert, wenn ich mich so richtig gehen lasse in so einer Situation – aber vor der versammelten Truppe lieber nicht :D

very intense Sangoma (spiritual healer) ritual

Abends nach dem Abendessen machten wir noch eine Sternentour, die zu einem Night Walk wurde, weil es vollkommen bewölkt war :(

Ich komme mir wirklich vor wie Harry Potter… die Fächer an meiner neuen Zauberschule sind bisher:

-          Bäume

-          Gräser

-          Blumen

-          Frösche

-          Schlangen und Skorpione

-          Säugetiere

-          Astronomie

-          Zulu-Kultur

-          Vögel

-          …und ich bin sicher, es kommen noch mehr dazu!

Unter meinen „Mitschülern“ ist alles vertreten – der seltsame Nerd, der stille Schlaue, das Mäuschen mit Brille, das blonde Flittchen (davon gibt es genau drei und ich glaube, sie können Gift mit ihren Augen sprühen), der ständig besoffene/bekiffte Idiot, etc. etc.! Für mich ein echter Schock, von der Stille und Einsamkeit Namibias ins „College-Leben“! Diesmal sogar mit Schuluniform, aber unsere Uniformen sind noch nicht angekommen… ich weiß aber schon, dass es khakifarbene Buschuniformen sind und keine schwarzen Zauberumhänge.

Wir waren auch schon im nächsten Dorf (Hluhluwe, man spricht es einfach mal NICHT so aus wie man es schreibt….) einkaufen, was ein wahnsinniges Geduldsspiel ist… wie kann eine einzige Kassiererin so langsam sein? Unfassbar! Und alle anderen machen aus Solidarität mit…

Ich kann euch jetzt schon sagen, dass dieser Blog unter dem massiven Lernstoffumfang leiden wird. Aber wenigstens wisst ihr jetzt, was ich treibe… und womit ich die nächsten 10 Wochen beschäftigt sein werde!


Samstag, 29. April 2017

Einsiedler-Tagebuch


Wie ihr wisst, bin ich nach meiner kleinen Namibia-Tour alleine zu unserer Hütte zurückgekehrt… ich führe also fortan ein Einsiedler-Leben… die ersten Tage noch mit (sporadischem) Internet und Telefon, dann ohne. Ich war noch nie in meinem Leben so alleine, so wild und so unabhängig. Die ersten Tage habe ich noch „Einsiedlertagebuch“ geführt, dann bin ich irgendwie so weit weg von dem Gedanken an Zivilisation und andere Menschen auf der Erde weggedriftet, dass ich es vergessen habe :) Die paar Tage, die ich niedergeschrieben habe, geben euch aber glaube ich einen ganz guten Einblick in mein Einsiedlerleben.



8.04.

·       Mein erster Tag als Einsiedler. Ich bin geschockt, wie laut die Stille ist. Sie drückt mir regelrecht auf die Ohren.

·       Ich „baue das Haus um“ und erschaffe eine Sattelkammer, wie von Estelle gewünscht. Ich muss verdammt kreativ sein, um so etwas wie Hänger zu bauen – ich habe nicht mal mehr Nägel und Hammer hier. Alles, was mir zur Verfügung steht, ist alter Rostschrott – sogar alle guten Bretter und Hölzer hat Red mit zum Camp genommen. Am Ende benutze ich ein altes Bettgestell und Draht vom Schrott und bin ein bisschen stolz auf meine Einfältigkeit. Hübsche Sattelkammer.

·       Abends ist plötzlich der Strom weg. Ich weiß genau, wieso: Gestern haben wir die Solarpanel für den Strom ausgetauscht, weil das Solarpanel im Camp nicht gut genug war. Ich habe sogar dabei geholfen, „mein“ Solarpanel auszugraben und auf den Camp-Landy zu hieven. Red versicherte mir, dass das Camp-Solarpanel gut genug für mich sei. Sieht man ja. Danke auch. Den Rest des Abends verbringe ich im Dunkeln mit Taschenlampe.

9.04.

·       Habe so gut geschlafen!!! Nur noch 28°C nachts und kein einziger Moskito.

·       Heute Morgen immer noch kein Strom. Solarpanel geputzt und Verbindungen gecheckt. Bin etwas sauer, dass mir alles weggenommen wird, was ich brauche (Red sagte noch ganz lässig: „Keine Sorge, das Solarpanel reicht locker für dich.“). Man kann niemandem trauen.

·       Zum Catwalk gerannt, bisschen meditiert, zurückgerannt, Bodyweight Training

·       Solarpanel in die Sonne gedreht

·       Jungs gesucht – leider ohne Erfolg

·       Bisschen gelesen, gelernt und geschlafen

·       Raus zu den Stuten gefahren und auf einen Berg geklettert. Keine Stuten in Sicht. Aber es war herrlich schön da oben. Vor mir ging die Sonne in leuchtendem Gold unter und hinter mir der Vollmond auf – neben einem Regenbogen. :D Habe meinen Werwolfgenen freien Lauf gelassen und dann lautstark noch andere Tiere imitiert. Das Echo ist so schön. Dann rufe ich die Stuten. „HALLOOOOO WO SEID IHR??? KOMMT ZUM HAUS, ICH HABE FUTTER FÜR EUCH!!!!!“ etc. etc. Als ich mich gerade wieder an Tierstimmenimitation mache, sehe ich -wundersamer Weise- die Stutenherde auftauchen. Ich klettere den Berg hinunter, springe in den Landy und jage auf die andere Seite, wo die Stuten sind… doch sie sind auf ihrer eigenen Mission und schon unterwegs zu ihrem nächtlichen Rastplatz. Im Galopp. In ihrer schnuckeligen Herdenformation. „Wartet auf mich, ich hab Luzerne!!!“ Es ist so schön, sie zu sehen… aber es macht keinen Sinn, ihnen hinterherzujagen. Ich vermisse sie… ich hoffe, sie kommen bald zurück.

·       Versucht, den Baum zu zerkleinern, der über die Straße gefallen ist. Für die großen Teile brauche ich eindeutig eine richtige Säge (mit meinem Schweizer Taschenmesser säge ich mich zu Tode). Es hat aber für ein Feuer gereicht. Gemüsecurrysuppe im Potkie im Feuer gekocht und unter den Sternen vertilgt und Gitarre gespielt.


10.04.

·       Wieder gut geschlafen. Musste sogar noch eine Decke auflegen, so kühl wurde es nachts. Ich wache jeden Morgen auf wie vom Blitz getroffen, zirka fünf Minuten bevor die Sonne aufgeht. Besser als jeder Wecker.

·       Bodyweight Training gemacht

·       Schönes Frühstück & Skype mit Lazi

·       Versucht, die Outdoordusche zu reparieren – leider erfolglos. Brauche einen richtigen Schraubenzieher!

·       Erfolglos die Jungs gesucht (wo zum Geier sind die???) und ebenso erfolglos auf die Stuten gewartet. Hatte heute keine Lust, sie zu jagen…

·       Skype mit Katica J

·       Stundenlang am Laptop den Bericht für Pete finalisiert. Bin froh, dass er so gut wie fertig ist; Laptop macht keinen Spaß.



11.04.

·       Haus gefegt und Arbeitsflächen gewischt

·       Skype mit Lazi

·       Versucht, zu bloggen, meinen Kurs zu buchen und Flugtickets zu recherchieren, aber für die Hälfte war das Internet zu langsam

·       Spinatpfannkuchen mit Pilzen, Tomaten und Feta gemacht

·       Fremdes Auto fährt vorm Haus vor, fremder bärtiger Kerl steht vor dem Haus; fetter Adrenalinschub!!! Er hat noch einen schwarzen Kerl dabei. Ich weiß nicht, was los ist und verstecke mich erst... ich habe keine Verbindung zur Außenwelt und fühle mich doch tendenziell verwundbar, vor allem wenn zwei Männer einfach auftauchen. Ich mache einen Plan, wie ich mich im Notfall verteidigen werde (er ist peinlich, aber mein Schweizer Taschenmesser und Schaufeln/Rechen, die ich an zwei Stellen deponiere, spielen eine Rolle darin). Nach einer Weile Beobachten marschiere ich hinaus und konfrontiere den Kerl...... :D Er erklärt mir, er ist von der Telekom und nimmt jetzt das Internet und Telefon mit, um es im Camp zu installieren. Er gibt mir einen kleinen Brief von Karlene, die fragt, ob sie morgen zum Reiten kommen kann. Ich schreibe zurück, ja, aber die Chance, dass wir die Pferde nicht finden, ist groß – und bitte schreib eine Email an Laszlo, dass ich kein Internet mehr habe, sonst macht er sich Sorgen. Als der Kerl mit dem Internet und der Satellitenschüssel (für die Lizzy erst vor 3 Wochen einen Zaun gebaut hat) weggefahren ist, merke ich, dass ich zittere vor Wut. Wie kann Red es wagen, zwei fremde Kerle hierher zu schicken, um meine Kommunikation mit der Außenwelt abzuschneiden, ohne mir Bescheid zu sagen??? Und wie kann es niemanden interessieren, dass ich jetzt ohne jegliche Notfallkommunikation 45Minuten Fahrt vom Camp entfernt bin? Ich fühle mich wie ein dummes Karnickel, das alle mit dem Fuß hin und her schubsen. Und ich merke, wie verwundbar ich hier draußen bin. Natürlich ist es auch krass, dass ich jetzt wirklich alleine bin. Kann nicht mal mehr übers Internet mit Laszlo oder Freunden und Familie kommunizieren und habe kein Telefon mehr.

turning really feral now...

·       Weil ich so wütend bin, packe ich Sattel und Zaumzeug und fahre mit dem Landy los, um die Jungs zu finden. Bevor ich auf deren Seite fahre, packe ich Luzerne in die Futtertröge der Stuten. Dann steige ich auf meinen Standardberg, kann die Jungs aber nirgendwo sehen. Ich fahre ein bisschen weiter und beschließe, hinter die Bergkette auf der rechten Seite zu wandern. Red sagt, es gibt da irgendwo eine alte Straße, bei der nur der Einstieg nicht so deutlich ist. Ich ziehe meine fetten Stiefel an und mein Top aus; endlich kann ich mal so richtig wild sein ;) Männer machen das dauernd und ich kann verstehen, wieso – es ist so viel angenehmer... Ich laufe insgesamt um die 17km und klettere u.a. auf den höchsten Berg, den ich finden kann (den schwarzen Berg). Aber selbst von da oben kann ich weder die Jungs noch die Straße sehen. Ich orientiere mich und mache einen Plan, klettere wieder runter und klettere ein Bachbett entlang, wo ich einen Stachelschweinstachel finde. Nach einer Weile finde ich die Straße. Es ist heiß, ich bin ziemlich durstig und klitzekleine Fliegen machen meinen ganzen Körper juckig. Ich verfolge die Straße (mit Mühe) bis zur „Hauptstraße“ und markiere den Eingang mit einem Pfahl, den ich unterwegs aufgesammelt habe.

·       Dann fahre ich zum Haus, trinke zwei Liter Wasser und fahre weiter ins Terrain der Stuten. Ich will wenigstens ein einziges Pferd finden…. Ich bin sogar bereit, eine der Stuten zu satteln und zum Pen zurückzureiten, evtl. mit einer anderen als Handpferd! Das würde bedeuten, dass ich morgen ca. 2 Stunden laufen muss, um den Landy wieder nach Hause zu holen, doch das wäre es mir inzwischen wert… Ich fahre ziemlich weit und klettere auch hier auf einen hohen Berg, von dem aus ich fantastische Sicht habe. Ich merke schon beim Hochklettern, dass ich müde bin und mich sehr konzentrieren muss, dass ich meine Füße noch sicher setze. Es regnet ein bisschen, was total angenehm ist. Ich fühle mich frei und total afrikanisch ;) Ein kompletter Regenbogen spannt sich über den Himmel, und ich sehe sogar, wo er anfängt. Stuten sehe ich aber keine. Als ich zurückkomme, sind die Tröge immer noch mit Luzerne gefüllt. Ich hab keine Ahnung, wo alle hin sind…
12.04.17

·       Mitten in der Nacht wache ich plötzlich auf – ich habe das Gefühl, dass jemand hier ist!? Kurz darauf höre ich das vertraute Klackern von Hufen auf Sand… kaum zu fassen! Die Stuten sind gekommen! Mitten in der Nacht! Es ist eine verdammt helle Nacht wegen des Vollmonds, und ich beobachte sie eine Weile verschlafen, wie sie sich genüsslich an den Köcherbäumen die Körper rubbeln… es ist ein schönes Bild, so im Mondlicht, so hell, dass sie deutliche Schatten werfen. Mir ist klar, dass ich die Chance ergreifen muss, morgen werden sie wieder weg/unauffindbar sein. Also schäle ich mich aus meinen Decken, ziehe Socken und Reitschuhe an, schnappe mir 3 Halfter und fange Penelope, Mugga und Njote ein. Es muss ein verdammt ulkiges Bild sein, wie unsere Prozession im Vollmond langsam zum Pen zieht – abgesehen von meinen Socken und Schuhen habe ich nichts an und es ist das erste Mal, dass ich beim Führen eines Pferdes den warmen Atem auf der Haut meines Hinterns spüre :D Ich sperre sie in den Pen und drehe das Wasser auf, dann wandere ich zurück zum Haus, schnappe den Landy, fahre wieder zum Pen und füttere die drei. Weil Misty am Pen steht und auch gerne Futter möchte, lasse ich sie zu den anderen hinein. Pete hat ein bisschen an mir gezerrt, ob ich sie nicht reiten will – nein, will ich eigentlich nicht, sie ist zu alt und zu knochig – aber einmal „anfühlen“ wird ihr sicher nicht schaden. Nur damit ich weiß, wie sie so ist und ob ich Pete empfehlen kann, ein Kind auf sie zu setzen oder nicht. Dann fahre ich zurück zum Haus, krieche in mein Bettchen und schlummere weiter, umgeben vom Rest der Herde. Die Fohlen legen sich neben mich in den Sand zum Schlafen.
Die kleine Pampero mit Winterfell :) Seit ihre Mama Luzerne bekommt, ist sie abartig gewachsen!

·       Den ganzen Morgen sehr beschäftigt; vielleicht weil ich müde bin. Ponys gefüttert, leider nicht gewässert. Wasserkanister ist noch leer – zu wenig Sonne gestern – aber heute scheint die Sonne, also gute Chancen, dass er sich jetzt auffüllt.

·       Funktionelles/Bodyweight Training gemacht – war so hart, dass ich fluchen musste. Wenn ich davon keinen Bauchmuskelkater bekomme, dann weiß ich auch nicht…

·       wieder raus zu den Ponys, Wasserkanister hat immerhin ein bisschen Wasser – das ich in die Tröge fülle, aber es dauert ewig… in der Zwischenzeit abgeäppelt (immer noch mit den Händen. Langsam gebe ich die Hoffnung auf, dass die Morkels mir eine ordentliche Abäppelgabel kaufen).

·       Frühstück!

·       Grade als ich fertig bin, kommt Karlene angetuckert. Sie will heute ein bisschen Ponybespaßung haben; bin ich froh, dass ich Ponys für sie gefunden habe!

·       Als wir rausfahren zu den vier Damen, ist die ganze Herde da. Wir putzen und ich mache bei allen Bodyinspektion. Kaufmann’s Haut- und Kindercreme hat sich nun offiziell auch bei Pferden bewährt.
·
Weil Pete mich nochmal angeschubst hat („Did you ride Misty??? I think she can do some light work!“), packe ich einen Sattel und eine Trense auf die arme alte Misty und reite sie viermal im Kreis. Meine Befürchtung bestätigt sich: Sie ist grottenschlecht geritten und hasst es. Mit Sicherheit hat sich da nur mal jemand draufgesetzt und sie im „Farmerstil“ vergewaltigt. Außerdem sieht sie gar nicht ein, wieso sie mit ihren 22 Jahren nach so langer Zeit in der Wildnis jemanden herumtragen soll. Ich kann sie total verstehen. Sattel und Trense runter und eine Extraportion Luzerne… den Schuh ziehe ich mir nicht an.

Sweet Old Misty
·       Wir geben allen Stuten eine Extraportion Liebe, ich mache noch etwas Bodenarbeit mit Naledi (kleiner Teufel!) und Njote (großer Teufel! Aber sie wollte unbedingt Aufmerksamkeit). All die Stuten wollen eigentlich mehr Liebe und Aufmerksamkeit… das merkt man total. Sie wollen nicht geritten werden, aber dass jemand sich um sie kümmert, tut ihnen gut, das spürt man total. Anschließend bekommen natürlich alle noch Luzerne.

·       Mittagessen – Karlene hat frisches selbstgebackenes Brot mitgebracht (sie ist inzwischen ein Meister im Brotbacken auf dem Feuer)...

·       Dann fahren wir zu den Jungs – und finden sie so schnell wie kaum jemals zuvor! Kaum zu fassen! Wo seid ihr nur gewesen???

·       Bodenarbeit mit Caliente, der Schnucki hat vergessen wie man die Hinterhufe gibt – muss ihn kurz erinnern

·       Ausritt mit Sirius & Chimbote. Karlene sichtlich nervös. Sirius bockt, wenn man von „zu Hause“ weg galoppiert. Muss was unternehmen. Karlene kreischt, sobald Chimbote einen einzigen Fehltritt macht. Aber es ist ein schöner Ausritt! Auf dem Rückweg galoppiert Sirius wie eine Elfe… oder so.

·       Bin recht müde anschließend. Karlene ist happy und bedankt sich, und ich mich auch, weil mir ihre Gesellschaft gut getan hat.

·       Ich schicke Karlene mit einer „Besorgungsliste“ zu den Morkels:

o    Notfallkommunikation!?

o   Wurmkur!!! (zumindest für Mugga)

o   Vaseline

o   Säge für den Baum

o   Schraubenzieher

·       Essen, Schlafen… es wird eine kalte Nacht. Der ganze Tag war kühl; ich liege nachts wach, der Wind heult und ich überlege ernsthaft, ob ich morgen Nacht drinnen schlafen soll. Das war’s wohl mit dem Sommer in Namibia.


13.04.17

·       Morgens springt der Landy nicht an. Ich muss aber die Stuten füttern… trage also Luzerne in den Armen zum Pen (ca. 700 Meter), äpple ab und fülle Wasser auf

·       Gehe meine Morgenrunde joggen (Catwalk), heute mit Handy, weil Karlene gestern gefragt hat, wie weit das eigentlich ist und ich keine Ahnung hatte: 7,1 km.

·       Landy springt immer noch nicht an. Ohne Telefon und sonstige Notfallkommunikation blieb mir nur der Landy für den Fall eines Unfalls oder Schlangenbisses – wenn der nicht mehr fährt, kann ich eigentlich nicht mehr hier bleiben… mir bleibt also nur, ins Camp zu laufen. Das wird ca. 3-4 Stunden dauern, schätze ich… aber dann weiß wenigstens jemand, was los ist.

·       Ich füttere die Stuten, kümmere mich nochmal um Penelopes Wunden und lasse sie dann frei. Ohne den Landy kann ich sie nicht mal richtig füttern. Wenn sie frei sind, können sie sich wenigstens um sich selber kümmern. Und arbeiten kann ich sie eh nicht mit gutem Gewissen.

·       Ich laufe zurück zum Haus und teste den Landy ein drittes Mal. Er springt an. Isn’t it ironic!? Ich schalte ihn wieder aus und akzeptiere den Lauf der Dinge genau so, wie es sich zugetragen hat. Dann lese ich ein bisschen über Elefanten… und siehe da, wer um die Ecke kommt: Die ganze Stutenherde, reunited! Ich freue mich. Und füttere sie. Wie immer stellen sie das Haus auf den Kopf und ich bin nur am Hin- und Herrennen: „Mugga, NEIN! Naledi, STOP!!!“ etc. etc., trotzdem freue ich mich sehr, dass sie wieder zum Haus kommen.



·       Als sie wieder davonziehen in ihrer perfekten Herdenformation, bin ich happy. Ich habe das Gefühl, jemand hat mich besucht und ich war nicht den ganzen Tag alleine ;)

·       Ich bemale einen Felsen, koche Bohnen-Tomaten-Kartoffel-Chilli mit Reis auf dem Feuer (bis zur Perfektion!!!) und spiele Gitarre… der Tag ist lange...

An dieser Stelle endet mein regelmäßiges Einsiedlertagebuch... ich klebe euch noch ein, zwei Fotos von der (noch wilderen) Zeit danach drunter :)
Mein Ostergeschenk für Chris, Karlene, Pete und Estelle: German Style Osterkränze mit handbemalten Ostereiern und Happy-Easter-Schildern auf Stachelschweinstacheln :) Sie sorgten für große Freude und, ganz ehrlich, waren extrem lecker! Oma wäre stolz auf mich. Natürlich habe ich sie vollkommen ohne Rezept gebacken (hatte ja kein Internet). Weil der Landy mal wieder nicht ansprang, bin ich tatsächlich mit den Kränzen im Rucksack zum Camp gelaufen (17km Ostersamstagspaziergang)
Mein Ostersonntagsfest - man könnte meinen, es sieht etwas sporadisch aus, aber ich hatte SO ein Fest! Karlene hat mir zwei Easter Buns geschenkt (süße Brötchen mit Datteln und Weihnachtsgewürzen, die Australier zu Ostern essen :D), die ich mir überm Feuer getoastet habe und dann mit schmelzender Butter in meinem Einsiedlerhaus vertilgte! Happy Easter!!!
Selfie with little devil "Naledi" :)

Interessanter Fund! Ein Parabuthus-Skorpion (hochgiftig), der eine Grille getötet hat und sie auf seinem Rücken Huckepack zu seinem "Bau" trägt, um sie dort zu vertilgen. (er war nur ganz kurz in dem Joghurtbecher!)