Sonntag, 18. Juni 2017

Diary of a bush student ;)

Ein Monat Buschschule verging wie im Flug! Krass… und plötzlich sehe ich mich mit der überwältigenden Aufgabe konfrontiert, diesen Monat in einem Blogeintrag zusammenzufassen! Noch dazu fühle ich mich, was Deutsch angeht, völlig eingerostet – meine steifen Finger kraxeln ziemlich ungelenk über diese Tastatur… anyway. Ich werde es versuchen.

Also. Wir sind in einem Buschcamp etwas außerhalb von Hluhluwe stationiert – recht nahe an der Zivilisation, verglichen mit Namibia – und es ist einfach nur üppig grün. Unsere kleine Hütte steht unter Mangobäumen, und manchmal wache ich nachts mit heftigem Herzklopfen auf, wenn einer der Vervet Monkeys einen Mangokern auf unser Wellblechdach fallen lässt. (BOOOOMMMMMM!)

don't ever leave your door open.... you can count on these guys to come in and throw a party
Die Buschschule ist wie eine Art Universität, und manche Studenten hier machen den Dreijahreskurs, es ist also wirklich wie ein Bachelorstudium. Auch vom Umfang her ist es definitiv mit Studieren vergleichbar (es kommt natürlich immer darauf an, wie sehr man in die Tiefe gehen möchte). Die ersten zwei Wochen hatten wir basic lectures (Säugetiere, Vögel, Ethologie, Ökologie, Taxonomie), haben einen Wildernis-Erste-Hilfe-Kurs absolviert und die darauffolgende Prüfung bestanden (neben dem typischen Erste-Hilfe-Repertoire von Verletzungen, Wiederbelebungen und Seitenlagen wurden wir mit Fotos und Videos von Leichen konfrontiert, die von Löwen, Krokodilen, Haien und Nilpferden zerfleischt worden waren; außerdem verschmorte Kabeldiebe (viele Einheimische „verdienen“ -für ihre Verhältnisse- eine Menge Geld mit Kabeldiebstahl, aber manchmal endet es leider tödlich), und grausige Fotos und Videos von verschiedensten Wildtierattacken und Schlangenbissen. Jetzt wissen wir wenigstens ganz genau, wie welches Schlangengift wirkt und was mit deinem Gesicht passiert, wenn eine Hyäne einen Großteil davon abbeißt.

smiling Rudi

Nachdem wir also alle zertifizierte Wildnis-Ersthelfer geworden waren, machten wir eine zweiwöchige Exkursion in ein Big5-Game-Reserve, wo wir in einem ziemlich wunderschönen Camp am Fluss lebten. Sehr basic, kein Strom, Trinkwasser und Holz fürs Feuer mussten wir sammeln, Dusch- und Geschirrspülwasser kam direkt aus dem Fluss (und sah meistens aus wie Kaffee – schön mit Nilpferdkacke gespickt! Meine Haare haben sich sehr gefreut, als wir wieder im Basiscamp waren und mit „normalerem“ Wasser duschten) und wir mussten jeweils eine Stunde Nachtwache halten, weil das Camp natürlich nicht umzäunt war und jeder (Elefanten, Löwen, Leoparden, Büffel und Geparden) frei zwischen den Zelten herumspazieren konnte. Generell macht das eigentlich nichts aus; ein Löwe muss schon sehr, sehr verzweifelt sein, um den Versuch zu starten, ein Zelt zu öffnen. Tricky ist es nur, wenn jemand nachts auf die Toilette muss, insbesondere mit Büffeln, Löwen und Elefanten, die bei plötzlichen und unbeabsichtigten Konfrontationen oft keinen Spaß verstehen. Wir veranstalteten sogar ein Sleepout, bei dem wir praktisch nichts hatten als unsere Schlafsäcke, Taschenlampen und ein Lagerfeuer und dann eine Nacht komplett in der Wildnis übernachteten. Mit Doppelnachtwachen, weil es da draußen lebensgefährlich ist, wenn die Nachtwache einschläft.

cheetah/Gepard
Leider konnte ich das Sleepout und die letzte Woche nicht so richtig genießen, weil mich (wie so viele vor mir) das berüchtigte Tickbite Fever niedergebügelt hat. In der Gegend nördlich von Durban gibt es unendlich viele Zecken, und viele von ihnen übertragen Tickbite Fever. Die Zecken sind anders als die Zecken, die wir von Deutschland kennen – sie beißen sich nicht fest und saugen sich dann voll, sondern beißen einfach nur, und das genügt, um einen Menschen zu infizieren. Selbst die Stelle, wo das Viech mich gebissen hat, hat sich ziemlich entzündet. Symptome von Tickbite Fever sind Kopfschmerzen, allgemeine körperliche Schwäche, Schwindel, geschwollene Lymphknoten (insbesondere in der Leiste), starke Muskelschmerzen und, wie der Name verrät, Fieber (ggf. mit Schüttelfrost).

our three "bosses" on sleepout
Während also alle ums Campfeuer standen/saßen und den Sternenhimmel, das Brüllen der Löwen und den Eintopf im Poikie genossen, lag ich auf meinem Lager und fühlte mich elend ;) Nicht der beste Sleepout meines Lebens. Zum Glück habe ich das oft genug in Namibia gemacht und bin diesbezüglich vermutlich etwas verwöhnt; das einzige, was ich dort nicht hatte, war das immer näher kommende Brüllen des Löwen. Dafür Stille, ohrenbetäubende Stille, und einen noch unendlicheren Sternenhimmel.
In unserer ersten Woche im Reserve (als es mir noch gut ging) machten wir einen Tracking-Kurs bei Colin Patrick, der eine Legende auf seinem Gebiet ist – und wir begriffen alle sehr schnell wieso. Im Bezug auf Spurenlesen macht ihm keiner was vor und er und sein Kollege sind u.a. sehr gefragt im Anti-Poaching-Business, gleichzeitig ist er aber ein sehr bescheidener, sympathischer Mann und ein sehr guter Mentor! Natürlich brachte er uns viel über Spuren bei, aber auch über die innere Einstellung eines guten Trackers – man muss ganz viel auf seine Instinkte hören, und das ist etwas, was wir in unserem Leben automatisch verlernen. Wir haben diesen kleinen Funken von Instinkt, aber wir hören nicht auf ihn, sondern analysieren, hinterfragen und überdenken – und irgendwann nehmen wir den Funken gar nicht mehr wahr. Innerhalb dieser Woche habe ich so viel über mich gelernt, insbesondere auch, dass mein Instinkt ziemlich gut ist, ich ihn aber fast grundsätzlich hinterfrage und dann eine zweite – meist falsche – Entscheidung treffe.

hooves of a buffalo kill - well at least it helps understanding tracks...
Gegen Ende des Kurses absolvierten wir eine 1,5tägige Tracker-Prüfung. Colin, sein Kollege und unsere Campmanager fuhren uns in den offenen Game-Viewing-Vehicles durchs Reservat, und wenn Colin coole Spuren fand, hielten wir an und er kreierte eine Art „Crime Scene“, wo er die Spuren umrandete und nummerierte und uns dann immer zu zweit hereinrief. Wir mussten die Spuren (insgesamt knapp 60, manche gaben mehr und manche weniger Punkte, je nach Schwierigkeitsgrad) inspizieren und deuten… und aus dem Durchschnitt der richtigen Antworten wurde dann das Prüfungsergebnis berechnet. Nur damit ihr eine Idee bekommt: Wir „lasen“ Spuren (Fußspuren, Kot oder Reviermarkierungen) von Buschbock, Duiker, Impala, Nyala, Kudu, Büffel, Giraffe, Löwe, Gepard, Leopard, Elefant, Nilpferd, Weißes Rhinozeros, Ameisenbär, Maus, Frosch, Schildkröte, Krokodil, Ameisenlöwe, Nacktschnecke, Termiten, Stachelschwein, White-tailed Mongoose, Genet, Schakal, Braune Hyäne, Gefleckte Hyäne, - this is too weird writing all these names in German! Would someone be so kind and google „White-tailed mongoose please? I don’t even know the translation! – und verschiedene Vögel, deren Namen ich nicht übersetzen kann (Guineafowl, Marabu Stork, Egyptian Geese, Thick-Knee, Plover, Courser, Dove)…..
In der zweiten Woche machten wir hauptsächlich Game Drives und lernten alles Mögliche über Vögel (vor allem Identifikation – ich hab so meine Schwierigkeiten mit Vögeln! Sie sind klein, meistens weit weg und fliegen immer dann davon, wenn ich sie anschaue! Wir lernen auch Vogelstimmen, damit wir die Vögel nur anhand ihres Rufs identifizieren können). Außerdem studierten wir Bäume (ich mag Bäume mehr als Vögel, sie bleiben wenigstens still stehen, während man versucht sie zu identifizieren), und jede Menge medizinisches/traditionelles Wissen über die einzelnen Bäume, z.B. welche Bäume sich als Zahnbürste eignen, welche Tees man aus welchen Blättern und Rinden brauen muss um so ziemlich alles zu heilen, die Potenz/Fruchtbarkeit zu steigern, einem „Freund“ einen zweistündigen Schluckauf zu bescheren oder sich einfach mal wieder ordentlich zu übergeben. ;)
Ryan Tippet teaching us about the sausage tree (kigelia africana)
Wir lernten Gräser zu identifizieren und die Qualität / den Status eines biologischen Lebensraumes aus der Anzahl und Art der vorhandenen Gräser abzulesen (was ich unheimlich spannend finde!).

Nach zwei Wochen Wildnis kehrten wir ins Basiscamp zurück und hatten ein paar mehr Lectures (hauptsächlich Reptilien – Frösche, Kröten, Geckos, Chamäleons, Warane, Krokodile, Alligatoren und natürlich Schlangen!) und einen Schlangen-Handling-Kurs, in dem wir die Gelegenheit hatten, eine ziemlich friedliche Puffnatter, eine nicht ganz so friedliche Cape Cobra und eine eher gereizte Forest Cobra sicher und schlangengerecht einzufangen.


African boomslang - killing you slowly...

professional snake handling :D of a  Forest Cobra

Wir hatten auch ein paar erste Prüfungen, auf die es zu lernen galt; da bleibt entsprechend wenig Zeit für irgendwas anderes. Ich versuche regelmäßig zu joggen und gelegentlich Functional Training / Yoga zu machen, aber ich habe so viel Fitness verloren, seit ich Namibia verlassen habe :(. Traurig, aber wahr.
I’m proud! Ich habe es tatsächlich geschafft euch so eine Art Überblick zu verschaffen. Falls jemand Fragen/Kommentare hat: Ich freue mich SEHR, persönlich von euch zu hören – und hoffe ihr versteht jetzt, warum es so lange dauert, bis ich antworte! :)
P.s.: Ich beneide euch um das tolle Sommerwetter in Deutschland. Hier in Kwa-Zulu-Natal ist jetzt Winter, d.h. kühle 15-20°C (wenigstens scheint normalerweise die Sonne), aber ich vermisse die Wärme! Ich glaube ich funktioniere bei Temperaturen von 25-35°C am besten :)

Dicker Drücker und herzliche Grüße von eurer Buschstudentin ;)