Dienstag, 2. Mai 2017

Busch-Schul-Start


Ich sitze bzw. hänge auf meinem Bett in meiner kleinen Studentenhütte, die ich mit Lauren teile, trinke Silbertee (heißes Wasser mit Milch und Zimt) und bin eigentlich unglaublich müde, fühle mich aber verpflichtet, zumindest einen kurzen Blogeintrag zu schreiben.

Nachdem ich Namibia pünktlich zum letzten Tag meines Visums verlassen habe, flog ich von Upington (mein Lieblingsflughafen auf der ganzen Welt!) ;) nach Johannesburg und wurde dort von Lizzys Freund Dewald abgeholt, der mich bei seinen Eltern in Lyttleton für zwei Nächte hostete. Dafür verdient er eine Ehrennadel, ich glaube so liebevoll wurde ich selten gehostet! :D Lizzy hat ihm eine Liste geschickt „how to take care of Kat“ und er wusste sogar, wie ich abends meinen Silbertee trinke! Auf meinem Bett empfing mich eine Gitarre, auf meinem Nachttisch eine Packung Lindor… muss ich noch mehr erklären? ;) Wir hatten eine tolle, wenn auch kurze Zeit zusammen, während der wir unter anderem indisch geschmaust, Draft Beer verkostet, meine notwendigsten Einkäufe erledigt*, schöne Gespräche geführt, exzellent geschmaust, gejoggt und ein Reservat „um die Ecke“ besucht haben, in dem ich meine ersten Weißen Rhinozerosse ever gesehen habe! Wie immer bei solchen Gelegenheiten musste ich meine Tränchen zurückhalten – hab mir schon so lange gewünscht, ein Rhino in der Wildnis zu sehen! (*notwendigste Einkäufe außer Flipflops! In Johannesburg ist jetzt Herbst/Winter und ich brauchte dringend Flipflops, die ich allerdings nirgendwo fand. Handschuhe und Mützen schon….) Außerdem erhielt ich ein Exklusiv-Gitarrenkonzert von Dewald (krass guter Gitarrist!) und einen Customs-Pickup-Service, den ich sogar benötigte. Ungeplant, natürlich… ich habe mir Caminggeschirr gekauft, ein Set aus Messer, Gabel und Löffel, alles stumpf und ineinander gefaltet, und ich Dummie habe es in mein Handgepäck gesteckt… sodass es mir bei den Customs in Johannesburg gleich wieder abgenommen wurde. Zum Glück hatte Dewald gewartet – jetzt passt er auf meine Gabel und mein Messer auf :D Den Löffel durfte ich behalten. Ha ha. Ich glaube, am allermeisten macht mich beim Reisen glücklich, wenn ich tolle Menschen treffe :)
Kat's first white rhinos in the wild thanks to Dewie :)

Nach zwei tollen Tagen mit Dewald flog ich also von Johannesburg nach Durban, wo das Wetter zum Glück wieder weniger winterlich war (obwohl es auch gen Herbst/Winter geht, aber hier ist es allgemein so warm, dass man auch im Winter noch Flipflops tragen kann. Also kaufte ich mir ein Paar am Flughafen!)

Ich wurde von einem rotköpfigen, vollkommen in khakifarbener Buschuniform angezogenen Afrikaaner mit erdbeerblondem Bart und Funktionsstiefeln abgeholt – stereotypischer geht sozusagen gar nicht :D (Zur Erklärung für die, die es nicht wussten: Ich mache ab jetzt einen Field Guide Course und hoffe, ihn mit der FGASA Level 1 Qualifikation abschließen zu können).

Der Transfer von Durban Airport zum Basecamp war der ungemütlichste meines ganzen Lebens, eingequetscht hinter dem Fahrersitz mit schmerzenden Knien und gegen Ende vollkommen gefühlslosem Hintern. Wir kamen im Dunklen im Camp an und fuhren NICHT mit kleinen Booten über den See Richtung hell erleuchtetes Schloss, aber sonst kommt die ganze Sache Harry Potters erstem Jahr in Hogwarts sehr nahe! Ich komme mir vor wie Neville in einem Haufen von Hermines – alle um mich herum sind so schlau und wissen so viel, und es gibt so wahnsinnig viel zu lernen (und ich weiß davon so gut wie nichts). Am Abend unserer Ankunft nahmen Lauren und mich ein paar Studenten aus einem höheren Semester auf einen Skorpionspaziergang durchs Camp (wenn man mit UV-Licht auf einen Skorpion scheint, leuchtet er neongrün auf) und wir fanden ziemlich viele der kleinen Kerlchen! Den giftigsten davon durfte ich sogar auf der Hand halten! (Uroplectes formosa) Er ist neurotoxisch, d.h. wenn er einen sticht, schwillt der Stich an und es wird einem schwindelig und wenn man empfindlich ist, bekommt man ein wenig Atemprobleme oder fällt in Ohnmacht. Ist aber anscheinend nicht wirklich gefährlich. Er hat mir nichts getan, aber darauf haben wir es ja auch nicht angelegt.

An unserem ersten gemeinsamen Tag gingen wir auf eine Exkursion nach St. Lucia, einer touristischen Anglerstadt mit Hippos, die nachts auf den Straßen des Dorfes herumlaufen (dafür ist St. Lucia berühmt). Wir machten eine Bootstour im iSimangaliso Wetland Park (World Heritage Site), wo wir Massen von Hippos sahen, mindestens 10 riesige Krokodile und eine Menge seltener Vogelspezies (deren Namen ich in nicht einmal drei Monaten souverän auswendig können muss! In Englisch und Latein! Kreisch!).

hippo pod
sparring young bulls

Anschließend machten wir noch eine Tour zu Fuß durch den anliegenden Regenwald. Hier in Kwa-Zulu-Natal ist alles unfassbar grün, üppig und feucht. Die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass die Bücher in meinem Regal sich innerhalb von 2 Tagen gewellt haben und Handtücher den Tag über nicht trocknen (stellt euch vor, was mit meinen Haaren passiert!!! Bisher habe ich noch keinen Schlachtplan erstellt, was ich mit ihnen machen soll – Katastrophe!). Dementsprechend gibt es unglaublich viele Vögel, Insekten, Schlangen, Skorpione, Säugetiere, Zecken (!) und Mossies.

face to face with a stunning wolf spider

An unserem zweiten Tag gab es eine Baum-Tour vor dem Frühstück und anschließend hielt ein Zulu uns einen Vortrag über höfliches Benehmen in Zulukultur – wir gingen eine Zulu-Heilerin (Spirituelle), eine Sangoma, besuchen und mussten uns entsprechend verhalten. Bevor man das Grundstück betritt, muss man seinen Respekt zeigen (auf Zulu: „Sikhulekile ekhaya“) und auf Einlasserlaubnis warten; wenn man die Hütte der Heilerin betritt, Schuhe ausziehen, zweimal klatschen und mit „tsogosa“ und einer Verbeugung Respekt zollen. Erinnert mich sehr an die japanische Kultur (zweimal klatschen, verbeugen, Schuhe aus…), was ulkig ist, weil sich beide Kulturen mit ziemlicher Sicherheit unabhängig voneinander entwickelt haben. Dann zeigten uns die Sangoma und ihre Schülerin ein Ritual, bei der die Schülerin einen Trank aus verschiedenen Bäumen einnahm und dann ihren Körper verließ, um mit den Ahnen/Geistern in Verbindung zu treten. Alles unter Gesang und Trommeln, viel Gestik, Tanz und krassem Körpereinsatz. Natürlich musste ich die ganze Zeit extemst meine Tränen zurückhalten – hätte ich die „Show“ nicht gefilmt, sondern die ganze Zeit direkt zugeschaut, hätte ich es nicht geschafft. Eigentlich würde ich gerne erfahren, was passiert, wenn ich mich so richtig gehen lasse in so einer Situation – aber vor der versammelten Truppe lieber nicht :D

very intense Sangoma (spiritual healer) ritual

Abends nach dem Abendessen machten wir noch eine Sternentour, die zu einem Night Walk wurde, weil es vollkommen bewölkt war :(

Ich komme mir wirklich vor wie Harry Potter… die Fächer an meiner neuen Zauberschule sind bisher:

-          Bäume

-          Gräser

-          Blumen

-          Frösche

-          Schlangen und Skorpione

-          Säugetiere

-          Astronomie

-          Zulu-Kultur

-          Vögel

-          …und ich bin sicher, es kommen noch mehr dazu!

Unter meinen „Mitschülern“ ist alles vertreten – der seltsame Nerd, der stille Schlaue, das Mäuschen mit Brille, das blonde Flittchen (davon gibt es genau drei und ich glaube, sie können Gift mit ihren Augen sprühen), der ständig besoffene/bekiffte Idiot, etc. etc.! Für mich ein echter Schock, von der Stille und Einsamkeit Namibias ins „College-Leben“! Diesmal sogar mit Schuluniform, aber unsere Uniformen sind noch nicht angekommen… ich weiß aber schon, dass es khakifarbene Buschuniformen sind und keine schwarzen Zauberumhänge.

Wir waren auch schon im nächsten Dorf (Hluhluwe, man spricht es einfach mal NICHT so aus wie man es schreibt….) einkaufen, was ein wahnsinniges Geduldsspiel ist… wie kann eine einzige Kassiererin so langsam sein? Unfassbar! Und alle anderen machen aus Solidarität mit…

Ich kann euch jetzt schon sagen, dass dieser Blog unter dem massiven Lernstoffumfang leiden wird. Aber wenigstens wisst ihr jetzt, was ich treibe… und womit ich die nächsten 10 Wochen beschäftigt sein werde!