Donnerstag, 20. Juni 2013

Neue Episode: Süddeutschland

Eigentlich war der Plan ja - zur Enttäuschung vieler Blogleser - diese Seite einzumotten. Zur Zeit stelle ich jedoch fest, dass dies nicht nur zur Enttäuschung der Blog-Leser, sondern auch zu meiner eigenen beiträgt, und das halte ich für einen guten Anlass, meinen Plan zu ändern ;)

In der Zwischenzeit ist endlos viel passiert, und wenn ich meinen letzten Eintrag lese, kommt es mir wie Lichtjahre entfernt vor. Der Tag, als ich zu meiner sehr liebgewonnenen letzten Gastfamilie Goodbye sage, mich bedanke, sie sich bedanken, alle sich umarmen, Barry mich zum Flughafen in Brisbane chauffiert und ich anschließend knappe 2 Tage in Economy Classes und Flughäfen vor mich hinvegetiere... all das scheint so endlos entfernt. Noch auf dem Rückflug bin ich von Abenteuerlust gepackt - Singapur, Abu Dhabi - beides müssen tolle Städte sein, wobei mich Singapur wieder ganz und gar fasziniert beim Nacht-Abflug: Mit seinen vielen glitzernden Lichtern, die auf dem reichlich vorhandenen Wasser reflektieren, das das Land in unheimlich schönen, naturkreierten Mustern durchzieht. Aber auch Abu Dhabi stelle ich mir spannend vor: Am Flughafen wühle ich mich während meiner drei Stunden Aufenthalt durch Kamel-Souvenirs und werde von intensiven, schwarzbraunen Scheich-Augen durchbohrt, die zwischen weißen Tüchern hervorschimmern, zusammen mit ein paar Zentimetern schokoladenfarbener Haut (Vollmilchschokolade, mit viel Milchanteil). 
 
International Airport Abu Dhabi
Die Landung in Deutschland verläuft eher unspektakulär: Grauer Himmel mit Nieselregen - ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten Mal einen grauen Himmel gesehen habe - und meine geschlossenen Schuhe fühlen sich an meinen flipflopverwöhnten Füßen seltsam an. Meine Schwester holt mich vom Flughafen ab, und während sie auf der Autobahn Richtung Heimat bratzt, stehe ich fast Todesängste aus - sind 140km/h echt so schnell? Ich bin jetzt - wenn es gut lief - 7 Monate lang maximal 100km/h auf den Motorways gefahren, umringt von tendenziell friedlichen, manchmal sogar überraschend zuvorkommenden Fahrern - das Drängeln, Schieben, Hetzen auf Hochgeschwindigkeit ist meinem System völlig abhanden gekommen. Innerhalb weniger Tage habe ich mich aber wieder daran gewöhnt, spätestens zu dem Zeitpunkt, da ich mein frisch wiederangemeldetes Auto zum ersten Mal auf der Autobahn ausführe. Interessanter Weise ist es auch gar kein Problem für mich, wieder rechts zu fahren, nur manchmal beim Abbiegen erwische ich mich, wie ich kurz die falsche Spur (ähm, Gegenfahrbahn) anpeile. Grundsätzlich ergibt sich die Fahrseite aber durch die Seite des Fahrersitzes ganz automatisch, es würde sich einfach total strange anfühlen, als Fahrer am Bordstein entlangzuschrabben, ohne den Überblick der Straßenmitte.
Weitere Beobachtungen back to Germany: Deutscher Frühling ist so schön! Ich weiß, ich wurde vor meiner Rückkehr ausführlich davor gewarnt, dass dieses Jahr der Frühling kaum erkennbar ist, so verhüllt in Winter-Verkleidung. Trotzdem, so frisch aus Australien importiert fallen mir einige Frühlings-Merkmale trotz Nieselregen und grauem Himmel sofort auf: Die Luft duftet nach Blumen, oder Baumblüten, und sie ist frisch und süß und wie geladen von der Energie des sich-durchkämpfenden Sommers. Und die Vögel! Oh, wie schön deutsche Frühlingsvögel klingen - total anders als alles, was ich die letzten sechs Monate gehört habe! Verglichen mit dem aufdringlichen, trommelfellzerschneidenden, "tropischen", aber manchmal fast lästigen Guten-Morgen-es-ist-sechs-Uhr-Schrei von einer vielköpfigen Horde Kookaburras wirkt das feine Gezwitscher der deutschen Vögelchen total lieblich, süß, leicht, fröhlich. Als zum ersten Mal ein Spatz auf meinem Balkon landet, bin ich ganz hin und weg - nicht dass es in Australien keine Spatzen gibt, aber primär sieht man doch nur die größeren, farbenfrohen, lauten Vögel. Wie leicht-flummiartig das kleine Ding dagegen über den Boden floppt :) 
Southern German Sperling
Was fällt noch auf in Deutschland: Krass, wie viele Leute rauchen! In Australien und Neuseeland sind Zigaretten schon fast ausgerottet, und Rauchen in der Öffentlichkeit wird nicht gern gesehen - nicht gern gesehen von "den Leuten", nicht von den Ordnungshütern, und da besteht vermutlich der große Unterschied. Wenn die Polizei das dumm findet, stört das erstaunlich wenige Leute - aber wenn dich deine eigenen Freunde schief angucken, weil das Anzünden einer Zigarette denselben Effekt hat wie einem kleinen süßen Mädchen sein Eis wegzunehmen, dann steht ein ganz anderer Erwartungsdruck hinter der Sache... jedenfalls muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, in einem Café draußenzusitzen oder auf ein Straßenfest zu gehen und von den giftigen Rauchwolken eingenebelt zu werden...
Und - ja, klar - die Mentalität der Leute ist schon anders. Vielleicht insbesondere im schrulligen schwäbischen Stuttgart, und noch mehr insbesondere in allen umliegenden Dörfern. Ich bin überrascht, wie bitter und auch wie alt viele Menschen aussehen, denen man so auf der Straße begegnet. Das ist mir vorher nie so aufgefallen, ich dachte immer, meine Nachbarin ist die Einzige, die permanent so aussieht, als würde sie eine Zitrone zerkauen. Ist sie aber ganz und gar nicht. Ebenfalls hochamüsant finde ich, welche Anstrengungen viele Menschen unternehmen, nur damit sie einem nicht in die Augen sehen müssen. Ganz ungewöhnlich, if you're only just coming from overseas, aber es ist lächerlich (lächerlich im eher freundlichen Sinne des einen-zum-Lachen-Bringens) - wer gerade seine Rosen schneidet, findet gerade dann eine sehr hartnäckige Rose direkt vor deiner Nase, wenn du am Gartenzaun vorbeischlenderst und fröhlich "Grüß Gott" trompetest, und die Anstrengung mit dieser Rose ist natürlich ein triftiger Grund, nicht zurückzugrüßen, ja nicht einmal aufzusehen... wer gerade mit Kind und Kegel spazieren geht, findet gerade dann einen sehr spannenden Stein am Wegrand, wenn die Wege sich kreuzen und der Moment gekommen wäre, wo man überall auf der Welt die Anwesenheit des anderen mit einem kurzen Lächeln wertschätzt... ja, eins fühlt man aus dem Grundverhalten der Deutschen schnell heraus: andere Menschen sind Feinde (außer natürlich die, die man Freunde nennt), auch bzw. vor allem fremde Menschen! Gleichzeitig sind wir aber so neugierig, was andere Menschen tun, dass wir hinter dem Vorhang hervorluken, wenn es einer wagt, an der Haustür zu klingeln (um ein Paket vorbeizubringen, dass er für uns angenommen hat) - natürlich öffnen wir die Tür nicht, weiterhin vortäuschend, wir wären nicht zu Hause... ich glaube, wenn Menschen mit ihrem eigenen Leben zufrieden sind (die Worte "glücklich" brauche ich in diesem Zusammenhang nicht einmal in den Mund zu nehmen), interessiert es sie überhaupt nicht, was andere Leute tun. Im Umkehrschluss ist das schwäbische "Lästervolk" ein von Grund auf tendenziell unzufriedenes, und ich brauche nicht zu verheimlichen, dass ich mich vor meiner Reise in vielen Punkten wunderbar eingefügt habe. Umso schöner ist es, die vielen Ausnahmen wertzuschätzen, denn Ausnahmen gibt es genug (selbstverständlich soll hier nichts verallgemeinert werden)... und umso glücklicher schwebe ich nun durch die Welt, seeing, feeling, experiencing with a big inner smile what a world I lived in, and I took it for granted, didn't even think about all this because it was so completely natural. Yes, I have changed, I have changed for the better, and I can't help but being so happy about this!
Weitere Punkte im Deutschland-Vergleich: Alles ist viiiiiel billiger, und die Auswahl erstaunlich gut! Es ist echt leicht, gut und günstig einzukaufen. In Australien war Aldi ein echtes Phänomen, nirgendwo konnte man so günstig einkaufen wie dort (und bei Aldi kostet der günstigste 500ml-Naturjoghurt immer noch 7 Dollar) - hier in Deutschland ist Aldi nur einer von vielen "Discountern"; Lidl, Netto, Penny, Norma, ja zu großen Teilen sogar Kaufland können mit den Preisen super mithalten.
Ja, es war eine gute Entscheidung, zurückzukehren... Sonst hätte ich sie nicht getroffen.  Für viele Leser mag sie relativ spontan erscheinen - das war sie auch - aber für mich bedeutet "zurück nach Deutschland" nicht "zurück zum Job", zurück in den Alltagstrott, zurück in den Stress, zurück in mein altes Leben. Zurück zu meinen Freunden, ja - darüber freue ich mich sehr, auch wenn ich viel Zeit damit verbringe, zunächst all meine Besitztümer zurück in mein WG-Zimmer zu transportieren und dann eine neue Wohnung zu organisieren, denn WG passt nicht mehr. Ich fühle mich komplett anders hier in Deutschland, vielleicht auch, weil Laszlo nach kurzer Zeit nachkommt und ich meine "Heimat" nun mit außenstehenden Augen sehe. Wir besuchen viele Städte ringsum und ich habe das Gefühl, dass ich zum ersten Mal wirklich erlebe, wo ich bislang gewohnt habe. Ohne Stress, ohne irgendein bestimmtes Ziel einfach nur Städte besuchen, um der Städte willen. Gut, manchmal auch, weil ich da alte Bekannte treffe ;) So touren wir innerhalb kürzester Zeit durch Stuttgart, Sindelfingen, Böblingen, Metzingen, Herrenberg, Esslingen, Tübingen und Reutlingen... und ich fühle mich wie ein Tourist in Deutschland... zum ersten Mal laufe ich in all die Kirchen, an denen ich sonst nur vorbeigerannt bin, entdecke neue Geschäfte, in denen ich noch nie war, und fühle die ganz unterschiedlichen Städte-Charaktere und -Athmosphären. Gut, Brisbane ist schwer zu schlagen... *g*
Ich lerne eher "unscheinbare" Städte zu schätzen... Städte, von denen ich bisher dachte: "Ach ja, Sindelfingen..."
Ja, Sindelfingen mit seinen wunderschönen Fachwerkgässchen, Mauerresten und Zebrastreifen aus Marmor... es ist faszinierend und erschreckend zugleich, vor einer Wiese voll sommerbunter Tulpen zu stehen und zu wissen, dass die Blumen auf Nährboden wachsen, der gespickt ist mit molekularen Überresten von verbrannten Vorfahren... was für eine obszöne, widernatürliche Vorstellung, dieses ganze Inquisitions-Prozedere, und wie deutlich es mir vor Augen führt, wozu Menschen fähig sind; Dinge, die ich mir in meinen Alpträumen nicht ausmale; wie sehr es einem klar macht, dass man niemals davon ausgehen sollte, dass andere Menschen auch nur ansatzweise ähnlich denken wie man selbst.... Sindelfingen hat übrigens auch ein tolles Internationales Straßenfest zu bieten, mit viel Musik, mehr oder weniger beeindruckenden Tanzshows (einige männliche Zuschauer fanden die brasilianischen Tänzerinnen mit nix an außer glitzerndem BH und String und einem riesigen Ananaskorb auf dem Kopf schon seeehr beeindruckend) und natürlich jeder Menge Essen aus aller Herren Länder. Nein, das stimmt nicht, nicht alle - der gefühlte Schwerpunkt liegt auf (süd)europäischen Ländern, dazu gibt's ein bisschen Asien/Indien, Brasilien und eine kleine Prise von weit weg.    

Herrenberg überrascht aufgrund seiner "Winzgröße" und seinem nicht besonders farbenschillernden Ruf mit seinem winzigen, aber unheimlich idyllischen Marktplatz, der Stiftskirche, die anscheinend langsam, aber sicher den Hügel hinabgleitet und der "aus Sicherheitsgründen" schon ein Turm amputiert wurde, und on top of it halbzerfallene Mauerreste mit alten, knorrigen Bäumen überall, ein verwunschener, uriger "Geheimplatz" mit toller Aussicht..... eigentlich eine der schönsten kleinen Städte auf unserer Süddeutschland-Touristentour ;) 
Herrenberger Marktplatz, mit Eiscafe und "beschnittener" Stiftskirche
Aussicht vom Herrenberger Schlossberg
Metzingen mit der zu meiner Überraschung inzwischen wahnsinnig boomenden Touristenattraktion, der "Outlet-City", der das ehemals unscheinbare Dörfchen den drittgrößten Umsatz aller Städte Baden-Württembergs verdankt, das ihm aber auch einen stählernen, kühlen Charakter verleiht. Riesige, graue Würfelbauten mit Designermarkenangebot, schnieke Damen und Herren im Golfer-Stil gehen ein und aus, deren Kleidung trotz der Fantasiepreise eher fantasielos erscheint. Ich glaube, als Kind war ich mal auf einem Weihnachtsmarkt in Metzingen und erinnere mich an eine winzige, eingeschneite und kuschelige Altstadt... die findet man heute wahrscheinlich nur noch mit Insider-Wissen (und den Schnee nur, wenn wir das Klima nochmal irgendwie in den Griff kriegen). Anyway, in der Outlet-City findet sich auch ein Lindt-Outlet-Shop, und von der Ausbeute, die wir da gemacht haben, profitiere ich heute noch ;)
Metzingen Outlet-City - THE In-Place!
Esslingen - was für eine friedliche, entspannte Familienstadt. Sie kommt mir vor wie das deutsche Noosa, hier machen alle nur Ferien, keiner hat es eilig, man sieht keinen einzigen Geschäftsmann, der in Business-Aufzug zum Mittagessen auf die Straße tritt; Leute shoppen um elf Uhr unter der Woche, und für kurze Zeit frage ich mich tatsächlich, ob wir heute einen Feiertag haben, von dem ich nichts weiß... irgendwas hat diese Stadt, und vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass sie als eine von erschreckend wenigen deutschen Städten im 2. Weltkrieg nicht attackiert wurde. Ebenfalls auffällig in Esslingen: Kaum einer raucht, dafür schiebt jede(r) Zweite einen Kinderwagen oder trägt das, was da mal rein soll, noch im Bauch (das gilt offensichtlich nur für jede Zweite, ohne (r)!). Unglaublich viele Mütter mit Kindern sind unterwegs und treffen sich im Park zu einem Picknick, während die Kleinen auf dem Spielplatz für die klassische Freibad-Soundatmosphäre sorgen. Überall wird Eis ver- und gekauft und in den vielen kleinen Gassen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, draußen zu sitzen und was Leckeres zu genießen... das tun wir übrigens auch, wir finden einen feinen Asiaten und ich schlemme in schönstem Sonnenschein ein Kokosnuss-Tofu-Gemüse-Something, während ich dem jungen (einsamen) Mann am Nachbartisch zusehe, der seine kleine Tochter mit Hipp-Babybrei füttert ;). 
prettyyyy!
Ebenfalls empfehlen kann ich für Esslingen-Besucher, eine Kugel Eis zu kaufen und sie hinauf auf die Stadtmauer zu tragen, um dann dort bei fabelhafter Aussicht über die Weinberge oder im Inneren der Burgruine die flüssigen Eis-Überreste zu konsumieren. Generell ist Esslingen glaube ich auch wassertechnisch sehr hübsch, aber im Moment ist alles trockengelegt - möglicherweise aus Hochwasserschutzgründen, vielleicht aber auch aus Reinigungsgründen, denn die schlammigen Böden der leeren Kanäle sind mit vergammelten Flaschen, Schnullern, Fahrrad- und Entenskeletten und bis zur Unkenntlichkeit vermoderten Müllgegenständen gepflastert. Die Abwesenheit des Wassers hält die Menschen übrigens nicht davon ab, auf den Brücken stehen zu bleiben und hinab ins Flussbett zu schauen, im Gegenteil - öffentliche Müllkunstausstellung, I'd say ;)
Tübingen
Tübingen habe ich schon immer gemocht, und dieser Eindruck hat sich nun bestätigt. Obwohl der Stadtcharakter mit Fachwerk, Burg und engen Gässchen ähnlich dem von Esslingen ist, ist die Atmosphäre nicht so friedlich und ferienhaft, eher studentisch-modern, im Aufbruch, jung, vibrierend, alternativ. Ja, alternativ trifft Tübingen ganz gut. Ich mag's. Müsliriegel-Mentalität. Wir finden zwei Buddha-Indien-Kram-Läden und an jeder Ecke kann man Falafel kaufen - als "Tübingen-Touristen" nehmen wir beides mit ;) Besonders die Indien-Läden haben es mir angetan... wie schon in Brisbane in der nepalesischen Friedenspagoda habe ich auch inmitten von Räucherstäbchen, glitzerbunten Stoffen und original importierten Holzskulpturen das tiefgehende Gefühl, dass da so viel Energie drinsteckt, und es ist mehr als nur der aufregende Geruch von fremden Kulturen... Natürlich laufen wir auch hinauf aufs Schloss, hinein in Kirchen und vor allem durch die süßen, urig-gemütlichen Fachwerkgassen. Für mich sind sie das Schönste an Tübingen, rauf und runter, schmal, gurkig, gesäumt von interessanten Läden mit viel Charakter, pflastersteinig und öfter mal akustisch gefärbt von (meist alternativen) Straßenmusikern. Und mit den Stocherkahnfahrten entlang der bildhübschen Häuserfassade inklusive Hölderlin-Turm hat sich die Stadt schon ein eindrucksvolles Merkmal geschaffen.
Zwar kein Stocherkahn, aber Tübingens Schokoladenseite ist im Bild...
...mit Tübingens (weißen) Schokoladenvögeln!
Nebst der Tatsache, dass die süddeutschen Städte hübsch sind, habe ich festgestellt, dass die französische Grenze unglaublich nah ist (naja, wenn man aus den Dimensionen Australiens ins schnuckelige Deutschland zurückkehrt, kommt einem alles unglaublich nah vor). Also beschließen wir, am 21.Juni nach Strasbourg zu fahren, for the big Music Festival (and don't ask me the French name, I don't have a clue about French). Laut meiner französischen WG-Mitbewohnerin ist das ein nationaler Feiertag, d.h. überall in Frankreich finden sich an diesem Tag Musiker auf den Straßen zusammen und spielen fröhlich vor sich hin. Es ist mein erstes Mal in Strasbourg, und ich liiiiebe es!
Bildhübsch und mit blauem Himmel!
Tolle Architektur, natürlich insbesondere der äußerst beeindruckende Dom (irgendwas mit Notre Dame, dem buckligen Glöckner und Paris habe ich vielleicht missverstanden). Die Sonne pratzt, und wir haben einen ganzen Tag, um uns die Stadt an der Ill anzusehen.
Die beeindruckende Notre-Dame-Kathedrale,
von der ich immer dachte, dass sie in Paris steht... *g*
"Annie aime les sucettes..."

Wir essen Flammkuchen, Laszlo zumindest einen original elsässischen, ich einen vegetarischen - yumm yumm... und zum Nachtisch kaufe ich einen Kokosnusslolli in einem urigen französischen Süßigkeitenladen, den wir dreimal besuchen, weil jedes Mal, wenn wir ihn betreten, eine hübsche Französin mit einer Keksdose auf uns zuschwebt und uns einen Bisquit anbietet, hahaha... grinsend muss ich zugeben, dass ich sogar dreimal meine Frisur ändere, in der Hoffnung, dass sie uns nicht wiedererkennt und uns nochmal einen Keks schenkt (ich weiß nicht, ob das mit dem Wiedererkennen überhaupt funktioniert hat, aber den Keks habe ich bekommen *g*). Beim letzten Besuch kaufe ich dann den Lolli, weil Französisch und Lollipop so gut zusammen passt (während ich mit süßem Kokos auf der Zunge durch die hübschen Straßen schlendere, läuft in meinem Kopf France Galls "Les Sucettes" in Schleife). 

Gegen Abend wird es dann richtig voll, immer mehr Franzosen strömen in die Stadt, vor allem auch junge. Im Vergleich zum Sindelfinger Straßenfest ist der Altersdurchschnitt gut 20 Jahre niedriger, und die Bereitschaft der Besucher zu Tanz und Ausgelassenheit um zirka 70% höher. Ob das auf die Unterschiede zwischen Französisch und Deutsch zurückzuführen ist, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls bekommt man jetzt, wenn man sich von den Massen durch die Gassen schieben lässt, einen originellen Mix aus allen nur erdenklichen Musikrichtungen serviert. Jeder, der ein Instrument spielen kann, stellt sich an irgendeine Straßenecke und fängt an, seine persönliche Interpretation von "Musik" der Welt zu präsentieren. Ein junges Musikhochschulorchester schrabbt durch die Klassikepochen und spielt dann eine König-der-Löwen-Medley, die mir trotz meiner großen Liebe zu dieser Musik keine Gänsehaut bereitet. Wie immer bei solchen Anlässen spielen durchschnittliche "Rockbands" auf den großen Bühnen, klassisch besetzt durch Schlagzeug, Keyboard, Bass, ein oder zwei Gitarren und einem Sänger, und ich gebe zu, dass ich keine einzige gehört habe, die mich vom Hocker riss. Außerdem finden wir natürlich die altbekannten Indianer mit CD-Verkauf, die vor Hintergrundmusik pan-flöten und dabei mit einem Ventilator ihre langen schwarzen Haare zum Wehen bringen. Ein bisschen schottische Tanzmusik ist am Start, und einige Franzosen tanzen in volkstümlichen Reigen wie Hobbits vor der Bühne. Vor der Stiftskirche macht eine "Guggenmusik"-Gruppe eine Menge Lärm und die Leute hüpfen im Takt, ohne Angst haben zu müssen, sich gegenseitig umzuwerfen (Umfallen unmöglich).
Strasbourg inner city full with people (and music)
In einer Seitengasse liefert ein verhinderter Schauspieler eine große Show ab und interpretiert unter großartig übertriebener Gestikulation mit seiner "Band" mit Mandoline und Zieharmonika klassisch-französische Hits. Gegen kurz vor Mitternacht werden wir in eine weitere Seitengasse geschoben, wo zwei völlig besoffene Studenten ihre E-Gitarren an Boxen angeschlossen haben und ein sehr bekanntes Rocklied spielen, das ich aufgrund des ohrenbetäubenden Geschrabbels kaum erkenne. Ihr Maskottchen, ein besoffenes Eichhörnchen, führt im Vordergrund einen Indianertanz auf - das ist der Moment, in dem wir grinsend beschließen, nach Hause zu fahren ;)
Jap. Conclusion: Der Süden ist schön, viel schöner als ich ihn je empfunden habe, während ich in meinem doch sehr beschränkten Alltag umhergeblubbert bin. Sowas wie Alltag gibt es jetzt gerade nicht mehr, und das genieße ich sehr... "frei sein" und "in Deutschland sein" hat in meinem Kopf irgendwie nie ganz zusammengepasst, doch real passt das erstaunlich gut... ich bin gerne noch eine Weile Tourist "im Ländle" :)